Kommentar
Wie kann der Umgang mit dem Wolf in Zukunft gestaltet werden?
Verhärtete Fronten: Natur- und Umweltverbände feiern die steigende Zahl an Wölfen. Weidetierhalter bangen um ihre Existenz und fordern, einzelne Wölfe zu schießen. Könnte ein Vermittler helfen?
Ein Kommentar von Patrick Liste, Chefredakteur beim Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben:
Auch in NRW spitzt sich die Situation zu – weil es fast wöchentlich neue gerissene Schafe und Pferde gibt. Die empfohlenen Zäune entpuppen sich als doch nicht so wolfssicher. Also noch höhere und dichtere Zäune gegen den Wolf?
Mal ehrlich: Sollen Landwirte ihre Weiden mit einem Nato-Zaun umbauen? Abgesehen davon, dass das vielfach allein wegen des Geländes nicht geht: Wer soll das machen und bezahlen? Was sagen Spaziergänger? Spielen andere Wildtiere, die dann auch nicht durchkommen, keine Rolle?
Bestandsregulierung durch Abschuss
Nein, XXL-Herdenschutzzäune können nicht die favorisierte Lösung sein. Doch eine Lösung muss dringend her. Passiert nichts, wäre das Ergebnis fatal: Mutterkuh-, Schaf- sowie Pferdehalter hören emotional erschöpft auf.
Oft sind das kleinere bzw. Nebenerwerbsbetriebe. Also genau die Betriebe, die Gesellschaft und Politik wünschen. Und genau die Betriebe, die mit oft extensiver Weidehaltung viel für Umwelt- und Naturschutz leisten.
Der Wolf breitet sich hingegen weiter ungebremst aus. „Bis mal einem Menschen etwas passiert“, fürchten viele Praktiker. Dann könnte im politischen Aktionismus das Pendel ins andere Extrem schlagen und eine regelrechte Jagd auf Wölfe entstehen. Das will niemand, auch kein Weidetierhalter. In einzelnen Regionen gelingt die Kombination von Weidetieren und Wölfen. Wenn aber Wölfe wie in Schermbeck erkannt haben, dass eingezäunte Schafe leichtere Beute als freilaufende Rehe sind, muss der Abschuss erlaubt sein. Auch, damit eine Bestandsregulierung möglich ist und der Wolf die Scheu vor dem Menschen nicht verliert.
Politik ist festgefahren
Es wäre Aufgabe der Politik, eine Lösung zu finden. Doch der Landesregierung sind oft die Hände gebunden, sagt NRW-Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Ursula Heinen-Esser. Der Bund sei gefordert. Doch hier lagen die beiden Ministerien im Dauerstreit und schoben die Verantwortung gern zur EU. Zudem war Bundestags- und ist Landtagswahlkampf. Da dürfte die Politik kein Interesse an dem „heißen Thema“ haben.
Vermittler zwischen den zwei Fronten
Deshalb: Wäre es nicht eine Option, eine Persönlichkeit zu finden, die Wolfsfreunde und Wolfsmahner akzeptieren? Jemanden, der zum Streitthema Wolf vermittelt. Der Natur- sowie Umweltschützer, Weidetierhalter, Jäger und Verbraucher an einen Tisch holt, die verhärteten Fronten auflöst und allen Seiten einen Kompromiss abringt. Dabei sollte klar geregelt sein, was Weidetierhalter tun und akzeptieren müssen, was sie bezahlt bekommen, wann der Abschuss von wie vielen Wölfen erlaubt ist und wer schießen darf – damit es keine Jagd auf die Schützen gibt. Dieser Weg könnte eine Richtschnur für die Politik sein.
Zugegeben: Es gibt keine Garantie, dass die Idee fruchtet. Aber sie wäre einen Versuch wert, um eine weitere Eskalation zu verhindern.
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