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Stimmen zum Milchgipfel: „Milchbauern können nicht von Ankündigungen leben“

„Die Erwartungshaltung der Milchbauern ist angesichts der massiven Erlös- und Einkommensverluste enorm groß. Deshalb erwarten wir eine zügige Umsetzung des in Aussicht gestellten Krisenpaketes und vor allem der heute getroffenen Vereinbarungen. Von Ankündigungen können unsere Milchbauern nicht leben“, betonte Rukwied.

Lesezeit: 7 Minuten

„Die Erwartungshaltung der Milchbauern ist angesichts der massiven Erlös- und Einkommensverluste enorm groß. Deshalb erwarten wir eine zügige Umsetzung des in Aussicht gestellten Krisenpaketes und vor allem der heute getroffenen Vereinbarungen. Von Ankündigungen können unsere Milchbauern nicht leben“, betonte DBV-Präsident Joachim Rukwied am Montag unmittelbar nach dem Milchgipfel in Berlin.

 

Rukwied begrüßte, dass sich sowohl Bundesagrarminister Christian Schmidt als auch der Lebensmitteleinzelhandel zur heimischen Landwirtschaft und zur Lebensmittelerzeugung in Deutschland bekannt haben. Von der Bundesregierung erwartet der Bauernpräsident, dass das angekündigte Liquiditäts- und Bürgschaftsprogramm in Höhe von „100 Millionen Euro plus x“ noch erheblich aufgestockt wird, um die politisch verursachten Erlöseinbrüche auch nur teilweise ausgleichen zu können. „Das Paket geht aber in die richtige Richtung und muss politisch so schnell wie möglich umgesetzt werden. Auch die die EU-Kommission muss weitere Unterstützungsmaßnahme auf den Weg bringen“, forderte Rukwied.

 

Einig sei sich der Milchgipfel gewesen, dass der Handlungsbedarf vor allem bei den Molkereien besteht, um gemeinsam mit den Milchbauern neue Wege der vertraglichen Lieferbeziehungen zu gestalten und so eine markt- und wertschöpfungsorientierte Mengenanpassung zu erreichen. „Diese Vertragsmodalitäten für eine marktorientierte Mengensteuerung müssen unter Einbeziehung des Lebensmitteleinzelhandels gefunden werden“, so Rukwied.


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Heidl: „Preisschlacht endlich beenden!“


Zufrieden zeigt sich auch der bayerische Bauernpräsident Walter Heidl. „Jetzt geht es darum, den Ankündigungen auch Taten folgen zu lassen und schnelle Hilfe zu leisten.“


Außerdem hätten sich Handel, Molkereien und Milchbauern zu einem Branchendialog verpflichtet. Dabei sollen Vorschläge zu einer kurzfristigen Reduzierung der Milchmenge und zu einer langfristigen Neuordnung der Marktstruktur erarbeitet werden. Die Vertreter der Molkereien hätten dabei zugesagt, mit ihren Mitgliedern auf eine marktorientierte, von Molkerei und Erzeuger getragene Mengendisziplin sowie eine Flexibilisierung der Lieferbeziehungen hinzuwirken. Die Bundesregierung habe angekündigt, dies auch auf europäischer Ebene einfordern. „Der Branchendialog ist der richtige Ansatz. Jedoch brauchen wir jetzt schnell verbindliche Ergebnisse“, sagte Heidl.


