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Mensch raus, Wolf rein – wie viel Naturschutz verträgt unser Land?

Stimmt in Deutschland noch die Balance zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen auf der einen Seite und dem Naturschutz auf der anderen? Es werden wegen Molchen Autobahntunnel für 50 Mio. Euro gebaut, Großprojekte wanken. Schafft der Naturschutz die Holzwirtschaft ab? Und was ist mit dem Wolf?

Lesezeit: 8 Minuten

Stimmt in Deutschland eigentlich noch die Balance zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen auf der einen Seite und dem Naturschutz auf der anderen? Es werden wegen Molchen Autobahntunnel für 50 Mio. Euro gebaut, Großprojekte wanken, weil eine seltene Fledermaus auftaucht. Muss die Holzwirtschaft dem Urwald weichen und darf sich der Wolf ungehindert vermehren? Das wollte Frank Plasberg in seiner Sendung „Hart aber Fair“ am Montagabend von seinen Gästen wissen.

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Die Gäste:


  • Roland Tichy, Wirtschaftsjournalist, ist für die Regulierung der Wolfbestände;
  • Barbara Hendricks, Bundesumweltministerin, will durch Stilllegung bis 2020  5 % neuen Urwald in Deutschland schaffen;
  • Olaf Tschimke, NABU-Präsident;
  • Peter Wohlleben, Förster und Autor, wünscht sich 15 % der Wälder menschenleer, ist gegen Holzwirtschaft;
  • Franz Prinz zu Salm-Salm, Waldbesitzerverband Sachsen-Anhalt, verteidigt Forstwirtschaft


Die Themen:


  • Ist Wald Wirtschaftsraum oder Freizeit- und Naturraum?
  • Wie geht es weiter mit dem Wolf?
  • Echsen, Molche, Vögel verhindern immer öfter Bauprojekte und verursachen zusätzliche Millionenkosten
  • Windkraft contra Greifvögel, ein Zielkonflikt der Umweltschützer


Thema 1: Der Wald


Laut Prinz zu Salm-Salm ist der Wald Wirtschaftsraum. Die Vorfahren haben durch ihre Arbeit den Grundstein für die heutige Ernte gelegt. Dies kann man nicht stilllegen. Gerade aufgrund wachsender Weltbevölkerung wird die Rohstoffversorgung immer wichtiger. Deutschland darf sich nicht in eine Importabhängigkeit von Holz begeben, sondern muss aktiv den Wirtschaftssektor ausbauen und für die Folgegenerationen erhalten. „Wald muss sich rechnen“, so Salm-Salm.  


Das sieht Peter Wohlleben anders. Der heute angestellte Förster wettert gegen die klassische Waldbewirtschaftung. Vollernter würden auf 8 m Breite schwere dauerhafte Schäden am sensiblen Waldboden verursachen, die erst mit der nächsten Eiszeit behoben seien. Gerade in staatl. Wäldern dürfe das nicht sein. Wohlleben verdient statt der Holzernte heute mit Führungen (96 Euro/Person), Kursen zum Blockhausbau (280 Euro) sowie Ruheforsten sein Geld. Ein Urnenplatz kostet bis zu 996 Euro, ein Biotop als Familiengrab bis zu 5220 Euro für 99 Jahre.


„Man kann mit der Nutzfläche Wald auch was anderes machen, als Bäume absägen, nur das wollen bestimmte Interessenkreise nicht wahrhaben.“ Bundesumweltministerin Hendricks unterstützt so etwas, merkt aber an, dass solch ein Geschäftsmodell nicht in der Breite funktionieren kann, wenn es jeder anbietet. Und Umweltschützer Tschimpke wirft ein, dass die Tierwelt Totholz brauche.


Salm-Salm verweist da auf Statistiken, wonach das Totholz in deutschen Wäldern deutlich zunimmt. „Den Wald gab es auch schon vor dem NABU. Naturschutzgebiete werden da ausgewiesen, wo die Natur erst durch die Arbeit der Grundbesitzer so wertvoll geworden ist bzw. weil die Eigentümer es so erhalten haben! Herr Wohlleben nimmt seiner Folgegeneration das Erbe Holz. Waldbesitzer arbeiten extrem nachhaltig, man denkt in Generationen, sie sind weltweit federführend in Sachen Nachhaltigkeit“, so Salm-Salm weiter.


