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Biogasbranche: Betreiber stoppen Investitionen von 400 Mio. €

Von gedrückter Stimmung bis Schockstarre in der Branche spricht der Fachverband Biogas angesichts der geplanten Rückzahlungspflicht von Erlösen. Der Verband schlägt ein alternatives Modell vor.

Lesezeit: 4 Minuten

Die Stimmung zum Start der 32. Biogas Convention hätte kaum schlechter sein können: Mit der Ankündigung, die Erlöse aus der Stromerzeugung von Biogasanlagen nahezu vollständig abzuschöpfen, hat das Bundeswirtschaftsministerium die Branche tief erschüttert. „So schlecht wie jetzt war die Stimmung in der Branche noch nie, es gibt auf vielen Anlagen fast eine Insolvenzstimmung“, erklärt Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas.

Noch vor drei Wochen hatte die Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für eine Hochstimmung gesorgt: Für rund 1 Jahr sollte die Höchstbemessungsleistung für Biogasanlagen wegfallen, womit die Stromproduktion nicht mehr gedeckelt wäre. „Die Betriebe haben sich darauf vorbereitet, Geld in die Anlagen investiert und Strom am Terminmarkt angeboten“, erklärt Seide.

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"Den Boden entzogen"

Doch mitten in diesem Prozess würde der Branche jetzt der Boden entzogen. Nicht eine Gewinnabschöpfung, wie immer behauptet wird, sondern die geplante Rückzahlungspflicht von Erlösen sorgt für das große Unverständnis. „Das Geld ist bereits reinvestiert, eine Rückzahlung wäre fatal“, sagt der Präsident.

Betroffen sind auch Erlöse aus der flexiblen Stromproduktion. Käme die Rückzahlungspflicht, würde kein Betreiber mehr Strom in Zeiten von hohen Preisen bedarfsgerecht einspeisen. „Dabei hat unsere Branche teure Gaskraftwerke aus dem Markt gedrängt und damit dazu beigetragen, fossiles Erdgas einzusparen und den Strompreis zu senken“, sagt er.

Investitionen gestoppt

„Die Verunsicherung schlägt voll durch auch auf die Firmen im Biogassektor“, ergänzt Christoph Spurk, Vizepräsident im Fachverband und Geschäftsführer eines Anlagenherstellers. Die letzten sechs Monate mit der Gaskrise hätten viele Betreiber und Firmen motiviert, wieder mehr Geld in die Biogasproduktion zu investieren. Viele Betreiber hätten sich erstmals mit der Strombörse und Terminmärkten beschäftigt. „Jetzt will das BMWK mit dem Holzhammer eingreifen, das Signal ist fatal“, moniert er.

Nach einer Umfrage haben etwa die Hälfte der Biogasfirmen von abrupten Stornierungen der Anlagenbetreiber berichtet. Betroffen sind Investitionen von rund 400 Mio. €, die jetzt nach der Ankündigung des Wirtschaftsministeriums nicht mehr getätigt werden. „Es macht uns fassungslos, dass die Biogasbranche nachträglich belangt wird, fossile Energien wie Steinkohle dagegen nicht betroffen ist“, sagt Spurk. Dagegen müsste die klimafreundliche Biogasbranche doch bevorzugt werden. Immer häufiger würden Firmen im Ausland hören: „Energiewende ist erstrebenswert – aber nicht so, wie in Deutschland.“ Das sei für den einstigen Vorreiter ein Armutszeugnis, so der Vizepräsident.

Was der Eingriff für die Branche bedeutet

Mit einem offiziellen Referentenentwurf rechnet der Verband in dieser Woche. Anstelle der ersten Ankündigung, die Abschöpfung ab März 2022 vorzunehmen, ist jetzt der 1. September im Gespräch. „Das bedeutet zwar, dass der Verlust nicht ganz so stark ausfällt, aber der Vertrauensverlust bleibt“, sagt Seide. Offen ist, wie viel und wie die Erlöse zurückgezahlt werden sollen. Laut Seide sei das administrativ fast unmöglich: „Es gibt nicht den einen Erlös, viele Biogasanlagenbetreiber haben mehrere Stromlieferverträge in verschiedenen Märkten gemacht.“ Feststehe nur, dass die Kosten für Komponenten, Wartung und Rohstoffe um etwa 10 ct/kWh Strom angestiegen sind. „Wir fordern eine Gleichbehandlung mit den fossilen Energien und plädieren für ein Steuermodell, bei dem die Gewinne berücksichtigt werden“, sagt Seide. Denn die Branche sei bereit, Gewinne teilweise an die abzugeben, die weniger Geld zur Verfügung hätten – aber mit sinnvollen und realistischen Lösungen.

Würde aber die Abschöpfung der Erlöse tatsächlich in der geplanten Form umgesetzt, hätte dies sowohl Konsequenzen für die Wärmekunden der Biogasanlagen, die im schlimmsten Fall nicht mehr mit Heizenergie beliefert werden könnten, als auch für den Strompreis, macht Seide deutlich. Denn wenn die flexiblen Biogasanlagen wegfallen, würden die Gaskraftwerke am Ende der Erzeugerkette den Strompreis bestimmen und weiter in die Höhe treiben.

Digitale Jahrestagung

Trotz der schlechten Stimmung blicken die Akteure auch nach vorne und nutzen die heute startende Biogas Convention, um sich zu informieren und auszutauschen. Das Thema Strommarkt und Erlösabschöpfung ist eines der Themen auf der digitalen Jahrestagung des Fachverbandes vom 7. bis 11. November. Der Strauß an Möglichkeiten reicht von der flexiblen Strom- und Wärmeeinspeisung über die Biomethan-Aufbereitung und dessen Nutzung als Kraftstoff, genehmigungsrechtliche Auflagen bis hin zu Düngemitteln und Artenvielfalt. Auch internationale Projekte und Potenziale sind Thema der diesjährigen Veranstaltung - speziell mit Blick auf die Pläne der EU, die Biogasnutzung massiv auszubauen.

In der kommenden Woche findet dann in Hannover vom 15. bis 18. November die Messe EnergyDecentral statt, bei der das Thema Biogas auch einen breiten Raum einnimmt.

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