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Politisches Feilschen um die Galgenfrist für Vollspalten

Die Frist bis 2040 für das Verbot der unstrukturierten Vollspaltenbucht hat der VfGH gekippt. Die Grünen fordern ein Aus mit 2030, die Schweinebörse will eine Frist von 10 bis 15 Jahren.

Lesezeit: 5 Minuten

Das Verbot der unstrukturierten Vollspaltenbucht wurde 2022 besiegelt. Die damals von der Politik zugesagte Übergangsfrist bis 2040 hatte nur bis Anfang 2024 Bestand. Grund war ein Antrag der burgenländischen Landesregierung beim Verfassungsgerichtshof. Wie die Richter nun entschieden haben, sei die lange Übergangsfrist nicht im Sinne des Tierwohls und verzerre den Wettbewerb.

Bis Ende Mai 2025 braucht es eine Lösung für das Gesetz, sonst sind alle Stallungen mit diesem System ab 1. Juni 2025 verboten. Etwa 69 % aller Mastschweine in Österreich stehen in solchen Ställen, unter den Bauern herrscht großteils Ungewissheit, wie es weitergehen soll. Der zuständige Tierschutzminister Johannes Rauch von den Grünen ließ über die Medien ausrichten, dass er ein Verbot ab 2030 fordert. In einem Social Media Post auf einer Weide mit Schweinen erklärt er „auch ein Schwein hat‘s gern fein“ und will bis 2030 mehr Platz und Einstreu für die Tiere gesetzlich verankern. Weitere Forderungen sind eine Umstellungsförderung für die Landwirte und eine Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie.

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Grüne fordern First bis 2030

„Wer jetzt politisches Kleingeld wechseln möchte und den zuvor gemeinsam beschlossenen Reformprozess für mehr Tierwohl im Schweinebereich verlässt, riskiert die Versorgung der Österreicher mit heimischen Qualitätslebensmitteln“, erklärt Landwirtschaftsmininster Norbert Totschnig zum Vorstoß seines Kollegen. Er stehe für einen faktenbasierten, konstruktiven Dialog. „Man muss realistisch bleiben, 95 % des Schweinefleischs kommen aus konventionellen Systemen.“

Es soll noch in dieser Legislaturperiode eine Lösung gefunden werden. Da regulär im Herbst gewählt wird, bleibt nicht mehr allzu lange Zeit. „Eines ist klar, wenn wir die Übergangsfrist zu sehr verkürzen, haben wir keine heimische Produktion mehr“, meint der Minister. Die Bedeutung von Übergangsfristen liege insbesondere in den finanziellen Herausforderungen für Bauern bei der Umstellung ihrer Betriebe.

Bauern fehlt die Sicherheit

Schweinemäster Bernhard Doppler kann sich eine sechsjährige Umstellungsfrist fürs Vollspalten-Aus, mit Stroheinstreu und mehr Platz, wie vom grünen Minister gefordert, nicht vorstellen. Er hofft auf eine Lösung, die in der Praxis umsetzbar ist. Der Landwirt betreibt einen Maststall mit 700 Schweinen auf Vollspalten im Tullnerfeld. „Die 17-jährige Übergangsfrist war eine gute Lösung, wegen des Kostendrucks braucht man Planungssicherheit“, sagt der Landwirt. Diese geht vielen Bauern ab. Doppler hofft auf einen Kompromiss, „es braucht einen Dialog zwischen Konsumenten, Gesetzgeber und Landwirten“, sagt er.

„Ruhig bleiben“

Johann Schlederer, Geschäftsführer der Schweinebörse, rät den Bauern, ruhig zu bleiben und „abzuwarten“. Denn die Forderung von Minister Rauch, würde bedeuten, dass nur 10 bis 20 % der Betriebe bestehen könnten, „man wird nicht mit Gewalt eine ganze Branche umbringen“. Schlederer hält eine Übergangsfrist zwischen zehn und 15 Jah­ren für realistisch, „je länger desto besser“. Wobei es für jüngere Stallungen die Möglichkeit einer längeren Nutzung geben soll. Es müsse zwischen wirtschaftlichem Arbeiten für die Bauern und den Ansprüchen der Gesellschaft ans Tierwohl ein Konsens gefunden werden.

