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Arbeitskräfte finden: Das A und O ist Wertschätzung

Immer mehr junge Menschen streben das Abitur an und wollen dann auch studieren. Diese zunehmende Akademisierung ist bedenklich, findet Konstantin Vogt. Die Leute fehlen dem Handwerk.

Lesezeit: 6 Minuten

Niklas Wawrzyniak führte das Interview, das zuerst im bioland-Fachmagazin 12/22 erschien.

Nils Konstantin Vogt vom Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks sieht bei den Betrieben große Herausforderungen aber auch Chancen, Menschen als Mitarbeiter zu begeistern. Dem Personalmangel begegnet das Bäckerhandwerk auch, indem es z.B. Menschen aus Ägypten anwirbt.

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Wie verändert sich die Personalsituation im Bäckerhandwerk?

Vogt: Wir beobachten, dass Leute immer älter werden, dass peu à peu die Babyboomer in Rente gehen. Das wird sich in den nächsten Jahren verschärft bemerkbar machen. Zudem hat sich beim Bildungsverhalten und Bildungsniveau etwas verändert.

Immer mehr junge Menschen streben das Abitur an und wollen dann auch studieren. Diese zunehmende Akademisierung ist bedenklich. Dadurch stehen weniger Bewerber für den Ausbildungsmarkt zur Verfügung. Unsere Ausbildungsberufe im Bäckerhandwerk sind aber für alle Schulabschlüsse offen und auch für Abiturienten durchaus interessant, denn es gibt viele Karrierechancen.

Wie viele Stellen sind gerade unbesetzt?

Vogt: Wenn wir auf die Stellen für Gesellen schauen, sind bei der Bundesagentur für Arbeit über 2.500 Stellen für Bäcker inseriert und über 4.000 Stellen für Fachverkäufer mit Schwerpunkt Bäckerei. Das ist trotz der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Unwägbarkeiten nach wie vor auf sehr hohem Niveau. Die Unternehmen suchen händeringend nach Mitarbeiter, manche Betriebe könnten aber auch noch eine Filiale eröffnen, die Konsumnachfrage und die Standorte sind da!

Wie müssen sich Unternehmen denn bei Mitarbeitern bewerben?

Vogt: Wichtig ist, den jungen Leuten und den potenziellen Bewerbern Perspektiven aufzuzeigen. Sie suchen, das ist Fakt, Sicherheiten und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Und die gibt es reichlich! Das Bäckerhandwerk ist ein zuverlässiger Arbeitgeber, der tolle Möglichkeiten anbietet. Wir haben beispielsweise im Verbund der Akademien des deutschen Bäckerhandwerks, dem elf Fachschulen angehören, einen eigenen Studiengang entwickelt. Dort können Bäckermeister betriebswirtschaftliches Know-how lernen, das ihre praktische Ausbildung perfekt ergänzt. Das sind Angebote, die Betriebe in ihren Stellenanzeigen aufnehmen und auch Mitarbeitern anbieten können, um ihnen Entwicklungsschritte aufzuzeigen.

Dann gilt es, das Personal gut einzuteilen und ihm aber auch die Freiheiten zu lassen.

Vogt: Absolut. Das Beispiel Biokaiser ist für viele Betriebe ein Leuchtturm. Hier sieht man vorbildlich, wie sich Bäckereien langfristig in der Außenkommunikation, aber auch in der Innenkommunikation aufzustellen können. Das A und O ist Wertschätzung, das haben uns mehr als 500 Azubis in einer Umfrage gespiegelt. Das müssen sich die Betriebe auf die Fahne schreiben, wenn sie Mitarbeiter finden und halten wollen.

Wichtig ist, dass man an seinen Mitarbeitern nah dran ist, zuhört und versucht, auf die Wünsche einzugehen, vor allem bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder bei dem täglichen Arbeitsweg. Die Unternehmen müssen ein offenes Ohr für die Probleme und Sorgen der Mitarbeiter haben.

Diese zunehmende Akademisierung ist bedenklich

Wie wird sich die Fachkräftestrategie und das neue Einwanderungsgesetz der Bunderegierung auf die Situation auswirken?

