Die Schlachtrinderpreise haben im letzten halben Jahr ordentlich zugelegt. Was waren die Ursachen?
Habermann: Der aktuelle Basispreis von 4,62 € pro kg SG (Jungstier R2/3) war vor einem Jahr noch nicht vorstellbar. Der Höhenflug ist vor allem eine Folge der vorausgegangenen Depression. Wir hatten zweieinhalb Jahre mit extrem niedrigen Preisen. Der Basispreis für Schlachtstiere ist in dieser Zeitspanne kaum über 3,50 € gekommen. Den Tiefpunkt brachten die ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr und Sommer 2020. Erst im Sommer 2021, mit Öffnung von Gastronomie und Tourismus, zogen die Preise wieder an.
Aktuell liegen die Notierungen in Deutschland bei 5,30 €/kg SG und damit um fast ein Drittel höher als in Österreich. Wie kann das sein?
Habermann: Es stimmt, dass wir im Vergleich zu den deutschen Preisen, die ein Jahrzehnt unter uns waren, etwas verloren haben. Der Preisunterschied muss aber klar relativiert werden. Viele unserer Landwirte produzieren in Qualitätsfleischprogrammen und in diesen können deutliche Mehrerlöse je kg Schlachtgewicht erzielt werden. Werden diese Qualitätszuschläge in den Preisvergleich aufgenommen, beträgt die Preisdifferenz rund 30 Cent.
Deutschland ist der Preismotor für ganz Europa. Warum?
Habermann: Viele deutsche Rindermastbetriebe haben aufgehört. Damit haben in unserem Nachbarland Anfang des Jahres 10 bis 15 % der Produktion, in Bayern sogar bis zu 25 % gefehlt. Dort ist ein Strukturbruch im Gange. Die deutsche Politik betreibt den Abschied vom Weltmarkt. Das Land wird dauerhaft auf die Eigenversorgung, wenn nicht sogar auf Nettoimporte zurückfallen. Da aber die Schlachtkapazitäten noch unverändert sind, herrschte schon jetzt ein Überhang von 20 % an Schlachthaken. Daher gab es auf dem deutschen Markt einen extremen Wettbewerb um Schlachtvieh, der auch zu uns hereindrückt.
Immer mehr österreichische Bauern aus den Grenzregionen vermarkten ihre Stiere und Schlachtkühe nach Bayern. Ein längerfristiger Trend?
Habermann: Es hat hier einzelbetriebliche Versuche gegeben, Tiere in Deutschland zu vermarkten. Trotz des Preisunterschieds am Markt konnten diese Betriebe keinen nennenswerten Mehrwert lukrieren, da für jedes Tier eine Vorkostenpauschale von 50 € abgeführt werden musste. Da sich der deutsche Markt mittlerweile auch gedreht hat und ein deutliches Überangebot an schlachtreifen Tieren besteht, kann hier keinesfalls von einem Trend gesprochen werden.
Deutschland bezieht schon jetzt große Mengen an Rindfleisch aus dem Ausland. Nach den Niederlanden ist Österreich dort das zweitgrößte Importland. Wie wichtig ist das Nachbarland für uns?
Habermann: In der Corona-Pandemie konnte kein anderes Land außer Österreich die Rindfleischexporte nach Deutschland steigern. Damit die Exportvermarktung Richtung Deutschland überhaupt möglich wurde, haben wir bereits vor mehreren Jahren die QS-Anerkennung und Zertifizierung im Rahmen des AMA-Gütesiegels umgesetzt. Wir sind hier in der Vorreiterrolle und daher sehe ich auch künftig großes Potenzial, die fehlenden Rindfleischmengen in Deutschland mit österreichischer Produktion aufzufangen.
Der Import von Rindfleisch aus Südamerika ist eingebrochen. Aktuell ist kaum Ware auf dem europäischen Markt. Wohin liefern diese Länder nun?
Habermann: Stimmt! Aufgrund der geringen Nachfrage in Europa, ausgelöst durch die Lockdowns, haben Exportländer wie Argentinien und Brasilien den asiatischen Markt als alternatives Exportziel entdeckt. Dort sind sogar ganze Rindfleischkonzerne mehrheitlich in chinesischen Besitz gegangen. Aktuell ist südamerikanisches Rindfleisch auf dem europäischen Markt nicht mehr vertreten. Gefragte Teilstücke sind gar nicht bestellbar, weil sie ausverkauft sind. Die europäischen Lager sind leer!
