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topplus Windkraftausbau im Süden

BaWü: „Die guten Beschlüsse zur Windenergie müssen jetzt auch umgesetzt werden!“

Raphael Montigel vom BWE-Landesverband Baden-Württemberg ordnet die Empfehlungen der Taskforce Erneuerbare Energie ein und erklärt, welche Maßnahmen die Windenergie im Ländle voranbringen würden.

Lesezeit: 8 Minuten

Auch Baden-Württemberg hat bei der Windenergie noch Nachholbedarf – genau wie in Bayern. Eine Taskforce Erneuerbare Energie hat hier Vorschläge erarbeitet, wie mehr Windräder gebaut werden können. An den Empfehlungen hat auch Raphael Montigel, Leiter der Landesgeschäftsstelle des Bundesverbandes Windenergie (BWE) in Baden-Württemberg, mitarbeitet.

Im top agrar-Interview erklärt er, mit welchen Hemmnissen die Branche derzeit kämpft und was sich für eine Änderung der Lage tun müsste.

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Es gibt immer noch ein starkes Nord-Süd-Gefälle bei der Windenergie. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Gründe dafür, dass die Windenergie im Süden nicht vorankommt?

Montigel: Historisch betrachtet gab es in Baden-Württemberg auf breiter Front kein großes Interesse an der Entwicklung von Windkraft. Das betrifft nicht nur die Flächeneigentümer, sondern auch die Regionalverbände und Kommunen, die entsprechende Flächen nicht ausgewiesen haben. Hier fehlten die notwendigen Impulse aus der Landesregierung.

Weil Politik und Verwaltung über viele Jahre hinweg die Windenergie als ideologisches Projekt kleingeredet haben, fehlte es auch an gesamtgesellschaftlicher Akzeptanz und damit auch an der nötigen Zahl an Genehmigungen. Denn letztlich müssen bei einem Genehmigungsantrag immer verschiedene Belange und Bedürfnisse gegeneinander abgewogen werden.

In einem Umfeld, in dem der Windenergie wenig Stellenwert eingeräumt wird, wird sich eine Genehmigungsbehörde nur selten für eine Windenergieanlage einsetzen. Dazu kommt der Natur- und Artenschutz. Im Norden hingegen sehen wir, dass die Windenergie in Gesellschaft und Politik längst etabliert und akzeptiert ist. Wo bereits Windenergieanlagen stehen, ist die Akzeptanz in der Regel höher, da die Veränderungsängste geringer sind.

In Bayern bremst die 10H-Regelung. Welche konkreten Hemmnisse gibt es in Baden-Württemberg?

Montigel: Politik und Verwaltung tun sich teils schwer, neue gesetzliche Regelungen auf Bundesebene rasch im Landesrecht zu etablieren bzw. auf Verwaltungsebene umzusetzen. Das merkt man z.B. am unsicheren Vorgehen der Behörden beim Artenschutz. Hier wäre es vor allem nötig, aus aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Rotmilan oder zum Auerhahn die richtigen Schlüsse zu ziehen und den Artenschutz nicht gegen den Klimaschutz auszuspielen. Stattdessen wäre eine Pragmatisierung und Vereinfachung vonnöten.

Warum ist der Rotmilan ein Problem?

Montigel: Baden-Württemberg beherbergt eine verhältnismäßig große Population an Rotmilan-Brutpaaren. Immerhin 60 % des Weltbestands dieser Greifvogelart brüten in Deutschland, weswegen Deutschland eine besondere Verantwortung zukommt bezüglich des Erhalts dieser Vogelart.

Da der Rotmilan als kollisionsgefährdete Art gilt, erschwert ein Brutplatz oder Horst die Entwicklung von Windenergieanlagen in der Nähe und verhindert in vielen Fällen sogar den Erfolg von Windenergieprojekten. Neueste Untersuchungen der Flugbewegungen jedoch legen nahe, dass der Rotmilan nur in wenigen Ausnahmen tatsächlich mit Windenergieanlagen kollidiert.

Anders als der Rotmilan lebt das Auerhuhn ja überwiegend auf dem Boden. Welche Konflikte gibt es da?

