Die EU Kommission plant im Herbst ein Rahmengesetz für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem in allen Mitgliedsländern. "Wir hoffen, dass der Entwurf auch die kleinen und mittleren Betriebe einbindet und den Fortbestand der regionalen Landwirtschaft möglich macht", erklärt EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer, bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger, Bauernbundpräsident Georg Strasser und Obmann des Vereins „Wirtschaften am Land“ Josef Plank.
Gemeinsam haben die Bauernvertreter auch einen Forderungskatalog für dieses Gesetz aufgesetzt, den sie an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen adressiert haben. "Es muss die Stimme der Praktiker in dieses Gesetz einfließen", meint Schmiedtbauer. Sie erwartet einen Vorschlag, der alle drei Säulen der Nachhaltigkeit, Ökologie, Ökonomie und Soziale Aspekte, gleichermaßen abdeckt.
„Zu oft zielen die EU-Initiativen in der Landwirtschaft nur auf Verbote, Einschränkungen und Hürden für die Bodenbewirtschafterinnen und Bodenbewirtschafter ab. Ich erwarte mir von der EU-Kommission bei diesem Rahmengesetz ein klares Bekenntnis zur landwirtschaftlichen Produktion in Europa", sagt die EU-Abgeordnete. Denn viele Gesetze widersprechen der Produktion im Land. Stilllegungsflächen, Verzicht auf Holzernte und viele andere Maßnahmen würden die Landwirte belasten. "Unsere Bäuerinnen und Bauern brauchen faire Preise und eine angemessene Abgeltung für erhöhte Umweltauflagen und freiwillige Mehrleistungen", erklärt Bauernbund-Präsident Georg Strasser.
Wettbewerbsfairness gefordert
LK-Präsident Moosbrugger fordert: "Gleiche Spielregeln für alle und mehr Wettbewerbsfairness! EU-Initiativen dürfen nicht der umweltschädlichen Agrarindustrie in Übersee dienen, sondern müssen unsere nachhaltigen Höfe stärken." Denn würden alle geplanten Maßnahmen so umgesetzt, würde es weniger Produktion im Inland und mehr Importe bedeuten.
Mit den Forderungen will auch der Obmann von „Wirtschaften am Land“ Josef Plank weniger Bürokratie für die Bauern errreichen. „Die Verordnung muss Rücksicht auf die Besonderheiten und Bedürfnisse der europäischen Land- und Forstwirtschaft nehmen. Eine überbordende Bürokratie ist insbesondere für unsere Klein- und Mittelbetriebe existenzgefährdend. Jetzt gilt es, Meilensteine für die kommenden Hofübernehmer und alle, die in der Landwirtschaft tätig sind, zu setzen“, meint Plank.
Hier die Forderungensliste im Detail:
- Ein EU-Lebensmittelsystem im Einklang mit den drei Säulen der Nachhaltigkeit: Wir rufen dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, die den drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und sozialen Erwägungen – gleichwertig gerecht werden. Ein ganzheitlicher und systemischer Ansatz ist gefragt. Die Bäuerinnen und Bauern können nicht allein die ökonomischen Nachteile gesellschaftlicher Anforderungen tragen.
- Lebensmittelprodukton als Teil des "European Way of Life" anerkennen: Die europäische Lebensmittelproduktion zeichnet sich durch eine große Vielfalt an Lebensmitteln und ein hohes Maß an Versorgungssicherheit aus. Diese Vielfalt ist identitätsstiftend für die verschiedenen Regionen Europas und bildet gleichzeitig die Grundlage für Biodiversität, Kulturlandschaft und Wertschöpfung in den Regionen. Es gilt zu verhindern, dass diese wichtigen Funktionen unter dem Titel der Nachhaltigkeit unter Druck geraten.
- Einbeziehung aller Lebensmittel im EU-Binnenmarkt: Im Sinne eines fairen Ansatzes muss der Rahmen für ein nachhaltiges EULebensmittelsystem in der EU produzierte und in die EU importierte Lebensmittel gleichermaßen umfassen, um unfaire Marktverzerrungen zulasten der EULandwirtschaft zu vermeiden. Gleiche Standards für alle müssen im Sinne echter Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfairness angestrebt und verankert werden.