Doch ein Signal der Handelsunternehmen und des Lebensmitteleinzelhandel fehlt laut Heidl völlig. „Ohne Bauernhöfe gibt es keine regionalen Lebensmittel! Die Handelskonzerne müssen endlich Verantwortung übernehmen“, sagte er. „Heute hätten die Handelsvertreter die Preisschlacht am Kühlregal ein für allemal beenden müssen. Die hochwertigen Produkte von bayerischen Bauernhöfen dürfen nicht länger zu solch niedrigen Preisen verramscht werden. Während in den Prospekten mit schönen Bildern vom Bauernhof geworben wird, zerstört der Handel mit seiner Preispolitik gleichzeitig die wirtschaftliche Grundlage vieler Familienbetriebe.“


Priesmeier findet Ergebnisse enttäuschend


„Das Ergebnis des Milchgipfels ist enttäuschend. Offensichtlich ist es dem Minister nicht gelungen, ein tragfähiges Konzept mit dem Beteiligten abzustimmen und Vieles bleibt vage“, so die Reaktion von SPD-Agrarsprecher Wilhelm Priesmeier.

 

100 Millionen Euro, die noch nicht einmal vom Parlament und vom Bundesfinanzminister freigegeben seien, würden das Problem der Überproduktion nicht lösen, sagte er im Anschluss. Hier sei vielmehr eine europäische Strategie gefragt. „Die Beschlüsse von heute sind eher mager. Zum Beispiel sind Zuschüsse für die landwirtschaftliche Unfallversicherung in Höhe von 78 Millionen Euro vorgesehen. Dieses Instrument funktioniert nach dem Prinzip Gießkanne und kommt allen Landwirtschaftsbetrieben gleichermaßen und nicht nur den Milchviehhaltern zu Gute. Auch dass das Parlament, die Landesagrarminister und der BDM erst im Nachhinein über die Beschlüsse informiert werden, ist ein sehr unglückliches strategisches Vorgehen“, so Priesmeier.

 

Die SPD unterstütze Liquiditätshilfen, d.h. Betriebe mit Engpässen müssten von der Rentenbank abgesicherte Kredite bekommen mit angepassten Tilgungsverpflichtungen und Zinssätzen. Zudem seien strukturelle Veränderungen vorzunehmen, damit es nicht zu einer Dauerkrise komme. Ziel der SPD sei es aber, die Landwirte in ihrer Verhandlungsposition gegenüber den Molkereien zu stärken, damit ein echter Wettbewerb im Milchsektor überhaupt stattfinden kann, so der Agrarsprecher.


Ostendorff: Milchgipfel ohne Lösung


Ebenfalls ernüchtert zeigt sich Grünen-Agrarsprecher Friedrich Ostendorff. „Minister Schmidt bleibt den Milchbauern auch nach seinem Milchgipfel erneut eine wirkliche Lösung der Milchkrise schuldig.“

Die Maßnahmen seien „Taschenspielertricks aus Uropas Mottenkiste“, so Ostendorff. 100 Mio. plus X würden nun mit der Gießkanne verschüttet, nur um die Lobbyinteressen des Deutschen Bauernverbandes zu bedienen, zum Nachteil der Milcherzeuger.


„Diese Gelder hätten an eine Mengenreduzierung gebunden werden können, so wie es die Milchbauern immer wieder gefordert haben. Diese Möglichkeit hat Schmidt abermals ungenutzt verstreichen lassen. Schuld an der Krise ist die Überschussproduktion. Deshalb müssen wir jetzt mit der Menge runter“, fordert der Politiker.

Er stehe daher voll und ganz hinter den Milchbauern, die heute am Brandenburger Tor gegen die „Schmidt´sche Verelendungspolitik“ demonstriert haben. „Einhellige Meinung im Gespräch war es, dass kein Weg an der Mengenreduzierung vorbeiführt. Das muss allererstes und unmittelbares Ziel jeder möglichen Maßnahme sein. Wenn der Minister weder Erzeuger noch Länderminister einlädt und nichts tut, dann müssen wir den Druck noch weiter erhöhen, bis er nicht mehr kann“, so Ostendorff.