Montigel: Das Auerhuhn sperrt weite Teile der für die Windenergie besonders geeigneten Gebiete des Hochschwarzwaldes, selbst da, wo die Art noch nie gesichtet wurde. So werden willkürliche „Auerhuhn-Erwartungsgebiete“ ausgewiesen, die ohne fachliche oder wissenschaftliche Begründung zu Tabuzonen für die Windenergie erklärt werden. Dabei handelt es sich meistens um besonders windhöffige, da hochgelegene Gebiete.

Dies ist besonders ärgerlich nicht nur, weil es keine fachliche Grundlage für die Annahme einer relevanten Störung der Tiere durch Windenergieanlagen gibt, sondern insbesondere auch darum, weil deren Bestand in den vergangenen Jahrzehnten rückläufig ist und vor Jahren bereits einen Status erreichte, der eine Erholung im Grunde unmöglich macht.

Verantwortlich dafür ist allerdings mitnichten der (schleppende) Ausbau der Windenergie, der mit Verweis auf das Auerhuhn gerne und erfolgreich verhindert wird, sondern der Klimawandel, der die traditionellen Lebensräume der Tiere für diese ungeeignet macht.

Im Mai hat Ministerpräsident Kretschmann von einer Trendwende in Baden-Württemberg gesprochen, 400 Anlagen seien auf dem Weg. Wie bewerten Sie die Pläne der Landesregierung zum Ausbau? Reicht das Tempo bei Planung und Genehmigung?

Montigel: Die Pläne und Ziele der Landesregierung zum Ausbau der Erneuerbaren sind richtig. Baden-Württemberg ist als Wirtschaftsstandort darauf angewiesen, dass unsere Industrie und Wirtschaft günstigen, klimafreundlichen Strom beziehen kann, um auch in Zukunft weltweit konkurrenzfähig zu bleiben. Auch die Transformation unserer Gesellschaft zur Klimaneutralität bietet Unternehmerinnen und Unternehmern im Ländle große wirtschaftliche Chancen. Alleine die Mobilitätswende wird in Baden-Württemberg weitreichende Folgen haben. Wer davor heute noch die Augen verschließt, verspielt die Chance, zum Kern und Zulieferer Profiteur der globalen Transformation zu werden. Dieses Bewusstsein fasst auch in Baden-Württemberg in Politik und Industrie und Wirtschaft sowie in der Bevölkerung Fuß.

Wirklich konkret ist die Landesregierung allerdings erst im Zuge der Taskforce zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien geworden. Deren Arbeit wurde Mitte des Jahres als vollendet erklärt.

An der Taskforce waren Sie als BWE-Landesverband ja auch beteiligt. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?

Montigel: Die Ergebnisse stimmen die Branche in vielen Punkten optimistisch. Allerdings kommt es jetzt auf eine schnelle und stimmige Umsetzung an. Eine besonders herausragende Rolle kommt dabei den zwölf Regionalverbänden des Landes zu.

Diese haben beschlossen, bis 2025 in einer Regionalplanoffensive das vom Bund geforderte Flächenziel (1,8 % der Landesfläche für Windenergie) zu erreichen. Das ist immerhin sieben Jahre früher, als es der Bund vorsieht, und wäre eine grandiose Basis, um einen Ausbau-Turbo zu zünden.

Dabei darf aber nicht vergessen werden: das Flächenziel ist nur eine Behelfsgröße. Der Erfolg der Energiewende bemisst sich nicht an dem Anteil der Landesfläche, die für Windenergie ausgewiesen ist, oder an der Anzahl der realisierten Windenergieanlagen, sondern an der erzeugten Energie. Das heißt, dass die Regionalverbände unbedingt die besten möglichen Flächen ausweisen müssen. Denn je besser die Standorte, umso weniger Windenergieanlagen sind notwendig, um den Energiebedarf zu decken.

Reichen denn die erwähnten 400 Anlagen?

Montigel: Nein, Fakt ist, dass wir in Baden-Württemberg rund 2.000 bis 3.000 neue Windräder bis 2040 benötigen werden. Die von Ministerpräsident Kretschmann genannte Zahl von 400 Anlagen, die bereits auf dem Weg seien, sehen wir dabei kritisch.

