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topplus Pyrolyse statt Verbrennung

Wird Brennstoff Holz künftig nur noch zur Pflanzenkohle?

Zur Eindämmung des Treibhausgaseffekts ist es künftig nötig, CO₂ aus der Atmosphäre zu holen. Pflanzenkohle kann dabei eine Schlüsselrolle spielen, zeigt das Pflanzenkohlenforum in Berlin.

Lesezeit: 6 Minuten

Negative Emissionen sind der Treiber für den Ausbau der Produktionskapazitäten für Pflanzenkohle. „Wir müssen die Technik schnell skalieren und brauchen enorme Kapazitätszuwächse in den nächsten Jahren“, fordert Benedikt Zimmermann von der Carbuna AG und einer der Gründungsmitglieder des Fachverbandes Pflanzenkohle, auf dem "German Biochar Forum 2023" in Berlin.

„Das wird spätestens ab Mitte des Jahrhunderts der Fall sein. Wir dürfen dann nicht nur kein CO mehr ausstoßen, sondern müssen das bisher emittierte CO₂ auch aus der Atmosphäre zurückholen“, ergänzt Prof. Sabine Fuss vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Sie arbeitet im Bereich Klimaschutz mit Fokus auf CO2-Entnahmen.

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Natürliche Senken reichen nicht

Sie fordert, dass die Bundesregierung beim Thema CO₂-Bindung nicht nur auf natürliche Senken setzt. „Die dauerhafte Klimaschutzwirkung des Waldes ist fraglich, denn schon heute gibt es Ausfälle durch Dürre und Borkenkäfer. Daher müssen wir uns immer fragen: Wie reversibel ist das CO₂ im Holz gebunden?“ Pflanzenkohle könnte daher ein sicherer Weg sein, um CO₂ festzulegen.

Auch bei der Bioenergie sieht sie noch Potenzial. Zwar verdrängen biogene Brennstoffe fossile Energie wie Erdgas, Erdöl oder Kohle. Zudem nehmen die Pflanzen mit der Photosynthese CO₂ auf. Aber beim Verbrennen von Biomasse wird dieses CO₂ wieder frei. „Wir können dem nur gegensteuern, in dem wir das CO₂ abtrennen und speichern“, sagt sie. Dieses Verfahren wird in der Fachwelt „Bioenergy with Carbon Capture and Storage“ (BECCS) bezeichnet.

Man könnte das CO₂ auch nutzen (Carbon Capture and Utilization, CCU). „Dabei muss aber sichergestellt sein, dass das mögliche Produkt nicht mit viel Energie hergestellt wird und noch mehr CO₂ verursacht“, warnt Fuss.

Neben der natürlichen CO₂-Entnahme über die Photosynthese und der anschließenden Pflanzenkohlenproduktion gibt es auch technische Verfahren zur Abscheidung von CO₂. Aber im Vergleich zur Pyrolyse sind die Verfahren sehr teuer, sagt die Wissenschaftlerin.

Im Jahr 2022 lagen die Produktionskapazitäten für Pflanzenkohle europaweit bei 53.000 t. Damit wurden 90.000 t CO₂ gebunden. Für 2023 erwartet das European Biochar Industry Consortium sogar 150.000 t CO₂-Speicherung.

Technik ist praxisreif

Aktuell gibt es in Europa 130 Pyrolyseanlagen zur Produktion von Pflanzenkohle nach dem EBC-Standard (European Biochar Standard). Wie Hansjörg Lerchenmüller vom European Biochar Industry Consortium (EBI) berichtet, erreichen über 20 Hersteller in Europa einen hohen technologischen Reifegrad (TLR 8 bis 9), womit der Nachweis der Funktionstüchtigkeit bzw. des erfolgreichen Einsatzes gemeint sind. Technologisch ist die Vielfalt und die Größenordnung der Anlagen groß. „Allein in Deutschland liegt die Produktionskapazität heute bei 17.000 t“, erklärt er. Damit die Produktion jedoch klimarelevant wird, müsste sich diese Menge um das 5000-fache erhöhen. „Die aktuellen Wachstumsraten sprechen dafür, dass wir die Ziele erreichen können. Aber wir müssen das Biomassespektrum weiter denken und nicht nur auf Holz beschränken“, fordert er. Einsatzstoffe könnten u.a. auch Klärschlamm oder Reststoffe aus der Lebensmittelindustrie sein.

Glaubwürdigkeit wichtig

CO₂-Zertifikate und andere Nachweise für die Speicherung von CO₂ müssen glaubwürdig sein, damit Firmen oder Politiker Vertrauen darin haben. „Bei der Aufforstung oder Bodenhumus ist es fraglich, wie dauerhaft CO₂ gespeichert wird. Bei Pflanzenkohle dagegen haben wir über Generationen Sicherheit“, sagt Dr. Anna Lehner vom Unternehmen Carbonfuture.

