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Mit erneuerbaren Energien gegen die Preiskrise

Gas, Öl und Strom sind so teuer wie lange nicht mehr. Für den einzelnen Betrieb schafft der Umstieg auf erneuerbare Energien Abhilfe, zeigen neue Studien und Erfahrungen.

Lesezeit: 10 Minuten

Die Energiekosten in Deutschland sind innerhalb eines halben Jahres so stark gestiegen wie noch nie in den vergangenen 21 Jahren: Der Börsenstrompreis kletterte ab Dezember 2020 von 4,1 ct auf 22,1 ct/kWh im Dezember 2021. Gas verteuerte sich im gleichen Zeitraum von 1,4 auf 9,4 ct/kWh, Heizöl von 43 auf 90 ct/l.

Die Gründe dafür sind vielschichtig und nur zum Teil mit der Coronakrise zu begründen. So erzeugten Windenergieanlagen im Jahr 2021 wetterbedingt weniger Strom, weshalb mehr Gaskraftwerke eingesprungen sind. Das hat die Nachfrage nach Erdgas und damit den Preis weiter ansteigen lassen.

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„Dazu kommen höhere Preise für CO2-Zertifikate, ein Anstieg der Kohlepreise oder höhere CO2-Auflagen in China, die dadurch bei der Stromerzeugung verstärkt Kohle durch Gas ersetzen“, zählt Christian Dorfner vom Energiedienstleister SKVE aus Regensburg weitere Gründe auf.

Ausfall von Atomkraftwerken

Zusätzlich preistreibend wirkt, dass im Kernenergieland Frankreich 15 der 56 Atomkraftwerke wegen Störungen oder Wartungen abgeschaltet sind und keinen Strom produzieren. Das hat die Strompreise in Frankreich auf Rekordwerte steigen lassen, berichtet das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) aus Münster. Die Folge: Frankreich muss Strom u. a. aus Deutschland oder Spanien importieren.

Erneuerbare als Billigmacher

Die Preiskrise bringt die Argumente der Energiewendegegner massiv ins Schwan­ken: Erneuerbare Energien seien zu teuer und böten keine Versorgungssicherheit. Die aktuellen Entwicklungen, aber auch neue Studien zeigen, dass das Gegenteil der Fall ist.

Schon seit mehreren Jahren ist Solarstrom eine günstige Alternative zum Strom vom Energieversorger. Selbst auf dem Dach lässt er sich zu Preisen von unter 10 ct/kWh herstellen. Mit dem Strompreisanstieg werden immer mehr Konzepte wirtschaftlich wie die Kombination mit Stromspeichern oder mit Eiswasserspeichern, der Weiterbetrieb von älteren Solaranlagen, die keine Förderung mehr erhalten, die Kombination von Solarstrom- und Kleinwindanlagen usw.

Teure Gaskraftwerke

Doch auch für die Volkswirtschaft werden die erneuerbaren Energien ein Plus und damit für jeden Stromverbraucher: Sie sorgen nicht nur für mehr Klimaschutz, sondern reduzieren die Importabhängigkeit von Erdgas bzw. Erdöl und senken heute schon die Kosten.

Das hängt mit der Preisbildung an der Strombörse zusammen. Strom wird an der Börse über Auktionen verkauft. Die Bieter werden dabei anhand ihrer angebotenen Strompreise aufgereiht, angefangen bei der Technologie mit den geringsten Brennstoffkosten. Das wird im Fachjargon Merit Order genannt. Da immer nur die in der jeweiligen Handelsstunde benötigte Strommenge versteigert wird, erhalten die Bieter mit den günstigsten Preisen einen Zuschlag. Gezahlt wird aber der höchste Preis der Bieter als Einheitspreis für alle.

Früher waren das meist die Kohle- und Atomkraftwerke. Aber zunehmend übernehmen Wind- und Solaranlagen diese Rolle. Denn sie erzeugen Strom ohne Brennstoffkosten, während die Investition über die EEG-Vergütung gedeckt wird. „Dann sinkt der Börsenstrompreis auf null oder sogar darunter, weil Betreiber von trägen fossilen Grundlastkraftwerken eher negative Preise akzeptieren, als ihre Anlagen ganz abzustellen. Denn der Neustart wäre noch teurer“, erklärt Uwe Welteke-Fabricius vom Netzwerk „Flexperten“.

