Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sieht sich und sein Haus bei der Tierhaltungskennzeichnung auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel. „Es ist ein Marathonlauf, bei dem wir vielleicht Kilometer 20 erreicht haben“, stellte Özdemir bei seiner Zwischenbilanz nach einem Jahr im Amt gestern in Berlin fest. Dennoch sei mit dem Beschluss im Bundeskabinett die erste wichtige Hürde genommen worden.
Herkunftslabel kommt Anfang 2023
Und auch einen selbst nach seiner Auffassung „validen“ Kritikpunkt im Zusammenhang mit der Haltungskennzeichnung konnte der Minister offenbar abräumen: Die Herkunftskennzeichnung kann aller Voraussicht nach „Anfang kommenden Jahres“ kommen. Dies habe er sich von EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides persönlich bestätigen lassen, betonte Özdemir. Das soll nach dem Start der Tierhaltungskennzeichnung verhindern, dass ausländische Ware mit niedrigeren Haltungsstandards heimische Produkte verdrängt.
Der Bundesminister verteidigte noch einmal seine Haltung zur Finanzierung nicht nur des Umbaus der Tierhaltung, sondern auch der laufenden Kosten mit der dafür reservierten 1 Mrd €. Das sei der entscheidende Hebel, sonst könnten sich viele Landwirte nicht darauf einlassen, sagte Özdemir. Dies gilt nach seiner Überzeugung ebenso für die notwendigen Änderungen am Baugesetzbuch und der TA-Luft. Er konnte Bundesbauministerin Klara Geywitz dazu bewegen, die notwendigen Novellierungen „vorzuziehen“, so dass die Änderungen für eine Entbürokratisierung tierwohlgerechter Bauvorhaben möglichst schnell kommen können.
Ferkel sollen bald in Haltungskennzeichnung integriert werden
Dass zum Start der Haltungskennzeichnung nur Schweine und auch diese ohne Jungtiere oder Schlachtung einbezogen werden, ist Özdemir zufolge auch den besonderen Umständen des Sektors geschuldet. Er wies darauf hin, dass etwa die Hälfte der Ferkel aus dem Ausland stammt, Geburt, Aufzucht, Schlachtung fänden jeweils ganz woanders statt. Das mache die Frage der Kennzeichnung am Anfang des Vorhabens zu komplex, so der Agrarminister. Er will die Integration der Ferkelaufzucht jedoch unmittelbar nach dem Start des Haltungslabels angehen
Özdemir räumte in seiner Zwischenbilanz ein, dass die Finanzierung der Haltungskennzeichnung mit der Milliarde auf Dauer oder für weitere Nutztierarten noch nicht gesichert sei. Bei der Anschlussfinanzierung zeigt er sich flexibel und hätte auch „kein Problem“ mit einer entsprechenden Aufstockung des Agrarhaushalts. Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage hält er das jedoch für eher unwahrscheinlich, ebenso wie eine Anhebung des jetzt noch reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf Fleischprodukte.
Arbeitsgruppe macht bis zum Frühjahr Finanzierungsvorschläge
Ein gangbarer Weg wäre für den Minister hingegen die Finanzierung über eine Abgabe, wie sie die FDP in ähnlicher Form bereits vorgeschlagen hatte. Die müsse auch nicht sofort kommen, meinte Özdemir mit Blick auf die vorhandene Startfinanzierung. Nach seinen Angaben wird nun jedenfalls bis März 2023 eine Arbeitsgruppe im Bundestag Vorschläge für eine Anschlussfinanzierung entwickeln.