Ministerin Hendricks stellt klar, dass die von ihr geplanten 5 % Urwald keine Stilllegung von Privatwald bedeuten, es gehe um naturnahe Entwicklung, 95 %  stünden auch in Zukunft der Waldwirtschaft zur Verfügung. Sie kämpft für einen EU-Naturschutzfonds – ähnlich wie der Vertragsnaturschutz -,  der Waldbesitzer entschädigt. Salm-Salm wirft ihr vor, es gebe keine Kosten-Folgen-Schätzung, worauf Hendricks auf die Schutzpflicht verweist, die im Grundgesetz niedergeschrieben ist.


Thema 2: Der Wolf


Laut Plasberg gibt es aktuell in Deutschland 46 Rudel mit 130 Tieren. In Niedersachsen haben sie in den letzten zwei Jahren 300 Nutztiere gerissen, in Brandenburg 296. Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus fordert eine Obergrenze, Bundesagrarminister Christian Schmidt eine beschränkte Abschussrate.


Das unterstützt auch der Journalist Roland Tichy. Bei einer Vermehrungsrate von 30 %/Jahr wachse der Bestand rasant an. „Wer übernimmt die Verantwortung, wenn Menschen zu Schaden kommen in ein oder zwei Jahren. Wer die beiden Minister als Naturfeinde bezeichnet, muss auch zur Verantwortung stehen“, sagte er.


Ministerin Hendricks lehnt eine Obergrenze dagegen „auf lange Zeit“ ab. „Der Wolf ist sehr schützenswert und wir sind unserer Verantwortung bewusst. Und Problemwölfe dürfen selbstverständlich entnommen werden“, sagte sie. Sie ist überzeugt, dass die Länder die Schäden sofort finanziell ausgleichen und viel Geld für Schutzmaßnahmen zur Verfügung stellen. Außerdem sei der Wolf gar nicht schlecht für die Wildtiere, es gebe z.B. viel zu viele Wildschweine.


Da pflichtet ihr Wohlleben bei: Die Wildbestände seien völlig überhöht. „Wo der Wolf geht, wächst der Wald“, so der Förster. Seiner Meinung nach gibt es viel mehr Schäden durch Hunde, nur darüber rede keiner. Er nannte in der Sendung 10.000 Übergriffe von Hunden auf den Menschen. Man solle sich ein Beispiel an den Afrikanern nehmen: Dort würden Elefanten geschützt, obwohl sie nachts ganze Felder zertrampeln. „Ein reicher Staat wie wir kann Wolfsschäden entschädigen!“


Auch Tschimpke springt auf den Zug auf und verweist auf 260.000 Wildunfälle mit 3000 Verletzten und 20 Toten pro Jahr.  Das seien riesen Schäden für die Gesellschaft. In der Tat müsse man aber für die Schaf- und Rinderhalter bessere Lösungen finden, vor allem mit wissenschaftlicher Unterstützung. „Wolfsschäden gehören ab jetzt zum allgemeinen Lebensrisiko.“


Empört reagiert Prinz zu Salm-Salm: „Da werden Millionen für die Offenhaltung der Landschaft ausgegeben und gleichzeitig geben reihenweise Weidetierhalter auf, weil der Wolf da ist. Keiner will das Risiko eingehen, dass seine gehetzten Kühe auf die Straße laufen.“ Richtung NABU kritisiert er, dass der seine Heckrinderherde längst aus den Wolfsgebieten abgeholt hätte. Für die Weidehalter gebe es nur nach langen Beweisführungen und Nachfragen eine Entschädigung, aber nicht für die Zuchtverluste und den Mehraufwand. Salm-Salm sei nicht grundsätzlich gegen den Wolf, er müsse nur territorial begrenzt werden.


