Ein wesentlicher Schwerpunkt der Energiewende ist es, die Stabilität der Stromnetze und damit die Versorgungssicherheit in Deutschland jederzeit zu gewährleisten. Gerade bei der zunehmenden Einspeisung fluktuierender erneuerbarer Stromerzeuger, wie Windkraft oder Photovoltaik (PV), kommt es jedoch vermehrt zu Engpässen oder zu einer Überlastung der Verteilnetze.
Netzverknüpfungspunkt ist Nadelöhr
Das Nadelöhr zum Mittelspannungs-Verteilnetz, in das PV- und Biogasanlagen einspeisen (bis 50 kV), ist der sogenannte Netzverknüpfungspunkt (NVP), der für eine maximale Stromeinspeisung ausgelegt ist. Bei Überschreiten dieser Leistung werden die Anlagen abgeregelt, um die Netzstabilität zu sichern. Um diese Belastung ohne kostenintensiven Netzausbau zu reduzieren, arbeitet das Institut für neue Energie-Systeme (InES) gemeinsam mit den Projektpartnern im Projekt „FlexFuture – Integration von Biogasanlagen in Netze mit hohem Anteil fluktuierender Stromerzeuger“ an Lösungen.
Untersuchungen an der Biogasanlage Zellerfeld
Die Wissenschaftler nutzten die Regelbarkeit von Biogasanlagen für den Lastausgleich. Das heißt, kurzfristige Schwankungen im Stromnetz werden über die regelbare Stromproduktion der Biogas-Blockheizkraftwerke (BHKW zur Erzeugung von Strom und Wärme) ausgeglichen. „Wir haben im Realbetrieb an der Biogasanlage Zellerfeld in Bayern gezeigt, dass durch eine intelligente Anlagensteuerung Stromspitzen in der Einspeisung erneuerbaren Stroms vermieden werden können“, erklärt Prof. Wilfried Zörner, Projektleiter am Institut für neue Energie-Systeme (InES) an der Technischen Hochschule Ingolstadt.
Zusammen mit dem Biogas-Technik-Hersteller UTS Products GmbH und dem Standortentwickler Prolignis Energie Consulting GmbH wurde ein Steuerungskonzept zur automatisierten und verteilnetzorientierten Fahrweise von Biogasanlagen entwickelt, welches auf bestehende Anlagen übertragbar ist. So können durch die Installation weiterer BHKW und entsprechend dimensionierter Gasspeicher an der Biogasanlage zusätzliche Kapazitäten für die Erzeugung von Strom bereitgestellt werden. Im Fall einer hohen PV-Einspeisung kann die Stromerzeugung am Biogas-BHKW heruntergefahren oder sogar ausgesetzt werden. In Zeiträumen geringer Sonneneinstrahlung wird durch die BHKW mehr Biogas zu Strom und Wärme umgewandelt.
Fahrpläne für 32 Stunden im Voraus
Die Entwickler hatten dabei nicht nur die Netzdienlichkeit, d. h. den Beitrag zur Stabilisierung der Stromnetze, sondern auch die Ertragssteigerung für den Biogasanlagenbetreiber im Blick. Für den BHKW-Betrieb wurden im Projekt Fahrpläne für jeweils 32 Stunden im Voraus erstellt. Diese berücksichtigen einerseits den Füllstand des Biogasspeichers und die tagesaktuellen Wetter- und Einstrahlungsprognosen und andererseits die Preisentwicklung an der Strombörse Epex Spot.
So konnte der Biogasstrom vor allem in Zeiten hoher Strompreise bereitgestellt werden. Mit der flexiblen Fahrweise der Biogasanlage wurde zeitgleich die lokale PV-Einspeisung ausbalanciert.
Finanzieller Anreiz fehlt
Das Team sieht nach dem erfolgreichen Projekt noch einige Herausforderungen: So ist das Anlagenmonitoring beider Stromerzeuger mit einem hohen technischen Kommunikations- und Vernetzungsaufwand verbunden. In einer Zukunft mit zunehmend vernetzten Energieanlagen müssen diese sensibler aufeinander reagieren können. Die wichtige Prognose der PV-Einspeisung kann beispielsweise durch die Installation eines Wolken-Tracking-Systems verbessert werden. Damit kann eine noch gezieltere Anpassung der Stromerzeugung aus Biogasanlagen an die PV-Einspeisung ermöglicht werden. Des Weiteren bieten die derzeitigen Rahmenbedingungen und Gewinnmöglichkeiten keine Anreize für Anlagenbetreiber, ihre Biogasanlagen im Hinblick auf die Netzdienlichkeit zu flexibilisieren.