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topplus Rindfleisch mit Zukunft

Tönnies-Manager im Interview: „2025 hat jeder zweite Jungbulle Haltungsform 3“

Rindfleisch in der Krise? Von wegen! Im Interview erklären drei Tönnies-Vertreter, warum an Haltungsform 3 kein Weg vorbeiführt und Rinderhalter gute Perspektiven haben.

Lesezeit: 7 Minuten

Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel (LEH) will beim Rindfleisch schon bald komplett auf Haltungsform 3 umstellen. Die Landwirte zögern, weil die Erlöse nicht passen und schon jetzt der Rindfleischabsatz stockt. top agrar wollte von den Tönnies-Managern Gunnar Rohwäder, Christopher Rengstorf, und Markus Tiekmann wissen, wie sie die deutsche Rindermast aus der Sackkasse holen wollen.

Der Absatz von Rindfleisch in Deutschland schwächelt gewaltig. Laut Statistik verzehrt der Bundesbürger heute fast 20 % weniger Rindfleisch als noch 2020. Machen Sie sich Sorgen um Ihr Geschäft?

Markus Tiekmann: Im Gegenteil. Der Minderverbrauch ist vor allem eine Folge der gestiegenen Verbraucherpreise. Ich erwarte aber, dass sich der Verbrauch nun stabilisiert und wir bei rund 8 kg Pro-Kopf-Verzehr den Boden erreicht haben. Die aktuelle Entwicklung stimmt uns sehr positiv.

Was macht Sie da so sicher? Inflation- und Konjunktursorgen bleiben und in der Klimadebatte steht Rindfleisch auch unter Beschuss?

Tiekmann: Nach den Rekordpreisen im Einkauf für Bullen und Schlachtkühe im vergangenen Jahr haben sich die Preise wieder normalisiert. Es dauert allerdings eine gewisse Zeit bis das beim Verbraucher ankommt. Die meisten Bundesbürger essen weiterhin gerne Rindfleisch. Die Vorlieben haben sich aber verschoben. Statt Rumpsteak und Braten ist es jetzt das Hackfleisch. Dank des Burger-Booms steigen hier die Umsätze deutlich.

Der LEH wird die Haltungsform 3 durchsetzen
Markus Tiekmann

Obwohl der deutsche Kunde vor allem auf den Preis schaut, forcieren Sie die höheren Haltungsstufen und treiben die Kosten bzw. die Verbraucherpreise für Rindfleisch zusätzlich in die Höhe. Wie passt das zusammen?

Tiekmann: Über ein Mehr an Tierwohl gibt es keine zwei Meinungen. Das ist der Weg, den wir gehen und auch gehen müssen. Das ist gesellschaftlicher Wille, politisch getrieben und auch der LEH hat diesen Weg eingeschlagen. Wir gehen diesen Weg mit und treiben ihn mit voran. Der Handel wird beim Rindfleisch die Haltungsformstufe 3 durchsetzen.

Für uns ist nur die Frage, wie wir das möglichst effizient umsetzen und den Preisanstieg im Supermarkt begrenzen. Gleichzeitig ist uns wichtig, dass wir jeden landwirtschaftlichen Betrieb mitnehmen. Wir brauchen die Landwirte und sind mit unseren Kunden und der Landwirtschaft im ständigen Dialog. Die Landwirtschaft braucht verlässliche Perspektiven, und wir unterstützen sie dabei.

Dafür brauchen Sie viele Mäster, die mitspielen. Wie viele Schlachtrinder der Haltungsformstufe 3 und 4 schlachtet Tönnies derzeit?

Gunnar Rohwäder: Wir haben die Schlachtzahlen in den höheren Haltungsformen zuletzt weiter gesteigert. Wir sehen uns da auf einem guten Weg. Und es gibt viele Rinderhalter, die sich bei uns melden, weil sie Interesse haben und schon jetzt die Voraussetzungen erfüllen. Da laufen vielversprechende Gespräche.

Sie suchen demnach weitere Betriebe, für die Haltungsform 3 und 4?

Rohwäder: Klar und in den Gesprächen mit den Landwirten spüre ich eine große Bereitschaft die Haltung zu verbessern. Was die Bauern allerdings abschreckt, ist die fehlende Planungssicherheit. Die Bundesregierung hat angekündigt, auch die Rinderhaltung in die staatliche Tierwohlkennzeichnung miteinzubeziehen. Doch es ist nicht ganz klar, welche Anforderungen in den nächsten Jahren auf die Rinderhalter zukommen. Ich kann verstehen, dass Rinderhalter da zögern.

Wir bieten Lieferverträge zwischen zwei bis fünf Jahren
Gunnar Rohwäder

Wie wollen Sie das Problem lösen?

Rohwäder: Die grobe Richtung ist doch klar: Wir reden über mehr Platz, mehr Luft und eventuell noch über GVO-freie Fütterung. Auch Nachhaltigkeits- und Klimaaspekte werden in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Die Milch- und Fleischbranche ist hier bereits sehr aktiv. Dennoch bleibt ein Risiko, und das müssen wir in der Wertschöpfungskette auf viele Schultern verteilen. Das machen wir durch Verträge mit Laufzeiten von zwei bis fünf Jahren. Auflagen und Zuschläge sind darin klar geregelt. Nur so kann die Umstellung in der Breite funktionieren.

