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Drainagen: Unterirdisch. Unbekannt. Unverzichtbar.

Probegrabungen, historische Pläne und viel Messarbeit – so sieht die Suche nach Drainagen bisher aus. Das Start-up „Apus Systems“ setzt auf Luftbilder, um ein digitales Drainagen-Kataster zu erstellen

Lesezeit: 8 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst im Magazin f3 - farm.food.future erschienen.

In Deutschland gibt es laut Bundesumweltamt rund 11,7 Mio. Hektar Ackerfläche und rund 4 Mio. Hektar Grünland. Ein Großteil dieser Flächen wäre für die Landwirtschaft nicht zu gebrauchen, wenn unter ihr keine Drainagen vergraben wären. Ohne das kilometerlange unterirdische Netz aus Entwässerungsrohren, die überschüssiges Wasser ableiten, käme es auf den meisten Äckern zu Staunässe. Eigentlich also eine gute Sache, die vor mehreren Jahrzehnten installiert wurde. Wäre da nicht das Problem mit der fehlenden Dokumentation des unsichtbaren Geflechts.

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Während die Flächeneigentümer oder Pächter heute kaum noch neue Drainagen verlegen, müssen die alten Systeme instandgehalten werden. Doch wie sollen sie etwas reparieren, ohne zu wissen, wo es liegt? Um dieses Problem kümmern sich seit acht Jahren Mario Hehne und Fabian Naumann. Der Diplomgeograph und Ingenieur haben das Start-up „Apus Systems“ gegründet. Die beiden Dresdner spüren deutschlandweit bestehende Drainagesysteme auf. Skurrilerweise geschieht das Ganze mittels Drohnenaufnahmen aus der Luft.

Die Pflanzen als Zeiger

Wenn die Rede von unterirdischen Rohren ist, gerät wohl nur ein Geograph ins Schwärmen. Doch wenn Mario Hehne davon erzählt, was für den Laien unsichtbar ist, zeigt sich seine Leidenschaft: „Wir bedienen uns einer Technik, die in der Archäologie Verwendung findet. Wir nutzen die Ackerkulturen als Zeiger für den Verlauf der Drainage.“ Die Drainagerohre liegen etwa 70 bis 80 cm unter der Erdoberfläche. Mithilfe von Luftbilder und viel Know-How ist das Netz jedoch dennoch von oben sichtbar: „Wenn etwas im Boden liegt, beeinflusst es das Wachstum der Pflanzen. Direkt über der Drainage liegt ein anderes Nährstoffverhältnis vor. Das Wasservorkommen ist ideal und die Pflanze kann höher und kräftiger wachsen“, so der 42-Jährige.

Wir nutzen die Ackerkulturen als Zeiger für den Verlauf der Drainage. - Mario Hehne

Für diese Aufnahmen ist jedoch nicht jede Jahreszeit geeignet. „Am häufigsten nutzen wir das Wuchsstadium im Frühjahr für die Aufnahmen“, erklärt Mario Hehne. Wenn Gerste, Weizen oder Raps zu schossen beginnen, also in die Länge wachsen, sind die unterschiedlichen Bodenbedingungen besonders sichtbar. „Beim Raps ist es bis zur Blüte möglich. Beim Getreide nach der Schossphase erst wieder, wenn es abreift.“ Dann ist das Getreide direkt über der Drainage noch grün, während es daneben schon abgereift und gelb ist. Die Luftbildaufnahmen funktionieren ebenfalls auf unbestellten Flächen nach einem Regenschauer. „Über dem Drainagerohr trocknet der Boden schneller ab“, erklärt der Gründer.

All diese Erfahrungswerte haben sich er und sein Mitgründer über die Jahre selbst angeeignet. Denn bisher sei kein vergleichbares Unternehmen auf dem Markt, was ähnliche Arbeiten anbietet. Gefragt ist ihre Arbeit besonders in Ostdeutschland auf dem Gebiet der ehemaligen DDR.

Dort kann es vorkommen, dass eine einzige Drainage 50 Eigentümern gehört. Denn damals war das Thema Drainage staatlich glenkt.

Staatliche Genossenschaften drainierten in großem Stil Ackerflächen. Die Rohre kamen unabhängig von Flurstückgrenzen unter die Erde. Der Boden gehörte zwar dem Flurstückseigentümer, die Drainage aber dem Unternehmen, das sie verlegt hat. Erst seit der Wiedervereinigung ist die Drainage wieder an das Flurstück gekoppelt. Ihr Verlauf hält sich jedoch nicht an die Grundstücksgrenzen.