Börsenpreis wäre höher

Der bestehende Erneuerbaren-Kraftwerkspark sorgt daher dafür, dass die teuersten fossilen Kraftwerke gar nicht gebraucht werden und verhindert so noch höhere Börsenstrompreise. „Mit deutlich mehr Erneuerbaren könnte dieser Effekt verstärkt werden“, ergänzt Dr. Thomas Banning, Vorstandsvorsitzender der Naturstrom AG.

Allerdings gibt es immer wieder Stunden, wo wenig Wind weht oder keine Sonne scheint („Dunkelflaute“). Da im Rahmen des Kohle- und Atomausstiegs die billigen Gebote der konventionellen Kraftwerke wegfallen, werden die Preise von den teuren Gaskraftwerken bestimmt.

Neue Gaskraftwerke sind auch für die neue Bundesregierung laut Koalitionsvertrag neben dem Import von Wasserstoff als Erdgasersatz der Schlüssel zur Energiewende. Doch während Gaskraftwerke teuer sind, ist grüner Wasserstoff heute kaum verfügbar. Zudem dürften Transport via Schiff und Umwandlungsverluste in den Häfen das grüne Gas auch künftig noch sehr teuer machen. Und schließlich soll Wasserstoff dazu dienen, die Stahl- und Chemieindustrie klimaneutral zu machen, steht also für die Stromerzeugung nicht zur Verfügung.

Flexibilität gefragt

Darum rät die Erneuerbare-Energien-Branche in Deutschland, auf vorhandene Techniken zu setzen. So könnten flexible Speicherkraftwerke auf Basis von Biogas die Rolle der konventionellen Kraftwerke übernehmen und preisdämpfend wirken. Mit dem Umbau der oft noch in Grundlast laufenden Biogasanlagen in flexible Spitzenlastkraftwerke könnten der Import von fossilem Erdgas, lange Stromleitungen oder der Ausbau von Speichern deutlich geringer ausfallen.

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) hat hierzu im Dezember 2021 ein neues Strommarktdesign vorgeschlagen. Das soll nicht nur die Versorgungssicherheit erhöhen, sondern auch den Strompreis für die Verbraucher senken. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehört eine neue Preisgestaltung, damit Verbraucher angeregt werden, in Zeiten mit viel Wind oder Sonneneinstrahlung mehr Strom zu verbrauchen und umgekehrt.

Hierfür schlägt der BEE vor, die EEG-Förderung anders als bislang zu finanzieren. Diese wurde bisher auf den Strompreis für alle Verbraucher umgelegt („EEG-Umlage“). Genauso sollten die Netzentgelte an die Erzeugung von erneuerbarem Strom angepasst werden. Beides führt laut BEE dazu, dass der Börsenstrompreis mehr Gewicht beim Strompreis bekommt und so stärker als Steuerungselement dient. Weitere Forderungen des BEE:

  • Eine weitergehende Förderung von Biogasanlagen, damit die Betreiber angeregt werden, eine bis zu sechsfache Leistung im Vergleich zur Jahresdurchschnittsleistung (Bemessungsleistung) zu installieren. Damit würden sie noch stärker Versorgungslücken schließen können, die es in der Dunkelflaute gibt.
  • Biogasanlagen sollten an vorhandene Gasspeicher angeschlossen werden. Ziel beider Maßnahmen soll sein, Wasserstoffturbinen und andere teure Flexibilitätsoptionen zu vermeiden.
  • Zudem fordert der BEE, dass die Bundesregierung Stromspeicher über Investitionskostenzuschüsse und Absenkung von Stromnebenkosten fördert. Diese könnten dazu beitragen, vor allem den mittags produzierten Strom zu anderen Zeiten nutzbar zu machen.

