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Prof. Kussin: "Fakten sind wirkungslos, erzählen Sie Geschichten!"

Begriffe wie „Massentierhaltung“ und „Agrarwende“ sind täglich in den Medien. Doch mit Fakten allein kann man weder die Begriffe verhindern, noch Kritiker überzeugen, sagt Prof. Kussin. Er kritisiert die Verteidigung der "Ist-Situation" der Landwirtschaft und vermisst Zukunftsvisionen unter Mitnahme der Verbraucher.

Lesezeit: 5 Minuten

Begriffe wie „Massentierhaltung“ und „Agrarwende“ sind inzwischen alltäglich in den Medien. Um diese zu verbannen riefen Vertreter der Agrarbranche in den vergangenen Jahren wiederholt dazu auf, die Meinungsführerschaft wiederzuerlangen und die Vorwürfe von Agrar-Kritikern mit Fakten zu widerlegen.


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Doch mit Fakten allein wird das nicht gelingen, stellte Prof. Dr. Matthias Kussin, Masterstudiengang „Medien- und CSR-Kommunikation“ an der Hochschule Osnabrück, am Freitag vor Branchenvertretern in Münster klar.


Warum die Landwirte und Verbände mit dieser Rhetorik einen alten Fehler wiederholen, erläuterte er am Beispiel der Energiebranche. Auch diese habe früher den Ist-Zustand verteidigt und Kritik selbstbewusst abgebügelt, ohne mit den Bürgern über deren Wünsche ins Gespräch zu gehen. Fakten sollten Kritik aushöhlen. Doch es zeigte sich beim Atomausstieg und der Energiewende, dass der Willen der Bürger Fakten aushebelt. Heute stünden die Energiekonzerne vor einem Scherbenhaufen, weil sie viel zu spät die Realität erkannten. „Die Gesellschaft lässt sich nicht beraten“, so Prof. Kussin.


Daher dürfe die Agrarbranche jetzt nicht den gleichen Fehler machen. In den aktuellen Kampagnen würden die Bauern stets im Präsens sprechen und die Landwirtschaft verteidigen. Nie sei davon die Rede, wie die Zukunft aussehen könnte und wie man sich dem Willen der Verbraucher anpassen möchte. Dieses Verteidigen und Belehren funktioniere aber nicht.


„Wenn man jetzt mit Fakten auf Kritik antwortet, nimmt der Bürger das als Lobbyarbeit und Ideologie wahr. Es ändert nichts.“ Dementsprechend hält Kussin die Zwei-Seiten-Diskussion - Ideologie (Agrarkritiker) auf der einen und Fakten, Klarstellungen (Agrarbranche) auf der anderen - für falsch. „Das Problem ist, dass die Gegenseite die Argumente der Bauern mit eigenen Fakten widerlegt. Ergebnis ist eine Verhärtung der Diskussion. In dieser steht die Landwirtschaft zusehends alleine auf der einen Seite, während sich Kritiker, NGOs, Bürger und Medien auf der anderen zusammentun“, so der Fachmann, der als ehemaliger PR-Mitarbeiter eines Energiekonzerns auf eigene Erfahrungen zurückgreifen kann.



Die Erfahrung zeigt laut Kussin, dass es nicht gelingt, über Einzelkampagnen und Fakten die Kritiker zu überzeugen. Der Verweis auf Tatsachen führe nicht mehr zu einer Einstellungsänderung. Der heute zu erkennende Autoritätsverlust der Fakten beruht seiner Meinung nach auf dem Trend, dass sich mittlerweile jeder auf Fakten beruft und einen entsprechenden Check vorlegt. „Meinungen werden zu Fakten erklärt. Und wenn ein Faktencheck nicht ins eigene Bild passt, wird er kurzerhand als Ideologie verworfen. Das zeigt sich gerade besonders im US-Wahlkampf“, so der Kommunikations-Professor.