Erzeuger bemängeln oft die zu geringen Aufschläge und die fehlende Flexibilität bei den HF3-Verträgen? Wollen Sie nachbessern?

Rohwäder: Wenn ich Landwirte frage: „Wie viel Zuschlag auf die Notierung brauchst Du?“ bekomme ich meist keine konkrete Zahl genannt. Die Realität ist doch, dass einige Betriebe wahrscheinlich mit 20-30 Cent Zuschlag auskämen, andere bräuchten mehr als 80 Cent pro kg SG. Ich kann Ihnen versichern, dass wir marktgerechte Zuschläge zahlen.

Ich schätze, dass 20 bis 25 % der Ställe gar nicht umgebaut werden müssen
Gunnar Rohwäder

Wenn Sie vier Quadratmeter Platz pro Bulle in der Endmast anbieten müssen, können 20 Cent Aufschlag wohl kaum reichen, oder?

Rohwäder: Sie müssen diese Fälle auch in Kombination mit Förderprogrammen in den Bundesländern sehen. Wir brauchen für die Landwirtschaft gleiche Rahmenbedingungen – in Deutschland und auch in der EU. In NRW haben wir die Strohprämie von etwa 130 € je Tier. In Bayern gibt es mit „BayProTier“ ein ähnliches Programm. Wir werden dem System mit bundesweit fixen Zuschlägen nicht gerecht. Zudem schätze ich, dass 20 bis 25 % der Ställe gar nicht aufwändig umgebaut werden müssen, um auf Haltungsform 3 umzustellen.

Was glauben Sie, wie schnell der Umbau gelingt und welcher Anteil der Betriebe in den nächsten Jahren mitgeht?

Tiekmann: Wir befinden uns gerade am Anfang einer sehr dynamischen Entwicklung. Ich schätze, dass wir schon in zwei Jahren etwa die Hälfte aller deutschen Jungbullen in der Haltungsform 3 halten.

Wird Haltungsform 3 dann zum Mindeststandard in der deutschen Bullenmast?

Tiekmann: Wir werden auch weiterhin die niedrigeren Haltungsformstufen brauchen. Im Export und auch im Außer-Haus-Verzehr spielt die Haltung kaum eine Rolle. Selbst in der EU gibt keinen gemeinsamen Konsens bei dem Thema. Da reden wir maximal über einheitliche Transportzeiten.

Dann wird es schwierig die hohen Kosten aufzufangen. Der LEH nimmt ja auch nur bestimmte Teilstücke vom Rind. Wie viel vom Schlachtkörper wird wirklich als Haltungsform 3 vermarktet?

Tiekmann: Zu wenig! Wenn es optimal läuft und auch die Verarbeitung mitzieht, würde ich den Anteil auf 65 % des Schlachtkörpers schätzen. Wir könnten noch höher kommen, wenn wir beispielsweise die Petfood-Industrie oder die Lederindustrie mit ins Boot holen. Wir müssen die Mehrkosten auf möglichst viele kg verteilen.

Bei den Schlachtkühen hängen wir von der Milchwirtschaft ab
Gunnar Rohwäder

Warum fängt man nicht erst mit der Haltungsform 2 an? Die ITW Rind steht schon lange in den Startlöchern!

Rohwäder: Die ITW Rind spielt in der Vermarktung derzeit leider keine Rolle. Der LEH überspringt sie einfach. Die Milchwirtschaft hat dabei eine große Bedeutung. Milchviehbetriebe werden sich nur bewegen, wenn die Molkereien das fordern. Der LEH macht hier zwar Druck, aber verlangt bisher fast ausschließlich Trinkmilch mit der Haltungsform 3.

Erst wenn das komplette Molkereisortiment in HF3 vermarktet werden kann, werden mehr Molkereien und Betriebe umstellen und entsprechend mehr passende Tiere zur Verfügung stehen. Es gibt grobe Schätzungen, dass etwa ein Viertel der Molkereien mittelfristig auf QM++ umsattelt.

Egal ob Bullen oder Kühe, letztlich reden wir in Deutschland und der EU über schrumpfende Rinderzahlen. Welchen Stellenwert hat das Rindfleischgeschäft langfristig im Hause Tönnies?

Christopher Rengstorf: Einen sehr großen und wir bauen das Geschäft derzeit weiter aus. Wir konnten unsere Schlachtungen im laufenden Jahr sogar deutlich um 7 % steigern. Wir sind daher zuversichtlich, dass wir auch bei Rind eine Wachstumsgeschichte erleben, zumal auch international die Nachfrage weiterhin steigt. Auch deshalb haben wir in Badbergen unsere Kapazitäten ausgebaut.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Sie vor kurzem den Standort Legden geschlossen haben. Wie passt das dazu?

Rengstorf: Das hat andere Gründe. Uns macht der Fachkräftemangel schwer zu schaffen. Sie müssen die guten Mitarbeiter möglichst effizient einsetzen und das geht am besten in einem großen Standort mit Schlagkraft.

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