Branche verkleinert sich

Schon in den vergangenen Jahren ist ein Rückgang der Schweinebestände festzustellen. Wie Statistik Austria bekannt gab, wurden am Stichtag 1. Juni 2023 rund 2,57 Mio. Schweine gehalten, 60.520 Tiere (2,3 %) weniger als zwölf Monate zuvor. „Hier spielen vor allem die geänderten gesetzlichen Anforderungen an die Haltung, deren Ein­haltung mit hohen Investitionskosten und Mehraufwendungen einhergehen, eine entscheidende Rolle“, erklärt Franz Waldenberger, Präsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Gerade die vergangenen Jahre mit hoher Inflation hätten gezeigt, dass für viele Konsumenten der Preis das Hauptkriterium beim Einkauf von Lebensmitteln ist.

Franz Rauscher, selbst Schweinehalter und Obmann des Verbands Österreichischer Schweinebauern, sieht die Forderung von Rauch als Wahlkampfstart auf dem Rücken der Bauern: „Die Bauern brauchen vor allem Planungssicherheit. Investitionen können nicht leichtfertig getätigt werden. Oft sind diese über fast zwei Generationen abzubezahlen. Es braucht ein sicheres Familieneinkommen.“

Die Investitionsfreude im Schweinebereich ist gering, es würden kaum neue Ställe gebaut. „Wir haben viele Betriebsführer, die den Schritt eines Umbaus nicht mehr mitmachen, weil es keinen Hofnachfolger gibt. Andererseits gibt es Betriebe, die nach wie vor ihr Familieneinkommen hier sehen und bereit sind zu investieren – Investitionssicherheit vorausgesetzt.“

Einige Betriebe haben bereits auf Tierwohl-Systeme umgestellt. „So stieg seit 2021 die Anzahl an Bio- und Tierwohlschweinen um ein Drittel von 170.000 auf über 220.000. Anstatt eine neue Debatte vom Zaun zu brechen, braucht es Planungssicherheit und Anreize für Betriebe um in der Produktion zu verbleiben“, meint Rauscher.

Kosten für mehr Tierwohl

Die Höhe der Investition für den Umbau auf den neuen Standard sei schwer zu beziffern. „Wenn jemand nur die Trennwände der Kleingruppen wegnimmt, die Tröge umstellt und den Liegebereich neu gestaltet – sofern überhaupt möglich – werden die Kosten etwas verträglicher sein“, sagt Rauscher. In anderen Stallungen sei es wesentlich teurer, wenn große Umbauten gemacht werden müssen vom Boden, über die Belüftung und Kühlung bis hin zum Neu- oder Zubau. „Ich rate jedem Bauern, dass er zuwarten soll. Wer jetzt bauen will, hat 23 Jahre Investitionsschutz. Sollte es zu weiteren Verschärfungen kommen, werden diese nicht mehr so drastisch sein“, meint Schlederer.

Gedanken über einen Umbau macht sich auch Doppler, da er ein AMA-Betrieb ist, würde das Platzangebot pro Tier über die nächsten Jahre kontinuierlich angehoben. Welche Richtlinien es noch geben wird, ist derzeit noch unklar. Das Projekt „Innovationen für bestehende Aufzucht- und Mastställe für Schweine, zum Wohl von Tier und Mensch“ (IBeSt) arbeitet an Lösungen für bestehende Stallungen und an den Richtlinien, die künftig gelten sollen. Mit Ergebnissen ist erst 2026 zu rechnen (siehe S. 42).

„Es kommt darauf an, wie sich die Sache entwickelt, wenn ich neu baue, will ich nicht mehr Mastplätze, sondern einen modernen Stall, mit Arbeitserleichterungen“. Das Wichtigste ist dem Landwirt, wie vielen seiner Kollegen aber die Sicherheit: „Ich will nicht in ein paar Jahren wieder in derselben Situation sein.“

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