Auf der Suche nach einer Balance für die europäischen Wälder zwischen Biodiversität, Kohlenstoffspeicher und Bioökonomie entzweite sich am Mittwoch das Europäische Parlament (EP). Die Debatte zur Verabschiedung der EU-Waldstrategie zeigte die widerstreitenden Positionen auf.
Während die konservativen Parteien der Europäischen Volksparteien (EVP) den EP-Bericht als gute Grundlage für eine zukünftige Waldstrategie einstufen, sehen linke Parteien und Grüne die mit Merhheit verabschiedete Position als eine Waldstrategie von gestern an, die dem Kliamwandel nicht gerecht werde.
Norbert Lins: "Wir packen an für eine nachhaltige Forstwirtschaft"
Zufrieden mit dem Abstimmungsergebnis zeigte sich der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses Norbert Lins (CDU):
„Unser Wald ist durch Krisen, wie Klimawandel, Trockenheit und Borkenkäfer, gebeutelt und braucht Unterstützung. Diese geben wir ihm mit der jetzt gefassten abgestimmten Resolution. Anstatt unsere Wälder, deren Besitzer und Förster alleine zu lassen, packen wir an und fördern nachhaltiges Forstmanagement, Bioökonomie und einfache Finanzierung".
Ganz anders bewerteten die Grünen das Abstimmungsergebnis über den Parlamentsbericht zur EU-Waldstrategie:
„Die EU muss dringend mehr Verantwortung für den Umbau unserer Wälder hin zu resilienteren, artenreicheren, klimafitten Wäldern übernehmen.Statt eine Strategie für einen Waldumbau zu präsentieren, um langfristig unsere Wälder erhalten zu können, stellt der verabschiedete Bericht über die neue EU-Forststrategie eine klassische, kurzfristig gedachte wirtschaftliche Bedeutung der Wälder in den Mittelpunkt", sagte diegrüne Schattenberichterstatterin und Agraraussschussmitglied Anna Deparnay-Grunenberg.
Mit dem europäischen Klimagesetz habe das Europaparlament ein EU-Ziel zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2030 von -60% gegenüber 1990. beschlossen. Das sei ein großartiger Erfolg. Aber gleichzeitig halte eine konservative Mehrheit im EU-Parlament an der alten Forstwirtschaft fest, die keine Antwort auf die Erfordernisse des Klimawandels darstelle.
Die Wälder und die Forstwirtschaft könnten eine erhebliche Rolle im Kampf gegen die Klimakrise spielen, jedoch seien Europas Wälder derzeit Opfer des Klimawandels: Trockenheit, extreme Wetterereignisse, Befall mit Parasiten wie dem Borkenkäfer, machten dem Wald erheblich zu schaffen, führte die grüne Europaabgeordnete an.
Die Alarmsignale aus der Wissenschaft sind unterdessen unüberhörbar. Laut einem Bericht der Weltnaturschutzunion (IUCN) ist mehr als die Hälfte der in Europa vorkommenden Baumarten durch die extremen Wetterbedingungen und Schädlingsbefall gefährdet.
Alternative Waldstrategie der Grünen fiel bei Abstimmung durch
"Statt eine Strategie für einen Waldumbau zu präsentieren, um langfristig unsere Wälder erhalten zu können, stellt der verabschiedete Parlamentsbericht über die neue EU-Forststrategie eine klassische, kurzfristig gedachte wirtschaftliche Bedeutung der Wälder in den Mittelpunkt", beklagte Deparnay-Grunenberg.
Der von den Grünen eingebrachte Alternativ-Bericht für eine nachhaltige und behutsame Waldbewirtschaftung fand mit 242 Stimmen im EU-Parlament keine Mehrheit und fiel durch.
Europäische Wälder bedecken mehr als 40 Prozent der EU
Europäische Wälder und andere bewaldete Flächen bedecken fast 43% der Oberfläche der Union. Der forstbasierte Sektor und die Bioökonomie beschäftigen mindestens 500.000 europäische Bürger direkt und 2,6 Millionen indirekt. Rund 60% der EU-Wälder befinden sich in Privatbesitz, mit einem hohen Anteil an kleinen Waldbesitzern (weniger als 3 ha), und 40% befinden sich in öffentlichem Besitz.
Über 60% der produktiven Wälder in der EU sind nach freiwilligen Standards für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung zertifiziert. Der Anteil des Rundholzes aus zertifizierten Wäldern, die von der Holzindustrie verarbeitet werden, liegt in der EU bei 50%, und der Sektor beschäftigt mindestens 500.000 Menschen direkt und 2,6 Millionen indirekt in der EU. Wälder absorbieren über 10% der Treibhausgasemissionen der EU. Aber diese Kohlenstoffsenke ist durch Klimawandel und Stressfaktoren für die europäischen Wälder zunehmend in Gefahr führen Forstwissenschaftler an.