Die Chancen für eine Neuordnung des EU-Rechts für den Anbau gentechnisch veränderter Produkte (GVO) sind gestiegen. An diesem Montag werden die EU-Umweltminister erstmals seit zwei Jahren wieder über den auch als Opt-out-Lösung bekannten Vorschlag der Europäischen Kommission diskutieren, den Mitgliedstaaten politisch motivierte Anbauverbote zu gestatten, solange dabei die grundsätzliche Unbedenklichkeitsprüfung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nicht in Frage gestellt wird.
Bislang blockierten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Belgien das Vorhaben, doch im Zuge der öffentlichkeitswirksamen Diskussion über die Anbauzulassung der transgenen Maislinie 1507 ist das Dossier wieder aktuell geworden. Eine Entscheidung steht bei diesem Rat noch nicht an, aber Beobachter erwarten neue Impulse.
Der jüngste Kompromissentwurf der griechischen Ratspräsidentschaft stützt sich weitgehend auf die Vorarbeit der Dänen 2012: Danach würde ein zweigleisiges System eingeführt. Falls ein Mitgliedstaat den Anbau eines GVO, der sich im Zulassungsverfahren befindet, nicht wünscht, kann die Regierung an das Unternehmen herantreten und darum bitten, das eigene Territorium beziehungsweise Teile davon aus dem Antrag herauszunehmen.
Hier würde also der Hersteller selbst auf die Vermarktung in bestimmten Gebieten verzichten. Sollte sich das Unternehmen weigern, könnte der Mitgliedstaat den Anbau trotzdem verbieten. Zulässige Gründe wären beispielsweise befürchtete negative Effekte vor Ort, die durch eine Änderung der landwirtschaftlichen Praktiken, der Biodiversität oder des Landschaftsbildes entstehen könnten.
Schutzklausel hinfällig
Neu hinzugekommen ist eine Übergangsbestimmung mit der die Mitgliedstaaten unter Angabe dieser Gründe auch den Anbau von MON810, der einzigen in der EU kommerziell angebauten GV-Maislinie, verbieten könnten. Die rechtlich angreifbaren, auf angeblichen Umwelt- oder Gesundheitsgefahren beruhenden Moratorien in mehreren EU-Ländern, darunter Deutschland und Österreich, wären dann hinfällig - auch wenn die Möglichkeit dazu formell weiter bestehen bliebe.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks steht der Idee persönlich aufgeschlossen gegenüber, muss aber die schwierige Situation innerhalb der Bundesregierung mit SPD und CSU contra und CDU pro Gentechnik berücksichtigen. Voraussichtlich kommt ihr allerdings Großbritannien zu Hilfe: London signalisierte zuletzt, den jüngsten Kompromissvorschlag mittragen zu wollen - vorausgesetzt die erste Stufe, also die Verhandlungen mit dem Unternehmen, muss verpflichtend durchgeführt werden, bevor weitere Schritte unternommen werden können.
Falls alle anderen Mitgliedstaaten ihre frühere Position beibehalten, wäre damit die Sperrminorität gebrochen und der Rat könnte sich auch unter Enthaltung Deutschlands auf eine Verhandlungsposition gegenüber dem Europaparlament einigen. Das Hohe Haus hat sich bereits 2011 für die Möglichkeit von Anbauverboten ausgesprochen