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Nachhaltige Landwirtschaft geht nicht mit dem freien Markt
Nach wenigen Jahren der Hoffnung ist der Boom an den Agrarmärkten vorbei. Um die gegenwärtige Agrarkrise zu überwinden, sei daher ein zweites EU-Hilfspaket erforderlich. Dabei müssten das Antragsverfahren vereinfacht und die Vorgaben an die Produktionsbereiche angepasst werden, so Bauernpräsident Werner Räpple.
"Nach wenigen Jahren der Hoffnung ist der Boom an den Agrarmärkten vorbei. Die Erzeugerpreise sind in verschiedenen Produktbereichen eingebrochen. Das Wachstum der Weltbevölkerung und der wirtschaftliche Aufschwung in den Schwellenländern haben nicht zur wissenschaftlich prognostizierten stetigen Nachfragesteigerung geführt“, stellt BLHV-Präsident Werner Räpple diese Woche nüchtern fest.
Die politischen Entscheidungsträger müssten erkennen, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Schwellenländern instabil sei. Auch hätten marktpolitische Fehlentscheidungen wie das Wirtschaftsembargo gegenüber Russland zu Verwerfungen geführt, die gewaltige Einkommensverluste für die heimische Landwirtschaft zur Folge hatten, erklärt Präsident Räpple.
Hier zeige sich die Kehrseite freier Märkte. Große Investitionen in die Zukunft, um hohe Standards in den Bereichen Natur-, Umwelt- und Tierschutz zu erfüllen, stünden aufgrund von Liquiditätsengpässen bei den landwirtschaftlichen Betrieben vor der Vernichtung. „Wir bekennen uns zu den freien Märkten. Diese benötigen jedoch Schranken, damit die gesellschaftlich erwünschte nachhaltige Landwirtschaft Bestand haben kann“, so Räpple.
Um die gegenwärtige Agrarkrise zu überwinden, sei daher ein zweites EU-Hilfspaket für die Landwirtschaft erforderlich. Dabei müssten das Antragsverfahren vereinfacht und die Vorgaben an die verschiedenen Produktionsbereiche angepasst werden, um möglichst schnell Liquidität in die landwirtschaftlichen Betriebe zu bringen, so der Präsident.
Auch eine Entlastung bei der landwirtschaftlichen Sozialversicherung sei dringend vonnöten. So könnten weitere Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft die angespannte Finanzlage entschärfen.
Ebenso bedarf es eines steuerlichen Paketes zur strukturellen Stärkung der landwirtschaftlichen Betriebe. Insbesondere durch Ausweitung der steuerlichen Risikovorsorgemöglichkeiten nebst der Situation angemessener Erleichterungen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe.
„Das Handelsembargo gegenüber Russland war eine marktpolitische Fehlentscheidung, die der deutschen Landwirtschaft milliardenschwere Verluste beschert hat. Die politischen Entscheidungsträger sind hier gefordert, schnellstmöglich auf eine Normalisierung der Handelsbeziehungen hinzuwirken“, betont Räpple.
Mit Blick auf die Krisenregionen solle der altbekannte Spruch „Lebensmittel- statt Waffenlieferungen“ gelten. Damit sei der notleidenden Bevölkerung im Mittleren Osten und der heimischen Landwirtschaft durch die Marktentlastung gleichermaßen geholfen. Wenn die Bundesregierung und die EU-Kommission zur Bewältigung derartiger Krisen unzählige Milliarden einsetzten, solle ein Teil davon auch zum Ankauf von Lebensmitteln verwendet werden können.
Handlungsbedarf sieht Präsident Räpple jedoch nicht nur bei den politischen Entscheidungsträgern, sondern auch bei den Erzeugerorganisationen und letztlich den Landwirten. Da ein Großteil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse im BLHV-Gebiet, aber auch in Deutschland, über genossenschaftliche Einrichtungen vermarktet werde, seien diese erzeugereigenen Unternehmen gefordert, auf eine absatzorientierte Produktionsplanung hinzuwirken. An die Marktpartner appelliert Räpple, die Situation nicht zuungunsten der Landwirte auszunutzen.
„Die heimische Landwirtschaft ist gut. Es gibt bei uns keine Ballungsgebiete der Milchviehhaltung oder Schweinemast. Die heimische Landwirtschaft produziert nach hohen Standards in den Bereichen Natur-, Umwelt- und Tierschutz. Dies wird durch vielfältige Dokumentationen und Kontrollen seitens der Verwaltung und der freien Wirtschaft belegt. Eine Teilnahme an Qualitätsmanagements-Systemen wie QM Milch, QS Fleisch, QZ BW usw. ist flächendeckend gegeben“, erklärt Räpple.
Eine weitere Überfrachtung der landwirtschaftlichen Produktion mit Checklisten und Fragebögen in den Bereichen Tierschutz, Klimaschutz und Nachhaltigkeit sei daher absolut überflüssig und müsse vom BLHV als unverhältnismäßig abgelehnt werden.