Zum einen werden nicht alle Anlagen, die eine Genehmigung erhalten haben, auch tatsächlich realisiert. Der Ministerpräsident zählt hier 100 Anlagen. Es ist leider keine Seltenheit, dass Projekte durch überzogene Klagewellen so lange verzögert werden, dass die wirtschaftlichen Einbußen und die zeitliche Verzögerung das Projekt unwirtschaftlich lassen werden.

Auch die explosionsartigen Kostensteigerungen bei Anlagen und Komponenten können Projekte in die Unwirtschaftlichkeit treiben – dies gilt insbesondere für Projekte, die zwischen 2020 und 2022 geplant wurden. Diese wurden mit „alten“ Preisen kalkuliert, müssen nun aber massive Kostensteigerungen decken.

Weiterhin benennt der Ministerpräsident 133 Anlagen, die sich derzeit im Genehmigungsverfahren befinden. Im ersten Halbjahr 2023 haben 22 Windenergieanlagen eine Genehmigung erhalten. Bei dem Tempo dauert es drei Jahre, bis alle 133 Anlagen eine Genehmigung erhalten haben. Ab da müssen wir realistischerweise mit weiteren zwei Jahren bis zur Inbetriebnahme rechnen. Auch hier ist leider davon auszugehen, dass nicht allen Anträgen auf Genehmigung stattgegeben wird.

Letztlich nennt MP Kretschmann knapp 180 Projekte, die sich im Stadium der Projektvorstellung befinden. In diesem Planungsstand ist nicht einmal klar, ob die Projekte es auch nur zur Antragsstellung einer Genehmigung schaffen.

Welche Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht nötig, damit Genehmigungen und Bau vorankommen?

Montigel: Laut Fachagentur Wind an Land ist die Dauer der Planungs- und Genehmigungsverfahren entgegen vieler neuer Maßnahmen auf einen neuen Höchstwert angestiegen und liegt nun bundesweit bei 24,5 Monaten. Auch die langwierigen Genehmigungsprozesse für die Transporte der Anlagen sind ein echter Flaschenhals für die Realisierung von Projekten und eine hohe Belastung für die Branche. Hier gibt es viel Beschleunigungspotenzial.

In der Task Force sind einige wichtige Weichenstellungen vorbereitet worden, die die Ausbaugeschwindigkeit hochfahren könnten. Können Sie Beispiele nennen?

Montigel: Die Windbranche hat der Landesregierung in einem Forderungspapier insgesamt 20 Vorschläge in den Themenkomplexen Flächenausweisung, Natur- und Artenschutz, Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und Ausbau der Netzinfrastruktur im Rahmen des Windbranchentages 2023 übergeben.

Bei den Genehmigungsverfahren braucht es klare, windenergiefreundliche Handlungsanweisungen für Behörden. Hierzu zählt auch die Erstellung und Nutzung einer Mustergenehmigung, wie es zum Beispiel in Schleswig-Holstein erfolgreich praktiziert wird.

Bei der Flächenausweisung und dem Natur- und Artenschutz fehlen weitere verbindliche Regelungen für störungsempfindliche Tierarten. Für kollisionsgefährdete Arten sind solche Regelungen bereits vorhanden – das spart bei der Planung viel Zeit.

Zu guter Letzt ist eine bessere Synchronisierung des Ausbaus der Wind- und Solarparks mit dem Ausbau der Stromnetze auf allen Netzebenen notwendig. Besonders größere dezentrale Anlagen bringen die Aufnahmefähigkeit der Netze schon heute in vielen Regionen des Landes an ihre Grenzen. Für Wind- und Solarparks müssen teilweise kilometerlange Kabel für den Anschluss ans Stromnetz gelegt und die Netze verstärkt werden.

Andernorts blockiert die lineare Begrenzung an den Netzverknüpfungspunkten gemäß der installierten Nennleistung der Anlagen den schnellen Anschluss von Windenergieanlagen im Verbund mit anderen Energieträgern und bremst damit die Energiewende.

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