Dieser Beitrag ist zuerst im Magazin f3 - farm.food.future erschienen.
Es geht um das Verständnis, dass zum Fortbestehen auch Änderungen notwendig sind - Anonyme Hofnachfolgerin
„In keinem anderen Bereich sind Familie und Arbeit so nah beieinander wie in der Landwirtschaft. Bei uns zeigt sich das beim Thema Hofübergabe. Dabei geht es nicht um die Frage, an welchen Stellen der Betrieb digitaler aufgestellt werden kann oder welche Nische für uns vielleicht eine Start-up-Idee bereithält. Es geht um etwas viel Grundsätzlicheres. Es geht darum, das Lebenswerk meiner Eltern wertzuschätzen und fortzuführen. Und es geht um das Verständnis, dass zum Fortbestehen auch Änderungen notwendig sind.
„Wir suchen eine Lösung, mit der sich alle arrangieren können.“
Meine Eltern leiten einen Milchviehbetrieb in Schleswig-Holstein mit etwa 110 Milchkühen. Zusätzlich haben wir 60 Bullenplätze, da wir neben der Nachzucht auch die Bullen behalten. Den Feldfutterbau machen wir selbst und bewirtschaften derzeit 60 ha Ackerland und 40 ha Grünland. Lange Zeit war offen, ob und wie es für den Betrieb weitergeht. Ich habe mich erst auf dem zweiten Bildungsweg für ein Agrar-Studium und damit auch für den Hof entschieden. Nur: Mein Freund ist ebenfalls Betriebsnachfolger. Er bewirtschaftet im Nachbarort einen Milchviehbetrieb mir 400 Milchkühen und 230 ha. Wir suchen derzeit für die Organisation der Betriebe eine Lösung, mit der sich alle arrangieren können: Wir als junge Familie mit zwei kleinen Kindern ebenso wie unsere Eltern. Am besten alle zusammen an einem Tisch. Doch hier stoßen wir an unsere Grenzen.
Respekt vor dem Lebenswerk
Die Krux an der Geschichte ist das Melken. Es ist für uns organisatorisch schlichtweg unmöglich – und nebenbei auch wirtschaftlich nicht sinnvoll –
weiterhin an zwei Standorten zu melken. Mit Blick auf die Betriebsstrukturen wäre es aber problemlos möglich, den Standort meiner Eltern für Jung- und Masttiere sowie die Kälberaufzucht zu nutzen. Für meinen Vater ist das Melken jedoch der Kern (s)eines Milchviehbetriebes. Er blockt daher jegliche Gespräche zur Hofnachfolge – die immerhin schon in zwei Jahren ansteht – ab.
Geht es dagegen um einzelne Bereiche, klappt die Zusammenarbeit gut. Nach meinem Studium habe ich zum Beispiel die Tränkesysteme und Fütterung der Kälber umgestellt. Kein Problem. Wenn die Kühe aber weggehen, so sagt er, kann er sich ein Leben auf dem Hof nicht mehr vorstellen. Für mich als Hofnachfolgerin ist das eine total schwierige Situation. Ich möchte meinem Vater auf gar keinen Fall in den Rücken fallen. Der Hof ist sein Lebenswerk und da habe ich absolut Respekt vor. Bloß: Ich kann ihn nicht so weiterführen, wie er es will.
Ich biete dem Betrieb eine Perspektive. Ich wünsche mir, dass dies auch als solche wahrgenommen wird. - Anonyme Hofnachfolgerin
Wenn ich also Wunschkonzert spielen darf, wünsche ich mir eine für alle zufriedenstellende Lösung. Ich möchte den Betrieb weiterführen. Und ich möchte, dass der Standort eine Bedeutung behält. Irgendwo im Hinterkopf wird auch meinem Vater klar sein, dass sich etwas ändern muss. Ich biete seinem Betrieb eine Perspektive. Ich wünsch mir, dass dies auch als solche wahrgenommen wird.“