„Milchgipfel der Verantwortungs- und Hilflosigkeit“


Von einem "Gipfel der Verantwortungs- und Hilflosigkeit" sprach Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter BDM. „Wir hatten bei dieser Besetzung der Gipfelteilnehmer ohnehin keine hohen Erwartungen. Dass aber derart wenig dabei rauskommt, ist selbst für uns schockierend. Die Ursache der Krise und entsprechende Problemlösungen werden wieder nicht angegangen, sondern verlagert und damit auf Zeit gespielt.“


Die Gipfelteilnehmer setzen laut dem BDM offenbar darauf, dass sich der Milchmarkt zwischenzeitlich von selbst bereinigt. Diese Form einer Marktbereinigung sei mit einer mutwilligen Vernichtung von Einkommen und Existenzen der Milchviehhalter gleichzusetzen.

 

Die verkündeten Maßnahmen zur weiteren Bezuschussung der Unfallversicherung, der Installierung eines Bürgschaftsprogramms und Möglichkeiten zur Steuerglättung werden nach Ansicht Schabers genauso verpuffen wie das EU-Hilfspaket, das Ende letzten Jahres aufgelegt wurde. „Wieder wurde eine Chance verpasst, dringend nötige Liquiditätshilfen mit einer Hebelwirkung zu verknüpfen. Ohne eine schnelle Markterholung wird es aber nicht gelingen, die Milcherzeugerpreise deutlich nach oben zu bringen“, so Schaber.


AbL: Gipfel der Verursacher hilft nicht


Verärgert reagiert die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft: „Anstatt die Molkereien in die Pflicht zu nehmen, greift Schmidt in die Staatskasse und verteilt Steuergelder, die den Milchbauern keine Perspektive geben. Das kommt dabei heraus, wenn man zur Lösung der schwersten wirtschaftlichen Krise in der Landwirtschaft nicht die Betroffenen, sondern ausgerechnet die Verursacher und Profiteure der Krise fragt“, kommentiert Milchbauer Ottmar Ilchmann, stellvertretender Vorsitzender der AbL das Treffen.

 

In einen übervollen Milchmarkt Steuergelder zu geben, ohne im Gegenzug die Verringerung des Überangebots zu verlangen, hält er für unverantwortlich. Der Minister müsse vielmehr die Molkereien unter Druck setzen, jetzt kurzfristig Anreize zur Reduzierung der Milcherzeugung zu geben, wie es Molkereien in Österreich und den Niederlanden vorgemacht haben. „Doch Minister Schmidt kuscht vor den großen Genossenschaften wie dem Deutschen Milchkontor DMK, die mit viel billiger Milch Exportmärkte erobern wollen und zudem insgeheim darauf hoffen, dass anderen Molkereien die Luft ausgeht und sie zu Übernahmekandidaten werden. Das geht auf Kosten der Bauern und wird vom Bauernverband noch unterstützt“, so Ilchmann.

 

Das Verhalten des Deutschen Bauernverbandes (DBV) in der Milchfrage stößt bei der AbL auf vehemente Kritik. Die AbL-Bundesvorsitzende Gertraud Gafus formuliert: „Der Bauernverband hat in den letzten Jahren den Bauern immerzu geraten, immer noch mehr Milch zu erzeugen. Die Bauern haben im Moment viele Probleme und eines der größten ist der Bauernverband. Alles, was den Bauern von dieser Seite geraten wird, führt nicht dazu, dass sie Geld verdienen“, so Gafus, und weiter:

 

„Der große Einfluss von Bauernverband und Raiffeisenverband auf Minister Schmidt ist einer der Gründe, warum dieser Minister die Bauern im Stich lässt. Der so genannte Milchgipfel zeigt deutlich, wie sich die Verantwortlichen zurückziehen und überhaupt kein Interesse daran haben, wirklich etwas zu ändern an der katastrophalen Situation. Die geplanten Liquiditätshilfen werden nur zu noch höherer Verschuldung der Bauernhöfe führen und in der Folge wird immer mehr Land an außerlandwirtschaftliche Investoren übergehen. Will man das vielleicht?“, fragt Gafus.

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