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Herzinfarkt der Seele: Burnout bei Landwirten

Landwirte sind immer häufiger von Burnout betroffen. Wie erkennen Sie eine Überlastung? Was können Sie dagegen tun? Bernadette Schönauer klärt auf.

Lesezeit: 7 Minuten

Landwirte sind immer häufiger von Burnout betroffen. Wie erkennen Sie eine Überlastung? Was können Sie dagegen tun? Bernadette Schönauer klärt in der aktuellen top agrar-Österreich auf.


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Morgens und abends in den Stall, den Hofladen betreuen, die Gäste und Kinder versorgen, die Schwiegermutter pflegen und sich um den Bürokram kümmern. Landwirte habe eine Vielzahl an Aufgaben, die sie täglich fordern. Kommen dann Arbeitsspitzen, wie jetzt die Erntezeit dazu, erreichen viele ihre Belastungsgrenze. Das Arbeitspensum ist erst erfüllt, wenn alle Aufgaben erledigt sind. Ausfallen ist meist keine Option.


Bis zur Belastungsgrenze


Doch viele Landwirte können auch nach Arbeitsende nicht abschalten und finden kaum Zeit, um ihre Akkus aufzuladen. Die Gedanken kreisen ständig um bevorstehende Aufgaben. Schlafprobleme sind dann keine Seltenheit. Werden solche Signale zu lange ignoriert, steigt das Risiko, in ein Burnout zu schlittern.


Genau so ist es Georg M. ergangen. Der 56-jährige Milchbauer gestand sich seine Erschöpfung lange nicht ein. Nach und nach wuchs ihm die Arbeit dermaßen über den Kopf, dass er eines Tages nicht einmal mehr aus dem Bett kam. Angefangen hat alles ganz harmlos: Er und seine Familie entschieden sich vor ein paar Jahren, ein zusätzliches Standbein aufzubauen. Durch die Schwankungen im Milchpreis hatten sie mit finanziellen Unsicherheiten zu kämpfen.


Was die Lage auf lange Sicht entspannen sollte, wurde zur Zerreißprobe. Der Landwirt erinnert sich: „Von Juni bis August fiel am meisten Arbeit an. Das hat sich früher im Winter wieder etwas ausgeglichen. Als wir dann das Nebenhaus renovierten, um Zimmer für Gäste zu vermieten, war das ganze Jahr über Hochbetrieb.“


Körper und Seele streiken


Als der Umbau gerade in vollem Gang war, erkrankt die Schwiegermutter. „Die Pflege hat aus Kostengründen meine Frau übernommen – neben Beruf, Kinderbetreuung und Haushalt. Von da an war ich alleine für die Arbeit am Hof zuständig“.


M. schob dann die Erholung nach intensiven Belastungsphasen zu lange auf. Körper und die Psyche reagierten auf den Stress. Spürbar wurden zuerst körperliche Beschwerden: Energielosigkeit, Kreislaufprobleme und Rückenschmerzen sind häufige Folgen von Überarbeitung. Nicht selten treten diese Symptome dann in Hochstressphasen auf.


Viele Betroffene nehmen diese Warnsignale gar nicht wahr oder ignorieren sie. Sie arbeiten weiter über ihre Grenzen hinaus. Sinkt als Folge ihre Leistungsfähigkeit, ist das häufig der Beginn einer Abwärtsspirale. Die Angst steigt, die Anforderungen nicht mehr bewältigen zu können.


Nach getaner Arbeit fällt es ihnen zudem immer schwerer, abzuschalten. Die Gedanken der Betroffenen rasen, sie haben Schlafprobleme und sind geistig abwesend. Das zehrt weiter an den Kräften. Aufgaben, die früher mit Leichtigkeit bewältigt wurden, werden zur Herausforderung.


Baut sich der innere und äußere Druck über einen längeren Zeitraum immer weiter auf, kann es sehr plötzlich zum akuten „Ausbrennen“ kommen: Erkrankte können von einem Moment auf den anderen keinen klaren Gedanken mehr fassen. Im schlimmsten Fall sind sie wie gelähmt und können nicht mehr aufstehen.


Wer ist gefährdet?


Ein Burnout lässt sich aber nicht ausschließlich durch geleistete Arbeitsstunden erklären. Landwirte stellen allein schon aufgrund der Anforderungen ihres Berufes eine Hochrisikogruppe mit steigenden Erkrankungszahlen dar.


Der immer größer werdende wirtschaftliche Druck durch Preisschwankungen, bürokratische Anforderungen und Imageproblemen setzt vielen Bauern zu. Zusätzlich können bestimmte Arbeiten wetter- oder gesetzesbedingt nicht aufgeschoben werden.


Auch persönliche Faktoren tragen maßgeblich zum Risiko für einen Erschöpfungszustand bei. Sehr leistungsbezogene und perfektionistische Menschen leben im wahrsten Sinne des Wortes von ihrer Arbeit und können sich gedanklich nur schwer von ihr lösen. Häufig tragen ehrgeizige Personen den Großteil der betrieblichen Verantwortung und können es sich nicht erlauben, mehrere Tage auszufallen.