Wichtig sei aber, dass nicht schon bei der Herstellung der Kohle ein Zertifikat ausgestellt wird, sondern erst wenn feststeht, wie die Kohle verwendet wird.

Ideen für den Einsatz

Für Pflanzenkohle gibt es heute verschiedene Anwendungen, wie die Tagung zeigte:

  • Als Baumaterial im Lehmputz oder Kohlebeton,
  • Als Dünger in Form von Granulat, Pellets oder fein vermahlen für die Zugabe über die Tröpfchenbewässerung: „Pflanzenkohle verhindert eine Nitratverlagerung oder Lachgasemissionen“, nennt Nikolas Hagemann vom Ithaka Institut einige der Vorteile.
  • Für die Kaskadennutzung als Zugabe im Tierfutter oder in der Einstreu. „Wir haben beobachtet, dass die Kälbergesundheit besser wurde, vor allem bei Durchfallkrankheiten“, erklärt Steffen Block von der Block Bio Innovationen GmbH aus Schleswig-Holstein.
  • Als Zugabe in der Biogasanlage zur Prozessstabilisierung: „Wir sparen damit Substrat ein und konnten die Inputkosten reduzieren“, berichtet Landwirt Wilhelm Heerdes aus Gifhorn über die Vorteile.
  • Städte wie Graz oder Stockholm setzen Pflanzenkohle im Wurzelraum bei Stadtbäumen ein. Sie bindet Toxine und steigert die Wasserhaltefähigkeit. „Wir haben gute Erfahrung mit 6 bis 8 Volumenprozent im Pflanzsubstrat gemacht, erklärt Tomas Stoisse von der Stadt Graz.

Pflanzenkohle bringt immer da einen Effekt, wo es ein Problem gibt, erklärt Prof. Claudia Kammann von der Hochschule Geisenheim: „In sandigen Böden z.B. sorgt sie dafür, dass Wasser besser gespeichert wird. Diese Ökosystemleistung muss aber die Gesellschaft finanzieren, wir können nicht alles der Landwirtschaft aufbürden“, fordert sie.

Wirtschaftliche Anreize fehlen

Auf den ersten Blick könnte es aktuell starken Rückenwind für die Pflanzenkohle geben. Doch es gibt in der Praxis viele Hemmnisse, wie die Diskussionen und Vorträge beim Pflanzenkohlenforum zeigten. Dazu gehört der aktuell noch sehr hohe Preis. Ein Vertreter eines Substratherstellers betonte: „Wir brauchen bis zum Jahr 2030 rund 125.000 t Pflanzenkohle jährlich. Dafür bräuchten wir aber einen Preis von ca. 120 €/t“. Wie ein anderer Teilnehmer betont, liegt der Preis derzeit bei bis 800 €/t und mehr.

Es fehlen politische Rahmenbedingungen bzw. Anreize. „Genauso, wie man die CO₂-Emission bestraft, müsste die CO₂-Entnahme belohnt werden“, fordert Prof. Sabine Fuss. Sie schlägt vor, die CO₂-Entnahme in die Klimaschutzpolitik zu integrieren – das fehlt aktuell.

Wichtig für die Wirtschaftlichkeit ist die Energieerzeugung. Pyrolyseanlagen produzieren auch Wärme, die sich in Wärmenetzen einsetzen lässt – wie heute schon Hackschnitzelheizwerke. Im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung könnte man daher auch die Pyrolyse ins Spiel bringen.

Zukunft der Biomasse

Was mehrere Referenten auf der Konferenz betont haben: Abgetrenntes CO₂ aus Quellen wie Betonwerken wird künftig benötigt, um daraus mithilfe von erneuerbaren Energien z.B. E-Fuels herzustellen. „Kohlenstoff aus Biomasse dagegen sollte möglichst gar nicht erst zu CO₂ werden. Statt der Verbrennung sollte Biomasse zu Pflanzenkohle verarbeitet werden, um den Kohlenstoff in einen stabilen Zustand zu überführen.“

Bernhard Osterburg vom Thünen-Institut ergänzt: „Aktuell ersetzt die Biomasse fossile Brennstoffe. Wir müssen uns aber auf die Zeit vorbereiten, wenn es keine fossilen Brennstoffe mehr gibt. Dann kommt die Biomasse die Rolle zu, dass sie negative Emissionen erzeugt.“ Bis dahin müsse die Pyrolysetechnik stetig weiterentwickelt werden. „Es wäre zu spät, wenn wir dann erst damit anfangen, wenn fossile Brennstoffe nicht mehr da sind“, warnt er.

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