Das bestätigt auch das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT). So könnte bereits heute allein die deutsche Industrie ihre Leistung im Umfang von 4,8 Gigawatt (GW) an das schwankende Angebot erneuerbarer Energien anpassen – das entspricht in etwa der Nennleistung von 1 400 Onshore-Windkraftanlagen. Damit die entsprechenden Potenziale zum jeweiligen Zeitpunkt am benötigten Ort erschlossen werden könnten, seien jedoch zeit- und ortsabhängig differenzierte Preisanreize nötig.

Weitere Studien

Es gibt mehrere aktuelle Studien, die sich mit den finanziellen Auswirkungen der Energiewende befassen: Berechnungen des Analyseinstituts Energy Brainpool im Auftrag der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy zeigen, dass bei jedem Ausbauschritt von zusätzlich zehn Terawattstunden (TWh) erneuerbaren Energien im Strommarkt die Stromkosten um mindestens 2 % sinken. Grund sind die aktuell extrem verteuerten Brennstoffpreise und auch die CO2-Preise, die bei Wind- und Solarenergie nicht anfallen.

Zehn TWh zusätzlich entsprechen einem Zubau von ca. 5 GW Windanlagen an Land oder 10 GW Solaranlagen. Das wären – wie beschrieben – etwa 1.400 neue Windenergieanlagen oder 10.000 ha Solarparks, wenn die gesamte Leistung im Freiland installiert wird. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2021 etwa 240.000 Solarstromanlagen auf dem Dach und im Freiland mit einer Gesamtleistung von 5,3 GW neu installiert.

Geht der Zubau von Wind und Solar aber so langsam weiter wie bisher, wird der CO2-Preis im Jahr 2030 um 80 % höher liegen, als wenn der Ausbau an die europäischen Klimaziele angepasst wird. Das ist das Ergebnis einer Studie von Aurora Energy Research. Die Großhandelsstrompreise wären bei weiter stockendem Ausbau 2030 um 31 % höher, bei angepasstem Ausbau dagegen um rund 14 % niedriger als der Durchschnittswert des ersten Halbjahrs 2021.

Vollversorgung möglich

Eine Kurzstudie der Energy Watch Group (einem internationalen Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern) zeigt, dass eine Vollversorgung mit 100 % erneuerbaren Energien im Vergleich zum aktuellen Energiesystem mit Kohle, Erdgas und Atom bereits heute wettbewerbsfähig wäre. Im Jahr 2010 hatte ein durchschnittliches emissionsfreies Investitionsprojekt für die Vollversorgung (24 x 7 Stunden die Woche, 52 Wochen im Jahr) für Strom, Wärme und Verkehr 32 ct/kWh gekostet, während es im Jahr 2020 nur 12 ct/kWh waren. Im Jahr 2025 werden die Kosten bei durchschnittlich 9 ct/kWh liegen, sagen die Studienautoren voraus.

Eine weitere Maßnahme wäre die Umschichtung von Subventionen: In Summe werden die fossilen Energien in Europa noch mit 241 Mrd. € unterstützt. Direkte Subventionen machen 10 % der Gesamtsumme aus. Das ist doppelt so hoch wie in Nordamerika, zeigt eine Studie des International Monetary Fund (IMF).

Günstige Wärme

Auch bei der Wärme lassen sich mit erneuerbaren Energien Kosten sparen, z. B. mit einer Holzheizung. Schon vor der Preisexplosion war eine Hackschnitzelzentralheizung mit ca. 9 ct/kWh Vollkosten günstiger als eine Gasheizung (top agrar 7/2021).

Neben den Marktpreisen macht auch die im vergangenen Jahr eingeführte CO2-Bepreisung fossile Brennstoffe teurer. Anfang des Jahres stieg der Preis von 25 auf 30 €/t Kohlendioxid. Wer beispielweise eine Ölheizung nutzt, zahlt 9,5 ct/l CO2-Aufschlag. Darauf weist das Informationsprogramm Zukunft Altbau hin. Die Bepreisung wird kontinuierlich erhöht. Eigentümer eines 150-Quadratmeter-Altbaus mit einem Verbrauch von 3.000 l Heizöl müssen von 2021 bis 2025 Zusatzkosten von insgesamt rund 1.800 € einkalkulieren.

