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Neuseelands Agrarbeauftragter Marr: "Für mich ist die deutsche Landtechnik nicht wegzudenken"

Hamish Marr ist Neuseelands neuer Sondergesandter für Agrarhandel. Wir haben mit ihm über das Freihandelsabkommen zwischen seinem Land und der EU, neue Züchtungstechnologien und vieles mehr gesprochen.

Lesezeit: 8 Minuten

Herr Marr, Sie sind Mel Poulton als Neuseelands Sondergesandter für Agrarhandelim Amt gefolgt. Bitte erzählen Sie von sich. Wo in Neuseeland leben Sie und welche Art Landwirt sind Sie?

Hamish Marr: Ich bin 46 Jahre alt, verheiratet und habe drei Kinder. Zusammen mit meinem Bruder, meinen Eltern und meiner Familie bewirtschafte ich eine 500 ha große Farm in Methven auf der Südinsel von Neuseeland. Das ist etwa eine Stunde südlich von Christchurch. Mein Bruder und ich sind Farmer in fünfter Generation.

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Wir bauen Getreide an - vor allem Weizen, Gerste und Hafer. Daneben Raps, Erbsen, Klee. Ein wichtiges Standbein ist die Saatguterzeugung, wobei wir uns auf Grassamen und zum Teil Getreide- und Gemüsesaat spezialisiert haben. Zusätzlich halten wir noch Schafe und Rinder zur Fleischerzeugung.

Die Witterungsbedingungen bei uns sind maritim und mild – unsere Tiere können das ganze Jahr über draußen stehen.

Was ist die Aufgabe eines „Sonderbeauftragten für den Agrarhandel“? Sind Sie lediglich der „Abgesandte“ Ihrer neuseeländischen Landwirts-Kollegen oder steckt mehr hinter diesem Amt?

Hamish Marr: Der Sonderbeauftragte für den Agrarhandel wird gemeinsam vom neuseeländischen Landwirtschaftsminister und vom Handelsminister ernannt. Als Sonderbeauftragter bin ich ein unabhängiger Sprecher des gesamten neuseeländischen Agrarsektors und vertrete die neuseeländische Landwirtschaft gegenüber Handelspartnern und Branchenkollegen in Übersee.

Ich bin ein unabhängiger Sprecher des gesamten neuseeländischen Agrarsektors.

Der Sonderbeauftragte ist völlig unabhängig von jeglichem politischen Einfluss oder Spitzengremium, das mit der Landwirtschaft zu tun hat.

Ich habe keinen Einfluss auf die Entscheidungsfindung unserer Regierung, spreche ihr gegenüber aber im Namen unserer Bauern. Auch über meine Kontakte mit Farmern im Ausland oder die Möglichkeiten, die ich auf anderen Märkten für uns sehe. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit als Sonderbeauftragter ist für mich, meinen Kollegen zu Hause zu berichten, mit welchen Herausforderungen sich die Landwirte in anderen Teilen der Welt wie Deutschland auseinandersetzen und welche Lösungen sie dabei finden. Es ist auch sehr wichtig, den Landwirten die Trends auf den internationalen Märkten zu erklären, damit sie entsprechend reagieren können.

Würden Sie vorschlagen, dass deutsche Landwirte dem neuseeländischen Vorbild folgen und selbst einen „Sonderbeauftragten“ benennen?

Hamish Marr: Ich denke, das sollten sie. Wenn ich Länder besuche, sehe ich die Landwirtschaft und die Märkte dort mit offenen Augen und nicht durch eine agrarpolitische Linse. Das öffnet den Blick für die Chancen, die Herausforderungen und die gegenseitigen Interessen auf den Märkten. Auch die deutschen Landwirte könnten von den Erkenntnissen einer solchen Person profitieren.

Das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Neuseelands wird voraussichtlich schon in der ersten Jahreshälfte 2024 in Kraft treten. Deutsche Landwirte treibt die Sorge, dass sie und ihre europäischen Kollegen die Verlierer dieser Vereinbarung sein werden. Wie denken Sie darüber?

Hamish Marr: Unsere Farmer waren auch nicht begeistert, als das Abkommen unterzeichnet wurde – aus genau den gleichen Gründen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die EU und Neuseeland eine lange gemeinsame Vergangenheit als Handelspartner teilen. Dabei galten Quoten, die nie auch nur annähernd ausgelastet wurden. Deshalb glaube ich nicht, dass Neuseeland Ihre Märkte „überschwemmen“ wird.

Deshalb glaube ich nicht, dass Neuseeland Ihre Märkte „überschwemmen“ wird.

Allerdings haben Sie bei den Produktionskosten enorme Wettbewerbsvorteile, beispielsweise für Milch und Lammfleisch.

Hamish Marr: Wir haben aber keine Subventionen oder ein Pendant zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Mit dem Freihandelsabkommen sparen wir also bei unseren Exporten lediglich die Zölle an der EU-Grenze ein, während die europäischen Unternehmen ihrerseits freien Zugang zu unseren Märkten erhalten. Ich denke, das gleich sich aus.

Statistisch gesehen ist Deutschland der wichtigste Abnehmer der EU für Importe aus Neuseeland, vor allem Fleisch und Milchprodukte. Was hat Deutschland sonst noch zu bieten und wie können deutsche Landwirte von unserem neuen Handelsabkommen profitieren?