Folge ist, dass mehr Verständnis von wissenschaftlichen Zusammenhängen nicht zu einer Meinungsänderung führt. Als Beispiel nannte er die Glyphosatdiskussion.


Was heißt das für die Branchenkommunikation?


Laut Kussin müssen sich die Landwirte zunehmend vor Augen führen, wer denn die Empfänger der Botschaft sind. Die Verbraucher sind keine leeren Hüllen, sondern man muss sich auf ihre Sichtweise und ihre Sorgen einlassen; auch auf die der Stadtbevölkerung, die in ihrer eigenen Welt lebt.


Die Herausforderung dabei sei die unterschiedliche Auslegung identischer Fakten: „Während die Tierhalter eine Antibiotika-Reduzierung um 37 % als Erfolg feiern, fragen NGOs und Bürger, wie willkürlich die Bauern denn wohl früher damit umgegangen sein müssen, damit jetzt plötzlich eine so hohe Reduzierung möglich wäre“, so Kussin. Die eigentliche Positivmeldung stärkt überraschend als weiterer „Beweis“ für Probleme in der Tierhaltung die Kritiker. Nur wenn man die Bürger mitnimmt und Anliegen für sie übersetzt, könne man etwas bewirken.


1000 Worte wirken mehr als eine Zahl!


Für die praktische Pressearbeit empfiehlt der Fachmann, Fakten in Geschichten einzubinden, in Portraits und Reportagen. Anhand von Beispielen belegte er die Behauptung: „Das Portal Bento, ein Spin-off von Spiegel Online, wächst rasant mit Storytelling, mit Geschichten, die Fakten am echten Leben erzählen. Klassische, faktenorientierte Portale wie handelsblatt.de hingegen treten seit Jahren auf der Stelle.“


Wie gut Storytelling funktioniert, habe sich in der Milchkrise gezeigt. Damals gab es etliche Betriebsreportagen, wo die Landwirte am konkreten Fall die Zusammenhänge und die Folgen erläuterten. Das sei viel effektiver gewesen als die Milchkrise nüchtern mit Fakten zu erläutern.


An der Hochschule Osnabrück will Prof. Kussin genau dies den Studierenden vermitteln. Sie sollen Storytelling lernen, Fakten in einen gesellschaftlichen Kontex stellen und sie in glaubwürdige Geschichten verpacken, um sie so in die Breite zu tragen. Ebenso wichtig sei heute die Dialogfähigkeit. „Eine gute Kommunikation allein reicht nicht, genauso wichtig ist eine saubere Argumentation.“


Aber: Kommunikation ist laut dem Professor kein Allheilmittel, das gesellschaftliche Entwicklungen abwenden kann. Sie könne die Auswirkungen nur abmildern. Kussin will damit ausdrücken, dass eine Agrarwende nicht abwendbar ist, wenn sie der Verbraucher wünscht. Umso wichtiger sei es, sich mit zuvorkommender Kommunikation in der Gesellschaft Freunde zu machen, die die Anliegen der Bauern besser verstehen und letztlich als Fürsprecher fungieren können. „Der Wandel wird kommen.“


Tipp


Zum Schluss gab Kussin noch den Tipp, sich nicht mit Diskussionen um Begriffe wie „Massentierhaltung“ aufzuhalten, da die Kritiker eh nicht zu überzeugen seien. Zudem gebe es Aktivisten, die von Problemen leben und auf keinen Fall eine Lösung wollen. „Wenn Bauern diese Wortwahl anprangern, wirken sie reaktionär und begeben sich in die Verteidigungshaltung. Sie wollen dem Bürger quasi vorschreiben, wie er zu reden hat. Halten Sie die Diskussion einfach aus, bleiben Sie gelassen und führen die Debatte über Inhalte“, sagte der Fachmann.


Ebenso beim Begriff „Agrarwende“: Anstatt gegen ihn zu streiten – der Bauernverband sagt, es gebe sie nicht – sollten die Landwirte sich den Begriff zu eigen machen und selbst mit Inhalten füllen.

 

 

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