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Wird Dünger zum unbezahlbaren Gut? Seit Monaten sorgen die hohen Preise für Kalkammonsalpeter, Harnstoff und Co. für Unmut – und es könnte noch schlimmer kommen.
Wenn in den kommenden Wochen der Gasfluss aus Russland Richtung Deutschland weiter stockt oder versiegt, dürft das die hiesigen Düngemittelhersteller besonders hart treffen. Denn Erdgas ist vor allem für die Produzenten stickstoffhaltiger Dünger die wichtigste Zutat und macht bis zu 90 % der Produktionskosten aus. Die Rechnung ist daher einfach: Wird Gas teurer oder fehlt, macht sich das fast eins zu eins im Preis bzw. Angebot bemerkbar.
Schmerzgrenze bereits erreicht
Wie sehr die Hersteller am Gastropf hängen, haben bereits die vergangenen Monate gezeigt: Nachdem im März die Gaspreise stiegen, drosselten die großen Hersteller wie BASF, Yara und SKW Piesteritz schlagartig ihre Produktion. Die Folgen bekam bundesweit jeder zu spüren, der Dünger kaufen wollte. Für Kalkammonsalpeter verlangten die Händler im Vergleich zum Vorjahr teilweise das Dreifache, Harnstoff und AHL sind etwa doppelt so teuer.
Weil mit dem Preisanstieg die Nachfrage sank und die niedrigeren Spotmarktkurse am Weltmarkt Druck auf das Preisgefüge hierzulande ausgeübt haben, gaben die Kurse in den vergangenen Tagen zwar leicht nach. Der drohende Engpass könnte das Preispendel aber nun erneut in die andere Richtung ausschlagen lassen.
Und obschon Dünger für die Nahrungsmittelproduktion unerlässlich ist, dürften die Düngerproduzenten bei einer Rationierung der Gasversorgung auf keine Milde hoffen. Davon geht der agrarfax Marktanalayst Jan Peters aus Brunsbüttel aus. Ähnlich stuft auch die BASF die Lage ein und hat bereits angekündigt, womöglich die Stickstoffdüngerproduktion einstellen zu müssen. „Wird die Erdgasversorgung auf unter die Hälfte reduziert, würde dies zur vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit führen“, warnte eine Sprecherin des Konzerns bereits im März gegenüber der ARD.
Hauptproduzenten für Stickstoffdünger sind die Werke der SKW Piesteritz (Wittenberg) und Yara (Brunsbüttel und Poppendorf bei Rostock). Rund 1/3 des hiesigen Stickdorfbedarfes decken diese ab, so Peters. Die deutsche Handelsstatistik weist für das vergangene Jahr einen Stickstoffdüngerexport von rund 3,2 Mio. t aus Deutschland auf. Etwa 2,7 Mio. t wurden hingegen importiert.
Die gute Nachricht: Russland gehört dabei nicht zu den Hauptlieferanten für Deutschland. Stattdessen lagert in den hiesigen Hallen vor allem Ware aus den Niederlanden, Belgien, Polen, Tschechien und Österreich. „Mit einem Gaslieferstopp für Deutschland dürfte somit nicht die komplette Düngerversorgung einbrechen“, ist Peters überzeugt.
In mehreren europäischen Düngemittelwerken können die Hersteller ihre Produktion zudem anstatt mit Erdgas auch mit Ammoniak aufrecht erhalten. Das müssen die Unternehmen dann allerdings teuer aus allen Teilen der Welt importieren. Damit zeichnet sich auch ab: Eskaliert der Gasstreit weiter, wird Dünger noch teurer. Mit voller Wucht dürfte das dann auch Kalidünger treffen, denn deren Produktion ist ebenfalls auf Erdgas angewiesen.
Wenn Vorkontrakte nichts wert sind
Schätzungen zufolge haben die meisten Landwirte sich bereits mit 30 % ihres Stickstoffdüngerbedarfes für den Herbst 2022 eingedeckt (Vorkontrakte). Für das Frühjahr 2023 liegt die Quote bei rund 15 %. Peters rät: „Wer bislang auf weiter sinkende Preise gehofft und sich mit Vorkontrakten zurückgehalten hat, sollte beim Verkauf von Getreide auch gleichzeitig an den Düngereinkauf denken.“
Allerdings gibt es einen Haken: Ruft die Regierung die nächste Stufe des Gasnotfallplanes aus, werden sich die Hersteller vermutlich auf höhere Gewalt berufen und die Vorkontrakte kündigen. Dann dürften den Landwirten harte Nachverhandlungen drohen.
Unser Tipp: Prüfen Sie den Markt „engmaschig“ auf weitere Rückgänge, und schlagen Sie bei beginnenden Anstiegen zu.