Der Druck steigt


Handelt es sich außerdem um einen Familienbetrieb, der bereits über Generationen weitervererbt wurde, steigt der Druck zusätzlich. Auch Leitsätze und Überzeugungen, die von Eltern weiter gegeben wurden, spielen bei der Entwicklung eines Burnouts eine bedeutende Rolle. Lernt man von Kindesbeinen an, dass Leistung von anderen anerkannt wird, fällt es schwer, sich persönliche Auszeiten zu gönnen.


Auch Regina N., heute 42 Jahre, wurde von ihren inneren Leitsätzen angetrieben. Im Nebenerwerbsbetrieb war sie aufgrund der beruflichen Tätigkeit ihres Mannes für alle Aufgaben verantwortlich: Die tägliche Stallarbeit, die Pflege des umfangreichen Gemüsegartens und die Erzeugung der Produkte für den Hofladen. Nebenher lief die Betreuung der drei gemeinsamen Kinder.


Als jüngste von sechs Geschwistern hatte sie auf dem elterlichen Weingut früh gelernt, dass Leistung mit Anerkennung belohnt wird. Ihre Eltern, die stets mit langen, anstrengend Arbeitstagen zu kämpfen hatten, waren froh um jede helfende Hand. Daher hat die Bäuerin schon damals einen besonderen Ehrgeiz entwickelt.


Auch die Familie ist betroffen


Als Regina später heiratete und sich einiger Arbeiten am Betrieb ihres Mannes annahm, waren die Schwiegereltern sofort begeistert von ihrem Engagement. Ihr Verantwortungsbereich breitete sich immer weiter aus, bis zur Eröffnung des eigenen Hofladens. Bei den zahlreichen positiven Rückmeldungen zu ihrem Projekt von Familie und Kundschaft vergaß die engagierte Bäuerin allerdings eines: sich selbst.


Wie Regina halten viele Betroffene über viele Jahre hinweg ein enormes Leistungspensum aufrecht. Um den Alltag zu überstehen und fehlende Erholung auszugleichen, greifen Betroffene oft verstärkt zu Genussmitteln wie Nikotin, Koffein und Süßigkeiten. Auch Alkohol und Medikamente werden in manchen Fällen exzessiv konsumiert, um Beschwerden, wie z. B. Schlafprobleme, Rückenschmerzen aber auch negative Gefühle zu reduzieren.


Sprechen Familienmitglieder den übermäßigen Konsum an, reagieren Erkrankte für gewöhnlich gereizt. Viele ziehen sich dann immer mehr zurück. Die einen aus einem Bedürfnis nach Ruhe heraus, die anderen aus Angst, Schwäche zu zeigen. Das steigende Konfliktpotenzial innerhalb der Familie belastet Betroffene zusätzlich und erhöht die Gefahr für einen Erschöpfungszustand.


Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist es wichtig, mit den engsten Angehörigen über die Überlastung zu sprechen. So können Sie verhindern, dass notwendige Maßnahmen zu lange hinausgezögert werden und sich die Symptome verschlimmern. Je früher eine Überbelastung erkannt wird, desto vielversprechender und kürzer ist in der Regel die Behandlung.


Hilfe annehmen


Zeigt eine Person bereits starke Symptome, fehlt oft die Kraft, selbstständig Hilfe zu suchen. Hier ist es wichtig, dass Vertrauenspersonen die ersten Schritte einleiten. Viele Betroffene zögern aber, psychologischer Hilfe in Anspruch zu nehmen. Vor allem Männern fällt es für gewöhnlich schwer, sich zu öffnen. Sie befürchten, durch eine Diagnose im sozialen Umfeld „gebrandmarkt“ zu sein.


Doch mittlerweile ist die gesellschaftliche Akzeptanz von Burnout auch in ländlichen Regionen gestiegen. Einerseits liegt das an der steigenden Anzahl an Diagnosen. Dies ist zum Teil dadurch bedingt, da sich Betroffene eher behandeln lassen als früher. Andererseits wird Burnout im Gegensatz zu anderen psychischen Krankheiten mittlerweile häufig mit hoch ausgeprägter Leistungsbereitschaft in Verbindung gebracht, also damit, dass jemand bereit war „besonders hart zu arbeiten“.


Einen Rückfall vermeiden


Besteht bei Betroffenen nach wie vor große Angst, sich zu offenbaren, bieten Sorgentelefone verschiedener Einrichtungen anonyme Beratung an. Lebensqualität am Bauerhof zum Beispiel bietet dafür das Bäuerliche Sorgentelefon an. Ausgebildete Berater hören zu und geben Antworten auf Fragen der Betroffenen. Ist die Belastung sehr akut oder bestehen sogar Selbstmordgedanken, sollte Sie nicht zögern, den psychologischen Notruf (142) zu verständigen. Sie können auch die nächste psychiatrische Ambulanz kontaktieren.


Ist der Leidensdruck sehr groß, ist es wichtig, sich nach Erstversorgung und stationärem Aufenthalt längerfristig in ambulante Behandlung zu begeben. So können Sie langfristig erlernen, eigene Grenzen zu erkennen und somit nicht wieder in frühere festgefahrene Verhaltensmuster zu rutschen.


Der wirtschaftliche Druck und der Wachstumszwang unserer Zeit macht es vor allem für Landwirte umso wichtiger, nicht auf sich selbst zu vergessen. Achten Sie daher auf die Signale Ihres Körpers, damit Sie nicht irgendwann vollkommen „ausbrennen“.

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