Vogt: Positiv, das hoffen wir sehr. Es gibt unterschiedliche Prognosen, die alle zu dem gleichen Ergebnis kommen, dass der deutsche Arbeitsmarkt auf eine gewisse Zuwanderung von Fachkräften angewiesen ist. Sonst werden wir das Potenzial der Unternehmen nicht halten und die Stellen nicht besetzen können. Zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit und der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit haben wir ein Pilotprojekt angestoßen, in dem wir junge Leute aus Ägypten angeworben haben, die hier eine Ausbildung zum Bäcker begonnen haben.

Wie war der Anklang?

Vogt: Dass die Nachfrage nach dem Bäckerhandwerk so zündet, hatten wir nicht gedacht. Es gab schnell über 200 hochkarätige Bewerbungen für das Projekt, von denen sieben in das Projekt aufgenommen wurden. Vor Ort wurden die Teilnehmer am Goethe-Institut in Kairo sechs Monate in einem Vollzeit-Sprachkurs auf B1-Niveau vorbereitet. Auch nach dem Ausbildungsbeginn in Deutschland müssen sie jetzt nebenbei die Sprache weiter vertiefen. Aber das sind Möglichkeiten für die Betriebe, neben dem inländischen Potenzial, das wir natürlich auch noch ausschöpfen müssen, hier Stellen zu besetzen. Das heißt, es entsteht ein neuer Markt und Wettbewerb unter den Unternehmen.

Junge Leute brauchen einfachere Bewerbungsverfahren

Was bedeutet das für diese?

Vogt: Da haben wir einen Vorteil gegenüber anderen Branchen, weil das Bäckerhandwerk in der Regel familiär aufgestellt ist. Das erleichtert Menschen, anzukommen und Anschluss zu finden. Als wir 2015, 2016 die große Fluchtbewegung hatten, hat sich das Bäckerhandwerk schon als Chancengeber herausgestellt und vielen jungen Menschen eine Perspektive geboten.

Wie läuft die Nachwuchskampagne „Back dir deine Zukunft“, die es nunmehr seit zehn Jahren gibt?

Vogt: Die muss sich immer wieder neu erfinden, was die Kommunikation anbelangt, und das gilt auch für die Betriebe. Die Homepage ist immer noch die zentrale Plattform, das Herz[1]stück, mit einem praktischen Stellenfinder. Bewerber und Unternehmen finden alle Informationen, die sie brauchen. Wir haben aber auch gemerkt, dass wir dahin gehen müssen, wo die jungen Leute sind und die sind halt in den sozialen Netzwerken. Dort findet neben Freizeit neuerdings auch Berufsorientierung statt. Unsere Backfluencer, das sind Auszubildende, geben dort authentische und ehrliche Einblicke ins Bäckerhandwerk und stehen für Fragen zur Verfügung. Das wird gut angenommen.

Hat sich die Art und Weise verändert, wie ein Zusammentreffen von Bewerbern und Unternehmen funktioniert?

Vogt: Das hat sich verändert. Junge Leute brauchen einfachere Bewerbungsverfahren. Häufig ist es sinnvoll, wenn man erstmal eine Schnellbewerbung zulässt und in Kontakt kommt. Die relevanten Unterlagen kann man auch im zweiten Schritt anfordern. Auch hier haben wir gemerkt, die Kommunikation wird schneller. Da sind die Betriebe angehalten, auf den Zug aufzuspringen, um nicht am Ende des Bewerbungsprozesses doch leer auszugehen, weil die anderen schneller sind.

Muss das Bäckerhandwerk noch stärker für sich werben?

Vogt: Die wichtigsten Mitentscheider bei der Berufswahl sind nach wie vor die Eltern, die gilt es, abzuholen und zu informieren. Aber der beste Flyer nutzt nicht viel, wenn ein Betrieb nicht von innen heraus zeigt, was ihn ausmacht. Nachwuchsgewinnung muss absolute Chefsache sein und im Unternehmen Priorität genießen.

Die besten Botschafter sind die Kunden, mit denen ein guter Dialog Gold wert ist. Eine aktuelle Statistik der Bundesagentur für Arbeit hat die Top-Ten-Ausbildungsberufe für junge Leute erfasst. Da tauchen der Bäcker und die Fachverkäufer nicht auf.

Das große Problem ist, dass wir den Nachwuchs selbst ausbilden müssen, sonst haben wir ihn schlichtweg nicht. Aber auch für Quereinsteiger müssen wir noch mehr anbieten. Es gibt beispielsweise viele Hobbybäcker, die durchaus Interesse haben, sich auch beruflich mit der Bäckerei zu beschäftigen.

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