Bleibt das so?
Habermann: Ich glaube, dass in ein, zwei Jahren wieder mehr Fleisch, v. a. Edelteile aus Südamerika in die EU importiert werden. Spätestens dann brauchen wir eine Herkunftskennzeichnung. In Österreich produzieren wir klimaneutrales Rindfleisch. Der CO2-Ausstoß pro kg Rindfleisch liegt bei uns bei 14,2 kg, bei brasilianischem Rindfleisch beträgt der Ausstoß 80 kg CO2! Das müssen die Verbraucher wissen.
Die Dynamik auf den Schlachtrindermärkten hat sich beruhigt, die Preise auf hohem Niveau stabilisiert. Können die Bauern endlich durchatmen?
Habermann: Der deutsche Schlachtrindermarkt hat sich in den letzten Wochen deutlich gedreht und ein Preisrückgang von 80 Cent war die Folge. Die Nachfrage hat sich fast überall beruhigt, zugleich fallen die Schlachtmengen deutlich größer aus. Die Bauern dürften wochenlang Stiere zurückgehalten haben, die dann auf den Markt drängten. Ja, die verbesserten Preise lassen die Rinderhalter Luft holen. Allerdings haben die Bauern auch rekordmäßige Preissteigerungen bei Futtermitteln und Energie zu bewältigen. Vor dem Hintergrund der vergangenen Durststrecke sind die aktuell hohen Preise notwendig, um die Verluste auszugleichen.
Wie werden die Konsumenten auf die Preissteigerungen bei Rindfleisch reagieren?
Habermann: Die Preiserhöhungen kommen nun mit etwas Verzögerung auch bei den Konsumenten an. Wenn die Verbraucherpreise in einer Größenordnung von etwa 20 % angehoben werden, dann wird das möglicherweise einen Konsumrückgang bewirken. Ein Ausweichen auf Schwein oder Geflügel scheint wenig wahrscheinlich, da auch dort die Preise ansteigen werden.
Neben den Stierpreisen sind auch die Preise für Schlachtkühe in die Höhe geschossen. Wie ist dort die Marktlage?
Habermann: Der österreichische Schlachtkuhmarkt ist ein reiner Exportmarkt, daher schwanken die Preise dort stark. Als z. B. Ende 2021 mehr Kühe geschlachtet wurden, sind die Preise sofort von knapp 3 €/kg auf 2,70 € gesunken. Damals lautete das Gebot, Kühe zurückzuhalten und erst Anfang dieses Jahrs zu schlachten. Allerdings war die Abgabebereitschaft von Schlachtkühen der österreichischen Bauern auch im Frühjahr gering und die Exportnachfrage weiterhin sehr gut. Zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ist der Preis von 2,34 € auf 3,71 € je kg gestiegen.
Wie kann man die Schwankungen künftig abfedern?
Habermann: Entscheidend ist die Steuerung des Marktes. Die Arge Rind gibt immer Empfehlungen ab, wann Kühe auf den Markt kommen sollten. Außerdem haben wir eine gute Partnerschaft mit den Handelsketten. Die Jahresplanung treffen wir üblicherweise im Dezember. Heuer gab es aber aufgrund der außergewöhnlichen Entwicklung schon zwei Anpassungsrunden. Das österreichische Modell der Erzeugergemeinschaften dämpft so die extremen Pendelschläge des Weltmarktes.
Wie geht es mittelfristig weiter?
Habermann: Wir haben jetzt Ende April. In den vergangenen 30 Jahren sind um diese Jahreszeit die Preise immer gefallen. Aufgrund der aktuellen Ausnahmesituation ist es wahrscheinlich, dass die Hochpreisphase noch länger andauert. Allerdings wird es kein „Allzeithoch“ für zwei oder drei Jahre geben. Ich erwarte, dass Südamerika wieder auf den Markt kommt und auch in Deutschland die Höchstpreise nicht dauerhaft halten.