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"Der Wolf kann Naturschutzziele gefährden"

Eine neue Studie fordert die Regulierung des Wolfsbestandes und eine bessere Förderung der Weide.

Lesezeit: 5 Minuten

Eine breit angelegte Studie namhafter Experten der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg sieht die Ausbreitung des Wolfes kritisch. Sie berge nicht nur Konflikte mit Weidetierhaltern, sondern gefährde einige Naturschutzziele. Warum erklärt Prof. Rainer Luick von der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg im Interview mit top agrar Südplus.

  1. Prof. Luick, wie sind Sie bei Ihrer Untersuchung konkret vorgegangen und wer hat sie in Auftrag gegeben?

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Prof. Luick: In unsere Studie sind die Kompetenzen von sechs renommierten Experten eingeflossen. Die Expertise basiert nicht auf eigenen empirischen Untersuchungen. Es ist vielmehr die Analyse und Reflexion von verfügbaren Daten und Informationen und eine Synthese existierender Normen. Wir standen dazu mit hunderten Weidetierhaltern in Kontakt. Unser Anliegen war, zu diesem hochemotionalen Thema ein seriöses und differenziertes Positionspapier zu entwickeln, das die Interessen und Anliegen möglichst vieler Akteure adressiert. Eine konkrete Absicht haben wir verfolgt: In diesem Jahr wird für die kommenden sieben Jahre der Rahmen für die programmatischen Ziele, die konkreten Instrumente und die Finanzierung der Agrarpolitik der EU Länder beschlossen. Darin eingebunden sind auch wichtige Naturschutzaspekte. Indirekt geht es dabei auch um den Wolf, denn jetzt wird entschieden, ob es für extensive, weidetiergebundene Grünlandnutzungen sinnvolle und auskömmliche Instrumente geben wird.

2. Warum kann die Ausbreitung des Wolfes für den Naturschutz nicht zielführend sein?

Prof. Luick: Naturschutz sehen wir als Warenkorb mit vielen Zielen, die sich auf einer gesellschaftlichen Werte- und Normenskala auch ständig ändern. Nach Sesshaftwerdung und Ausbreitung ist auch der Wolf Objekt und Ziel des Naturschutzes. Wichtiges Ziel bleibt auch die Erhaltung und die Entwicklung von artenreichen, extensiven Grünlandökosystemen. Dafür brauchen wir die entsprechenden tierhaltenden landwirtschaftlichen Nutzungen. Solche Betriebe sind regional vollständig und in Gesamtdeutschland seit 1960 zu mehr als 90% verschwunden. Darauf hatte der Wolf keinen Einfluss und ist noch weniger ein Schuldfaktor. Das ist vor allem ein Ergebnis von fehlender agrarpolitischer Wertschätzung und unterstützender Förderung. Es wird und muss darum gehen, ein akzeptables Mit- und Nebeneinander mit dem Wolf zu gestalten. Dazu gehört, den europäischen Rechtsrahmen zu akzeptieren. Es ist auch irrelevant, ob der Wolf im Jagd- oder Naturschutzrecht ist. Tatsache ist, der Wolf wird sich weiter ausbreiten. Wann und wohin genau, dass bestimmt der Wolf; limitierender Faktor sind die Beutetiere, das ist zu 98% Wild.

3. Zeichnen sich erste Tendenzen dieser Befürchtung bereits in der Praxis ab? Wenn ja, in welchen Regionen und welche naturschutzfachlich essentiellen Standorte sind durch den Wolf bereits in ihrer Existenz bedroht?

Luick: Der Wolf ist emotionaler Kondensationspunkt für viele Probleme und er muss auch zur Ablenkung herhalten, warum man z.B. in den eigenen agrarischen Kreisen nicht in der Lage war oder willens ist, förderliche und positive ökonomische Rahmenbedingungen für bestimmte Betriebs- und Nutzungsformen zu gestalten, vor allem nicht für extensive Weidetierhaltungen. So haben wir in den Diskussionen festgestellt, dass regional Betriebsaufgaben dem Wolf zugerechnet werden, obwohl es im geographischen Großraum keinerlei Wolfsvorkommen oder Sichtungen gab, dieses Narrativ wird dann gerne verallgemeinernd extrapoliert. Probleme (Wolfsrisse) gibt es vor allem bei großflächigen extensiven Weidesystemen und bei kleinen Hobby- und Nebenerwerbstrieben mit Weidetieren (s. Frage 4) bei räumlich identischen Vorkommen des Wolfes. Beide sind als Instrumente für den Naturschutz sehr wichtig. Hier wird es selbst bei guter Prävention immer Konflikte geben.

4. Warum sind Herdenschutzhunde keine Option für die Sicherung der Beweidung insbesondere auf diesen naturschutzfachlich wichtigen Standorten?

Luick: Herdenschutzhunde (HSH) sind eine durchaus geeignete und sehr wirksame Prävention. Dazu gibt es in Deutschland eine zunehmende Anzahl von positiven Beispielen. HSH sind aber nicht für jeden Betrieb und Tierhalter geeignet. Vor allem in der Hobby- und Nebenerwerbshaltung von Schafen und Ziegen ist eine Prävention mit HSH kaum praktikabel. Die Ausbildung und Haltung von HSH beansprucht viel Zeit und sie sind ein nicht unerheblicher Kostenfaktor. Unsere Forderungen sind, dass Zeit und Aufwand inklusive Kauf und Ausbildung angemessen und vollständig finanziell gefördert werden.

5. Sie erteilen in Ihrer Untersuchung auch wolfabweisenden Zäunen eine Absage. Warum?

Luick: Absolut sichere wolfsabweisende Zäune haben leider auch die Wirkung, dass die entsprechenden Zäunungsareale für andere größere migrierende Tierarten eine Barrierewirkung haben. Dies wird aus landwirtschaftlicher Sicht bestimmt nicht negativ gesehen, ist aus wildtierökologischer Sicht durchaus ein zu diskutierendes Thema. Dass wir aber, wie es manche Agrarverbände behaupten, hunderttausende Kilometer „Wolfszäune“ und riesige, nicht mehr durchlässige Landschaften bekommen, wird nicht eintreten. Dafür sorgen schon die weiteren Intensivierungen der stallgebundenen Tierhaltungen und damit der weiter dramatische Rückgang der Weidehaltung.

6. Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit die Weidehaltung in Verbreitungsgebieten des Wolfes künftig überhaupt noch durchgeführt werden kann und die Weidehaltung nicht weiter zurückgeht?

Luick: Dass die Weidehaltungen (von Rindern und Schafen) fast überall und schon lange ständig zurückgehen hat keinerlei Korrelation mit dem Neuauftreten und der Verbreitung des Wolfes. Unsere Forderungen sind einfach zu benennen: (1) eine verlässliche und auskömmliche Förderung weidebasierter Tierhaltungen über den Herdenschutz hinaus, (2) die vollständige Übernahme aller Kosten, die mit der Prävention und dem Ausgleich von Rissen von Wölfen entstehen, (3) rasche Entnahme von übergriffigen Wölfen, (4) eine echte Entbürokratisierung und (5) eine deutlich bessere monetäre Wertschätzung der qualitativ außergewöhnlichen Produkte aus extensiven Weidehaltungen.

Der komplette Aufsatz, auf den sich das Interview bezieht, ist unter folgendem Link frei verfügbar:

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