- Klein- und Mittelstrukturierte Betriebe für die Zukunft: Die österreichische Landwirtschaft ist seit Jahren der Nachhaltigkeit verpflichtet. Der überwiegende Teil unserer Betriebe nimmt seit vielen Jahren an freiwilligen Umweltprogrammen teil. Allfällige neue Maßnahmen dürfen familiengeführte Betriebe nicht überfordern und aus dem Markt drängen, denn sie sind ein Garant für nachhaltige Produktion, höchstes Tierwohl und lebendige Regionen. Der Grundsatz „niemanden zurücklassen“ ist daher vollumfänglich auf die familiengeführten Betriebe anzuwenden.
- Primärerzeuger stärken: Die Marktstellung der Landwirtinnen und Landwirte innerhalb der Lieferkette muss gestärkt werden, um Kostenüberwälzung zu vermeiden und ihnen ein faires Einkommen zu gewährleisten. Dazu gehört auch das Recht der Landwirtinnen und Landwirte, sich in Erzeugergemeinschaften und Genossenschaften zu organisieren. Diese Zusammenschlüsse sind im EU-Lebensmittelsystem der Zukunft verstärkt zu fördern.
- Vorleistungen der Landwirtschaft anerkennen: Das Regelwerk der GAP beinhaltet ab 2023 bereits viele zusätzliche Elemente unter dem Titel Nachhaltigkeit, allen voran der ökologischen Nachhaltigkeit, etwa durch verstärkte Konditionalität, Öko-Regelungen und Mindestdotierungen für den Umweltund Klimaschutz. Viele legislative Initiativen der Nachhaltigkeitsstrategien aus dem Grünen Deal (Farm-to-Fork-Strategie, Biodiversitätsstrategie) werden ebenfalls in diese Richtung argumentiert. Das Rahmengesetz für ein nachhaltiges EU-Lebensmittelsystem muss das adäquat berücksichtigen und nicht durch neue zusätzliche Auflagen die internationale Wettbewerbsfähigkeit schwächen und Importe verstärken. Die Vorreiterrolle Österreichs ist speziell anzuerkennen.
- Investition in Bildung: Die Stärkung des Bildungswesens zur Vermittlung eines grundlegenden Verständnisses für Nachhaltigkeitsaspekte in Verbindung mit Lebensmitteln, insbesondere die Rolle von Produktherkunft, der Saisonalität bei Obst und Gemüse, der EU-Qualitätsprogramme, der Vermeidung von Lebensmittelabfällen und allen weiteren Aspekten der Nachhaltigkeit, würde es den EU-Bürgerinnen und EUBürgern erlauben, einen aktiven Beitrag in einem nachhaltigen EU-Lebensmittelsystem der Zukunft zu leisten, indem informierte und nachhaltige Kaufentscheidungen getroffen werden.
- Partnerschaftliche Gesetzgebung auf Augenhöhe: Die Generaldirektion Landwirtschaft und der EU-Agrarkommissar müssen federführend in den Vorschlag für ein nachhaltiges EU-Lebensmittelsystem eingebunden werden. Die Gesetzesinitiative muss Ernährungssicherheit und -sicherung gleichwertig sicherstellen.
- Herkunftskennzeichnung: Regionale und saisonale Produkte und kurze Versorgungsketten können eine zentrale Rolle dabei spielen, unser EU-Lebensmittelsystem nachhaltiger zu gestalten. Regionale Produzentinnen und Produzenten erzeugen in unmittelbarer Nachbarschaft der lokalen Bevölkerung und erfahren so auch eine gewisse unmittelbare „gesellschaftliche Kontrolle“, was nachhaltige Produktionsweisen tendenziell unterstützt. Die Herkunft der Grundprodukte sollte für die Konsumentinnen und Konsumenten erkennbar sein.
- Nachhaltigkeitskennzeichnung: Die Nachhaltigkeitskennzeichnung soll auf freiwilliger Basis nach einheitlicher Definition und Methodik erfolgen, gleichwertig auf den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit basieren und so konzipiert sein, dass auch klein- und mittelstrukturierte landwirtschaftliche Betriebe die erforderlichen Dokumentationsanforderungen bewältigen können. Unverhältnismäßige bürokratische Hürden gilt es zu vermeiden. Bei der Direktvermarktung ist eine Nachhaltigkeitskennzeichnung nicht notwendig, da den Konsumentinnen und Konsumenten erforderliche Informationen direkt zur Verfügung gestellt werden können.