Das Bundeskabinett hat am 19. April das Gesetzgebungsverfahren zur Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) eingeleitet. Ab 2024 sollen neu installierte Heizungen mit mindestens 65 % erneuerbaren Energien betrieben werden. Der Gesetzentwurf sieht zugleich vor, dass mit Erdgas befeuerte Gasheizungen weiterhin eingesetzt werden können, wenn diese technisch dazu in der Lage sind, Wasserstoff zu verarbeiten („H2-ready“) und wenn Gasverteilnetzbetreiber einen Transformationsplan vorlegen, wonach das entsprechenden Versorgungsgebiet bis zum Jahr 2035 auf Wasserstoff umgestellt werden soll.
Ein breites Bündnis von 16 Organisationen aus den Bereichen Energie, Klimaschutz, Umwelt und Gewerkschaften, darunter der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), fordert die Bundesregierung mit einem Appell auf, diese Erfüllungsoption (Paragraf 71k) aus dem Gesetz zu streichen.
Der Einbau einer neuen Gasheizung in der Hoffnung, diese kurz- oder mittelfristig mit klimaneutralem Wasserstoff betreiben zu können, sei mit immensen ökologischen und finanziellen Risiken verbunden. Angesichts der immer drängender werdenden Klimakrise bleibe keine Zeit, auf Scheinlösungen zu setzen und mit ihnen zu rechtfertigen, dass über viele Jahre weiter mit Erdgas geheizt werde.
10 Argumente gegen „H2-ready“
Gegen die Erfüllungsoption “H2-ready” sprechen nach Ansicht des Bündnisses die folgenden zehn Punkte, die allerdings nicht abschließend seien:
- Es sei wissenschaftlicher Konsens, dass eine Umstellung der bisher auf Erdgas basierenden Versorgungsstruktur (Netze, Hausanschlüsse, Heizungen) zu Wasserstoff in der Breite des Gebäudesektors weder technisch noch wirtschaftlich umsetzbar sei.
- Es sei davon auszugehen, dass Wasserstoff selbst im Zeithorizont nach 2030 ein knappes Gut bleibe und nur zu sehr hohen Preisen zur Verfügung stehen werde. Für Verbraucher könnte sich die Investition in eine H2-ready-Gasheizung also selbst dann als Kostenfalle erweisen, wenn die Umstellung zu Wasserstoff in einzelnen Netzgebieten gelinge, aber zu sehr hohen Betriebskosten führe. Vermeidbare Nutzungskonkurrenzen zwischen Gebäudesektor, Industrieprozessen und Spitzenlastkraftwerken würden den Brennstoffpreis zusätzlich erhöhen.
- Auch aus Erdgas erzeugter "blauer Wasserstoff” werde im Gesetzentwurf als Option zur Umstellung der Gasnetze vorgesehen. Förderung und Transport des dafür benötigten Erdgases führten zu zusätzlichen CO₂-Emissionen. Blauer Wasserstoff sei also keine erneuerbare Energie oder unvermeidbare Abwärme im Sinne des Gesetzes und dürfe nur in absoluten Ausnahmefällen und vorübergehend zur Anwendung kommen. Für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors werde er nicht benötigt.
- Wasserstoff weise pro Volumen einen deutlich geringeren Heizwert auf als Erdgas. Daher ließen sich durch seine Beimischung zum Erdgas nur 7 % der Energie und damit auch nur 7 % der CO₂-Emissionen einsparen (und auch nur, wenn es sich dabei um grünen Wasserstoff handelt). Der Rückgang im Heizwert müsse durch einen erhöhten Gasverbrauch kompensiert werden.
- Die Transformation von Gasnetzen auf 100 % Wasserstoff erfordere eine großflächige Umstellung von Leitungen auf allen Druckebenen bis hin zum Hausanschluss. Dafür müssten neue Netze parallel zu den bestehenden Gasnetzen verlegt werden. Die Umstellung könne zudem nur für ganze Straßenzüge synchron erfolgen und nur dann, wenn auch der letzte Anschlussnehmer an diesem Strang zu einer entsprechenden H2-ready-Heizung umgerüstet habe. Hierdurch entstünden weitere Kosten, die in ihrer Höhe derzeit nicht absehbar sind.
- Aus den genannten Gründen seien diese Transformationsprojekte mit enormen Kostenrisiken verbunden, insbesondere für private Haushalte sowie für Mieter. Dabei sei zu befürchten, dass mit Transformationsplänen auch die Einführung von kommunalen Anschluss- und Benutzungszwängen für das Gasnetz gerechtfertigt würde, um Kosten und Risiken auf eine größere Anzahl von Anschlussnehmern zu verteilen. Kunden würden dann zur Verwendung CO₂- verursachender Gasheizungen und zur finanziellen Beteiligung am Gesamtprojekt gezwungen.
- Transformationsprojekte müssten wegen der hohen finanziellen Risiken durch die Anteilseigner des Gasnetzbetreibers, zumeist Stadtwerk oder Kommune, sowie in letzter Verantwortung auch durch die Allgemeinheit abgesichert werden. Diese müssten dann auch für die umgehende Nachrüstung einer alternativen Wärmeversorgung durch Wärmenetze oder Wärmepumpen finanziell aufkommen.
- Wie wirksam die im Gesetzentwurf enthaltenen Kriterien der Verbindlichkeit und finanziellen Absicherung sind, werde sich erst im Nachhinein erweisen. Verlautbarungen aus der Gaswirtschaft, die etwa eine Streckung der Transformationspläne auf einen Zeithorizont bis 2045 fordern, ließen jedenfalls befürchten, dass die Auflagen für diese Risikoprojekte gelockert werden könnten.
- Aktuell seien Erdgaspreise noch immer stark subventioniert. So etwa durch die Absenkung der Mehrwertsteuer auf 7 %, der aufgeschobenen Erhöhung des CO₂-Preises und die Gaspreisbremse. So würden viele Gebäudeeigentümer und Verbraucher durch die vermeintlich einfache H2-Ready-Lösung getäuscht.
- Die Umsetzer der Wärmewende benötigten dringend Planungssicherheit, um sowohl verstärkt in die Umstellung zu wirklichen Klimaschutztechnologien einzusteigen als auch unkalkulierbare finanzielle Risiken zu vermeiden. Das unbegründete Inaussichtstellen von Wasserstoff für die Gebäudeversorgung verfestige hingegen Geschäftsmodelle mit fossilen Energieträgern. Nicht zuletzt würden die nur begrenzt verfügbaren Fachkräfte gebunden und stünden für viele wertvolle Baustellen der Energie- und Wärmewende nicht zur Verfügung.
Ein Link zum Download und zur Weiterverbreitung dieses Appells steht auf der Internetseite des Naturschutzbund Deutschland zur Verfügung: www.nabu.de/h2-appell