Ab dem Jahr 2035 soll es in Europa nur noch CO2-emissionsfreie Neuwagen geben. Darauf haben sich im Juni die EU-Umwelt- und Energieminister geeinigt. Von diesem Beschluss geht laut Bundeswirtschaftsministerium das klare Signal für den Ausbau der E-Mobilität aus.
Die Bundesregierung selbst plant bis zum Jahr 2030 laut Koalitionsvertrag 15 Mio. Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen. Doch das Ziel ist sehr ehrgeizig, wie ein Blick auf die aktuelle Lage zeigt: In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 681000 Elektro-Pkw neu zugelassen. Damit hat sich der Bestand mehr als verdoppelt, hat das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) ermittelt.
Bezogen auf die Gesamt-Neuzulassungen beträgt der Anteil der Elektro-Pkw lediglich 26 % – aber immerhin ist dies fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Und laut ZSW ist das erstmals mehr als der Anteil der Diesel-Pkw. „Wenn man die Benzin- und Dieselpreise an den Tankstellen sieht, kann man verstehen, dass viele auf ein E-Auto umsteigen“, erklärt Andreas Püttner vom ZSW.
Wie eine aktuelle Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt, hat zu dem Anstieg aber auch die Kaufprämie von bis zu 9.000 € für Elektro-Pkw beigetragen, die größtenteils der Staat und zu einem kleineren Teil der jeweilige Automobilhersteller den Käufern zahlt.
Zahl der Elektroautos steigt zu langsam
Der bisherige Zuwachs bei der Zahl der Elektroautos bleibt laut DIW allerdings weit hinter dem Tempo zurück, das zum Erreichen des Koalitionsziels nötig wäre. Dafür wären monatlich rund 130.000 neue Elektro-Pkw nötig – im Jahr 2021 wurden im Durchschnitt aber nur etwa 30.000 pro Monat neu zugelassen.
Und selbst das könnte nicht reichen: Das Wuppertal Institut hat im Auftrag von Greenpeace ermittelt, dass zum Erreichen der Klimaziele im Jahr 2030 mindestens 20 Mio. Pkw nötig sind. Nach der Studie sinkt der CO2-Ausstoß des Pkw-Verkehrs mit 15 Mio. E-Autos im Jahr 2030 nicht wie nötig auf 52 Mio. t, sondern nur auf 64 Mio. t. Daher müssten 5 Mio. weitere Diesel- und Benzinautos durch vollelektrische Pkw ersetzt werden.
Hemmnisse für den Ausbau: Nachfrage, Lieferengpässe, Infrastruktur
Es gibt aber einige Hemmnisse, die ein schnelles Wachstum ausbremsen: Eine hohe Nachfrage sowie Lieferengpässe bei Halbleitern und anderen Bauteilen sorgen für lange Lieferzeiten bei den meisten Modellen. Nach einer Allianz Trade-Studie könnte die weltweit hohe Nachfrage nach Batterien für Elektroautos im Jahr 2030 zu einer Lithiumkarbonatlücke von 500.000 t führen.
Zudem sind erhebliche Investitionen in die Ladeinfrastruktur nötig. Laut Bundesregierung gibt es bislang 55.200 öffentlich zugängliche Ladepunkte in Deutschland (Stand Februar 2022). „Bis der Markt eine kritische Größe erreicht, wird die öffentliche Politik weiterhin eine entscheidende Rolle spielen, um den Aufbau der Ladeinfrastruktur und die Aktzeptanz der Verbraucher zu beschleunigen“, resümieren die Studien-Autoren.
Und Akzeptanz ist nötig: Während auf knapp 17 % aller geeigneter Hausdächer in Deutschland eine Solarstromanlage installiert ist, besitzen nur 3 % der Haushalte Elektroautos. Das zeigt der Prosumer-Report 2022 des Ökostromanbieters Lichtblick.
Vorteile für Energiesysteme
Dabei könnte der Umstieg auf Elektroautos nicht nur im Verkehr, sondern für das Energiesystem insgesamt Vorteile bringen. Würden alle 10,8 Mio. Haushalte mit Solaranlage auf reine Elektroautos umstellen, könnte eine Batteriekapazität von insgesamt 860 Mio. kWh aufgebaut werden, heißt es im Prosumer-Report. Das ist zwanzig Mal mehr, als heute dem Strommarkt an Speichern zur Verfügung steht.
Wenn diese nicht nur Strom aufnehmen, sondern bei Bedarf auch wieder ins Netz abgeben (bidirektionales Laden) und in virtuellen Kraftwerken vernetzt werden, könnten sie für die Stabilisierung der Stromnetze mobilisiert werden. Die Elektrofahrzeuge dienen in diesem Fall als Speicher und damit zur kurzfristigen Leistungserhöhung, um andere Fahrzeuge in der Flotte schnell mit Strom zu versorgen.
Zudem kann das zeitlich gesteuerte Laden von Elektrofahrzeugen die Verbrauchskurve glätten. So könnten Lastspitzen durch ein Verschieben der Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen in die Nachtstunden verringert werden. Hierdurch reduziert sich laut Fraunhofer Institut für Energieinfrastruktur und Geothermie (IEG) der Bedarf für Netzausbau. Mit der zusätzlichen Stromnachfrage der Elektrofahrzeuge verbessert sich zusätzlich die Netzauslastung. Die Kombination dieser beiden Effekte kann laut Fraunhofer IEG dazu führen, dass die Netzentgelte und damit die Strompreise sinken.
Noch ist das bidirektionale Laden nicht Stand der Technik: Dafür sind spezielle Ladestationen und entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge nötig.
Wie das funktioniert, untersucht der Stromnetzbetreiber TransnetBW in einem auf zwei Jahre angelegten Pilotversuch. Dabei geht es darum, mit optimiertem bidirektionalen Laden eine Überlastung des Netzanschlusses zu vermeiden. Zudem wollen die Projektbeteiligten dafür sorgen, dass bevorzugt „grüner“ Strom geladen wird. Das könnte den CO2-Fußabdruck der Fahrzeugflotte weiter senken.