Hamish Marr: Wir kaufen jetzt schon eine Menge an Chemikalien und Dünger oder Milchprodukte, aber auch Landtechnik aus Deutschland. Das dürfte nun noch zunehmen. Ich gehe davon aus, dass mit dem Freihandelsabkommen auch der Informationsfluss zwischen unseren Regionen zunehmen wird – gerade in der Agrarwissenschaft, Technik und beim Umgang mit dem Klimawandel. Für mich als Ackerbauer ist die deutsche Landtechnik nicht wegzudenken. Bei uns auf dem Hof nutzen wir zum Beispiel Horsch-Pflanzenschutz- und Saattechnik. Ach – und jeder hier will gerne einen Mercedes haben.

In der EU und insbesondere in Deutschland gibt es viele Bedenken gegen Gentechnik in unseren Lebensmitteln. Sie sind Saatguterzeuger. Was halten Sie von GVO und besonders den Neuen Züchtungstechnologien?

Hamish Marr: Bei uns sieht es ganz ähnlich aus wie in Deutschland. Wir sind schon immer offiziell gentechnikfrei, denn es gibt auch in unserer Bevölkerung seit jeher Vorbehalte gegen derartige Technologien oder Produkte. Ich glaube aber nicht, dass es immer so bleiben wird. Nicht mit den neuen Werkzeugen wie Crispr/Cas.

Ich denke, wir werden auch in Neuseeland bald eine ernsthafte Diskussion über solche Züchtungstechnologien führen müssen.

Ich denke nicht, dass wir etwas von Methoden wie Crispr/Cas befürchten müssen.

Ich denke nicht, dass wir etwas von Methoden wie Crispr/Cas befürchten müssen. Dafür sind die agronomischen Möglichkeiten gewaltig. Denken Sie nur an die Geschwindigkeit, mit der so Züchtungsfortschritte erzielt werden können. Warum sollten wir das nicht nutzen, um beispielsweise einen krankheitsresistenten Weizen zu züchten? Auch, wenn Grüne das nicht hören wollen, dient es doch auch dem Naturschutz, wenn man keinen chemischen Pflanzenschutz ausbringen muss.

Ich bin deshalb offen für eine ehrliche Debatte über den Nutzen und die Risiken solcher Technologien. Persönlich denke ich, dass wir sie eines Tages auch in Neuseeland nutzen werden.

Ein weiteres heißes Eisen ist in Europa das Totalherbizid Glyphosat. Was halten Sie von Forderungen nach einem Verbot von Glyphosat und ähnlichen Produkten?

Hamish Marr: Landwirte und der Ackerbau wären ohne Glyphosat weltweit in Schwierigkeiten. Der Wirkstoff ermöglicht einen wesentlich effizienteren und letztlich auch umweltfreundlicheren Anbau von Feldfrüchten. Man muss nicht pflügen und bekommt die neue Saat viel schneller in den Boden. In Gegenden mit entsprechendem Klima schafft man so mehr Ertrag von der gleichen Fläche. Wir können auf diese Weise drei Ernten in zwei Jahren realisieren. Ohne Glyphosat wäre das nicht machbar.

In Deutschland hatten wir 2023 mit schwerer Dürre im Frühjahr und extremen Regenmengen im weiteren Verlauf zu kämpfen. Wie lief das Anbaujahr bisher in Neuseeland?

Hamish Marr: Bisher hatten wir eine günstige Saison. Allerdings beobachten wir bei uns seit etwa 20 Jahren grundsätzliche Veränderungen beim Wetter.

Früher gab es in der Regel ständigen Wechsel von Regen- und Sonnentagen. Heute ziehen sich die Wetterlagen viel länger hin.

Früher gab es in der Regel ständigen Wechsel von Regen- und Sonnentagen. Heute ziehen sich die Wetterlagen viel länger hin. Mal monatelange Nässe, dann wieder viele Wochen ohne Regen. Das macht die Landwirtschaft nicht einfacher, aber wir müssen uns darauf einstellen.

Wo sehen Sie den Fokus der Landwirtschaft: In der wirtschaftlich erfolgreichen Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln oder sollten die Bauern heute mehr Wert auf Klima- und Umweltschutz legen als auf Ernährungssicherheit?

Hamish Marr: Landwirte sind Unternehmer und müssen wirtschaftlich erfolgreich sein. Das tun sie aber in der Natur, die unseren Schutz braucht. Dessen müssen wir uns immer bewusst sein. Ich bin deshalb unbedingt für Arten-, Klima- und Umweltschutz in der Landwirtschaft. Sie dürfen nicht vergessen: Nachhaltigkeit hat neben der ökologischen und der sozialen auch eine ökonomische Säule. Wenn Sie die abschneiden, funktioniert das Ganze nicht mehr.

Bei den letzten Wahlen haben sich die neuseeländischen Bürger für eine konservativere Regierung entschieden. Die will den Landwirten einen Teil der Steuern erlassen und sogar bestimmte Klimaschutzziele abmildern. Sind Sie und Ihre Kollegen mit dieser neuen politischen Ausrichtung zufrieden?

Hamish Marr: In der vergangenen Legislaturperiode hatten wir in Neuseeland in kurzer Zeit sehr viel regulatorische Maßnahmen in der Agrarpolitik. Manche Farmer fühlten sich überfordert und in die Ecke gedrängt. Ich gehe davon aus, dass die neue Regierung jetzt etwas von dem Druck und dem Tempo beim Umwelt- und Klimaschutz herausnehmen wird. Das könnte am Ende sogar die besseren Resultate bringen, denn Landwirte haben so die Chance, den für ihren Betrieb besten Weg in der Umsetzung zu finden.

Vielen Dank für das Gespräch!

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