Mit Unverständnis reagiert der Waldbesitzer auf den jetzt im Kreis Celle angeschafften Wolfskrankenwagen für 10.000 Euro. „Und das, wo die ländliche Krankenversorgung zunehmend gefährdet ist!“


Thema 3: Naturschutz bremst Bauprojekte aus


Der Naturschutz verhindert und verteuert zunehmend wichtige Infrastrukturprojekte. Frank Plasberg nennt Beispiele, wo die Umsiedlung von Molchen pro Tier 10.000 Euro und die von Eidechsen 3.000 Euro/Tier gekostet hat. Und wenn der Bauträger selbst Ausgleichsflächen findet und bereitstellt, werden diese von den Umweltbehörden abgelehnt. „Sind diese Ausgaben noch zu vermitteln, wo die öffentlichen Kassen leer sind, wo Schulen stark sanierungsbedürftig sind?“, fragt Plasberg.


Und: Die Tiere seien doch auf die Baustellen gewandert, Beispiel Bahnstrecken-Neubau. Wie können sie dann das Projekt anschließend blockieren? Ministerin Hendricks sieht die Schuld hier in falschen und zu langen Planungen. Da könne sich die Gesetzgebung in der Zwischenzeit schon mal ändern.


Stefan Sauer, Bürgermeister von Groß-Gerau, berichtet von so einem Fall: Seit 1995 plane die Stadt eine Ortsumgehung, die Planungen standen. Dann änderte die EU den Schutzabstand zu Kibitzen von 200 auf 500 m. Und damit darf die Straße so nicht mehr gebaut werden. „Die Lebensqualität der Anwohner ist weg. Die Bürger fühlen sich nicht mehr ernst genommen, der Vogel bzw. die neue Gesetzgebung macht ihnen das Leben kaputt!“, verdeutlichte er. Daher hätten die Bürger kein Verständnis mehr für die Politik. Plasberg fragt daher, wo die Umweltverträglichkeitsprüfung für Menschen sei.


NABU-Chef Tschimpke kontert, FFH- und Vogelschutz habe es seitens der EU schon vor den Planungen gegeben, die Politik habe es hierzulande nur viel zu spät umgesetzt. Daher gebe es jetzt Kollisionen. „Wegen der Landwirtschaft haben wir heute 75 % weniger Kibitze“, so sein Argument.


Und Förster Wohlleben meint, die Konflikte entstünden nur, weil wir zu wenig Schutzgebiete haben. Daher verlagere sich alles auf Einzelkonflikte.


Anmerkung NABU 24.1.2017


Der NABU weist nach Ausstrahlung der Sendung darauf hin, dass der Bau der Umgehungsstraße in Groß-Geraus nichts mit dem Kibitz zu tun habe. Vielmehr würde der NABU-Kreisverband Groß Gerau sogar den Bau der Umgehungsstraße befürworten. Der Verband verweist für weitere Informationen auf die Hessenschau unter http://hessenschau.de/politik/wahlen/kommunalwahlen-2016/regionenchecks/landkreis-gross-gerau-im-regionencheck-spd-hochburg-unter-druck,regionencheck-gross-gerau-100.html



sowie auf die Zeitung: http://www.ruesselsheimer-echo.de/lokales/ruesselsheim/Eine-Trasse-viele-Probleme;art57641,1766945

 


Thema 4: Windkraft contra Rotmilan


Beim Thema Windkraft sind die Umweltschützer in der Zwickmühle. So sei der Rotmilan mit nur noch 30.000 Brutpaaren durch die Windräder massiv gefährdet. Der NABU kritisiert hierbei das Bundesumweltministerium, dass mit einem neuen Naturschutzgesetz den Ausbau der Windenergie unterstütze.


Dazu Tichy: „In der Rhön werden Rotmilane von den Windrädern zerfetzt, da werden Windparks in den letzten freien Mittelgebirgslandschaften genehmigt, aber der Kibitz auf dem Feld kann ganze Großprojekte lahmlegen.“ Er fragt, warum eine hochsubventionierte Windenergiebranche die letzten Höhenzüge zerstören dürfe. „Da gilt der Naturschutz plötzlich nicht mehr!“


Hendricks verweist dazu auf Urteile, die Rechtssicherheit geben für Investoren seit 2005. Es gebe zudem keine Privilegierung der Windenergie in Naturschutzgebieten. Die Prüfungen vor der Genehmigung seien sehr umfangreich und streng. Diffus äußert sich abschließend Tschimpke, der insgesamt wenig sagte, zu dem Thema. Windenergie sei schon wichtig, müsse aber umweltverträglich sein.

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