Verschiedene Alternativen

Wer auf klimafreundliche Alternativen wie Holz oder Solarenergie setzt, zahlt dagegen keinen Aufpreis. Dazu kommen sehr hohe Zuschüsse von bis zu 45 % der Investitionssumme über die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Das Programm ist so beliebt, dass es teilweise lange Wartezeiten auf Fördermittel gibt. Im Jahr 2021 hat das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) nach eigenen Angaben rund 310.000 Anträge für die BEG erhalten, im Vergleich zu 280.000 im Jahr 2020 im Vorgängerprogramm „Heizen mit erneuerbaren Energien“.

Es gibt aber neben Holz noch weitere Alternativen:

  • Deutschlands Fernwärmeversorgung ist nach Auffassung des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) „ein riesiger weißer Fleck auf der Landkarte der Energiewende“. Hier könnten Solarkollektorfelder Abhilfe schaffen. Während die Photovoltaik inzwischen rund 10 % des Stromverbrauchs deckt, wird nicht einmal 1 % der Fernwärme aus Solarkraftwerken gespeist. Dabei kann auch Solarwärme im großtechnischen Maßstab bereits für unter 5ct/kWh produziert werden.
  • Bei der Fernwärme beliebt sind auch Biogasanlagen, die ihre Abwärme in Wärmeleitungen einspeisen.
  • Bereits 2,5 Mio. deutsche Haushalte nutzen Solarkollektoren für die Warmwasserbereitung oder Heizungsunterstützung. Nach einer jüngsten Umfrage des Potsdamer Nachhaltigkeitsinstituts IASS unter rund 4.000 Haushalten gab mehr als jeder dritte von ihnen an, sich die Investition in eine Solarwärmeanlage gut vorstellen zu können.
  • Die Kombination von Solarstrom mit Wärmepumpe oder mit einem Wärmespeicher plus elektrischen Heizstab gilt ebenfalls als Alternative – vor allem für Anlagen, die nach 20 Jahren Laufzeit keine EEG-Förderung mehr erhalten.
  • Biomethan auf Basis von Biogas war als Erdgasersatz lange Jahre zu teuer: Während sich die fossile Variante für ca. 2 ct/kWh importieren ließ, kostet allein die Herstellung von Biomethan ohne Händlermarge 7 bis 8 ct/kWh. Jetzt wird das klimafreundliche Gas zum Heizen wirtschaftlich. Übrigens: Als Compressed Natural Gas (CNG) ist Biomethan schon länger eine günstige Kraftstoffalternative zu Benzin.

Großer Nachholbedarf

Trotz der heute schon günstigen Alternativen ist der Nachholbedarf im Heizungskeller sehr hoch. Die erneuerbaren Energien decken erst 13 % des Endenergieverbrauchs im Wärmemarkt in Deutschland ab. Von diesem Anteil macht allein Holz ca. 65 % aus. Doch in Deutschland kommt in gut einem Fünftel aller Gebäude noch Öl zum Einsatz, nach Erhebung der Schornsteinfeger sind dies rund 5,4 Mio. Ölheizungen.

Neue Förderung nötig

Um den schnellen Umstieg im Heizungskeller zu fördern, müssten laut BEE Förderprogramme anders ausgestaltet werden. „Mit Solar- und Geothermie, Bioenergie, Power-to-X-Technologien und Wärmepumpen ist bereits eine breite Vielfalt der erneuerbaren Wärme vorhanden, sodass die Förderung für fossile Technologien komplett gestrichen werden muss“, fordert Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie e. V. (BEE). Wichtig wäre aus Sicht des Verbandes auch eine bessere Förderung von regenerativen Wärmenetzen oder Erleichterungen bei der Sektorkopplung, also z. B. der Nutzung von überschüssigem Strom zum Heizen.

Die vielen Studien und die aktuellen Marktentwicklungen zeigen: Erneuerbare Energien sind schon lange kein Preistreiber mehr, sondern könnten im Gegenteil sogar eine Lösung bei der Energieversorgung werden.

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