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Biokraftstoffe für die Verkehrswende: Heilsbringer oder Scheinlösung?

Stefan Schreiber (Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie) und Dr. Johanna Büchler (Deutsche Umwelthilfe) blicken sehr unterschiedlich auf Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse.

Lesezeit: 5 Minuten

Hintergrund: Alternative Kraftstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen sind für den Klimaschutz unerlässlich, sagen Befürworter – vor allem angesichts der erneuten Verfehlung der Sektorziele nach dem Klimaschutzgesetz im Jahr 2022. Wegen des immensen Flächenverbrauchs seien sie sogar klimaschädlicher als fossile Kraftstoffe, lautet das Gegenargument. Zwischen diesen Polen bewegt sich die aktuelle Diskussion um Biodiesel, Bioethanol & Co. Das zeigten auch die Meinungsäußerungen auf einer Podiumsdiskussion der Agentur für Erneuerbare Energien, an der u.a. Stefan Schreiber, Präsident des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) und gleichzeitig Vorstand des Biokraftstoffherstellers Verbio AG sowie Dr. Johanna Büchler, Senior Expert Klimaschutz im Verkehr bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) teilnahmen. Beide haben gegenüber top agrar ihre Für- und Gegenargumente geäußert.

Stefan Schreiber, VDB: „Ohne Biokraftstoffe geht es nicht“

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„Angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise gilt es, alle verfügbaren Optionen zu nutzen, um CO₂ im Verkehr zu reduzieren. Dies umfasst auch die Weiternutzung der Biomasse. Dazu zähle ich explizit nicht nur Reststoffe, sondern auch Anbaubiomasse. Nach den ambitionierten Zielvorgaben der deutschen Treibhausgasquote sollen fortschrittliche Biokraftstoffe aus Reststoffen, Wasserstoff und die E-Mobilität stark wachsen, während konventionelle Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse auf dem aktuellen Stand bleiben. Die Vorgaben sind zu begrüßen, sie haben vielfältige Investitionen ausgelöst, z.B. in die Biomethanproduktion aus Reststoffen. Deshalb sollte der Pfad auch nicht verlassen werden, wie es das Bundesumweltministerium mit dem Ausstieg aus Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse vorgeschlagen hat. Denn ohne Biokraftstoffe würde es erst recht illusorisch, die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen. Vor dem Hintergrund der deutlich gestiegenen Inflation brauchen Investoren mehr denn je das Vertrauen in stabile Rahmenbedingungen. Die USA machen uns das gerade vor, indem sie Investitionen z.B. in Grünen Wasserstoff mit dem Inflation Reduction Act wirksam fördern. Das ist der Weg, den man beschreiten sollte, anstelle den Verbrauch zu subventionieren wie mit dem Tankrabatt.

Unserer Meinung nach sollte die Obergrenze für konventionelle Biokraftstoffe auch nicht auf dem heutigen Stand bleiben. Im Zuge der zunehmenden E-Mobilität sinkt der Energieverbrauch im Verkehr. Deshalb muss die prozentuale Obergrenze für anbaubiomassebasierte Biokraftstoffe steigen, damit die gleichen absoluten Mengen abgesetzt werden können. Gleichzeitig brauchen wir höhere Beimischungen, um den Status Quo der CO₂-Einsparung einzuhalten, also B10 und perspektivisch E20.

Kritiker führen immer wieder den hohen Flächenverbrauch an. Aber wir produzieren auf den Flächen gleichzeitig mit Biokraftstoffen Tierfutter und die Basis-Chemikalie Glycerin.

Biokraftstoffe als Rohstoffe wird man zudem brauchen, um den fossilen Kohlenstoff in der chemischen Industrie mittelfristig zu ersetzen. Stellen wir Biomasse weiter in Frage, was Teile der Bundesregierung bisher schon getan haben, wird diese Umstellung mit Sicherheit nicht erfolgen, weil Investoren kein Vertrauen mehr haben. Wir brauchen also nicht weniger, sondern mehr Biomasse, auch im Verkehr. Wir brauchen Teller und Tank.“

Dr. Johanna Büchler: „Agrokraftstoffe sind eine Scheinlösung“

„Seit über 15 Jahren landet an jeder Zapfsäule neben fossilem Kraftstoff auch pflanzlicher Kraftstoff aus Getreide oder Speiseölen im Autotank. Noch immer wird die Beimischung von solchem Agrokraftstoff als Beitrag zum Klimaschutz verkauft, obwohl längst bekannt ist, dass die Umweltbilanz in Wahrheit desaströs ist. Schon seit 2008 stuft das Umweltbundesamt die staatliche Förderung für Agrokraftstoffe als klima- und umweltschädliche Subvention ein.

Das Grundproblem: Aus Pflanzen Energie zu gewinnen, ist extrem ineffizient. Für wenige Prozentanteile Agrokraftstoff in deutschem Diesel und Benzin sind deshalb rund um den Globus riesige Anbauflächen belegt. „Bio“ ist daran gar nichts, im Gegenteil: Agrospritproduktion bedeutet zusätzliche intensive Landwirtschaft auf Millionen Hektar, mit Dünger, Pestiziden und schweren Maschinen. Die Sojaplantagen, Rapsfelder und Getreideäcker, die der Kraftstoffproduktion dienen, blockieren wertvolles Land, auf dem ansonsten entweder Nahrungsmittel für Menschen erzeugt werden könnten oder natürliche Ökosysteme CO2 binden und langfristig speichern könnten. Verschiedene wissenschaftliche Studien haben immer wieder gezeigt: Die Klimaschäden aufgrund des enormen Flächenverbrauchs von Agrokraftstoff sind gewaltig und machen den kleinen CO₂-Vorteil, der durch den Ersatz von fossilem Kraftstoff entsteht, mehr als zunichte. Unter dem Strich ist die Klimabilanz von Agrosprit so noch schlechter als die von fossilem Kraftstoff. Es ist grotesk, ein solches Produkt auch noch staatlich zu fördern! Der von Umwelt- und Landwirtschaftsministerium vorgesehene Ausstieg aus der Agrosprit-Förderung ist deshalb wichtig und richtig und sollte schnellstmöglich umgesetzt werden.

Scheinlösungen wie Agrokraftstoff oder auch E-Fuels sind hochgefährlich, denn sie lenken den öffentlichen Diskurs weg von wirksamen Klimaschutzmaßnahmen. Sie suggerieren, dass der Verbrennungsmotor grün werden könnte, und erwecken den Eindruck, dass der Verkehr klimaverträglich werden kann, ohne dass sich wirklich etwas ändern muss. Das sind reine Illusionen. Statt einem „Weiter so mit anderem Kraftstoff“ brauchen wir eine echte Mobilitätswende, die uns aus der Autoabhängigkeit befreit und den Umstieg auf Fuß, Rad und öffentlichen Verkehr einfach und attraktiv macht. Verbleibende Fahrzeuge können effizient elektrisch betrieben werden. Loslegen kann die Regierung mit dem Abbau der zahlreichen klimaschädlichen Subventionen für den Autoverkehr, wodurch zugleich Milliarden für Investitionen in die Alternativen frei würden.“

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