Man weiß nie, ob die historischen Pläne auch der Realität entsprechen. Nur die Kombination mit neuen Überfliegungen macht es sicherer, die Drainagen zu finden" - Mario Hehne

Auf der Suche nach den Drainagen prüfen die Jungunternehmer als erstes, ob es alte Flächenpläne gibt, die einen Anhaltspunkt über ihren Verlauf geben könnten.“Seit 1975 wurde zwar flächendeckend ein Meliorationskataster – ein Drainagenverzeichnis – angelegt. Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung wurde das Kataster jedoch aufgelöst.

Zum Teil wurden die Pläne vernichtet, weil keine Kenntnisse über die Wichtigkeit der Unterlagen bestanden“, erzählt der Geograph. Meistens ist es also die Kombination aus historischem Kartenmaterial, mathematischer Modellierung und neuen Luftbildaufnahmen, die zum Erfolg führt. So die Theorie.

Die Idee

„Man weiß nie, ob die historischen Pläne auch der Realität entsprechen. Nur die Kombination mit neuen Überfliegungen macht es sicherer, die Drainagen zu finden“, erzählt Mario Hehne. Die Kosten für die digitalen Pläne, die bei der Arbeit des Start-ups entstehen, liegen inm zweistelligen Bereich pro Hektar. „Die Zeit mit der Drohne über dem Acker können wir gut vorab kalkulieren.“ Anders sieht es aus, wenn das Team historische Karten studiert. „Das ist relativ unkalkulierbar.“ Je kleiner der Betrieb ist, desto teurer ist das Ganze pro Hektar.

Mir wurde während meiner Ablschlussarbeit klar, dass im Bezug auf das Drainagesystem zukünftig große Probleme auf die Landwirte zukommen." -Mario Hehne

Die Idee für das Unternehmen entstand schon während Studienzeiten an der TU Dresden. „Das Geographiestudium mit der Spezialisierung Geologie und Wasserwirtschaft hat es mir ermöglicht, die Melioration in meiner Abschlussarbeit neu zu denken. Mir wurde während meiner Ablschlussarbeit klar, dass im Bezug auf das Drainagesystem zukünftig große Probleme auf die Landwirte zukommen.“

Fördergelder für den Start

Kurzerhand setzte Mario Hehne alles in Bewegung, um Fördergelder zu akquirieren, um sein Start-up zu gründen. Die „Gründungsschmiede“ der HTW Dresden, gab dem Start-up die nötige Unterstützung. Neben Büroräumen stellte die HTW auch eine Betreuerin sowie Kurse zur Selbständigkeit. „Wir hatten zu diesem Zeitpunkt zwar vereinzelte Anfragen von Agrarbetrieben, aber wir mussten den Schritt in die breite Masse wagen. Uns war klar, dass keiner auf ein Anschreiben von zwei unbekannten Absolventen reagieren würde“, erinnert er sich. So entstand die Idee für ein eigenes Symposium.

Wir waren bei Weitem noch nicht perfekt in unserer Ideenumsetzung. Aber wir haben den potenziellen Kunden nicht das Blaue vom Himmel versprochen. Das kam gut an." - Mario Hehne

Schon zur Auftaktveranstaltung des ersten „Fachsysmposium Melioration“ 2012 an der HTW Dresden kamen mehr als 80 Interessierte. „Die Anwesenden waren meistens Personen aus der Geschäftsführung von großen Agrarbetrieben der neuen Bundesländer“, so der damalige Absolvent.

Auf die Frage, ob das Unternehmen schon etwas vorzeigen könne, setzten die Gründer auf Offenheit. „Wir waren bei Weitem noch nicht perfekt in unserer Ideenumsetzung. Aber wir haben den potenziellen Kunden nicht das Blaue vom Himmel versprochen. Das kam gut an“, erinnert er sich. Das junge Start-up konnte so seine Idee gezielt mit den Betrieben weiterentwickeln.

Die ersten Aufträge kamen im Anschluss ins Haus. Auch heute noch findet die Akquise über das Symposium statt. Alle zwei Jahre kommen rund 160 Interessierte dafür nach Dresden. Eine weitere Akquise erfolgt über Messen wie die Agritechnica oder regionalen Messen in Thüringen.

Nähe zur Hochschule

Seit dem ersten Gründungstag trägt sich das Unternehmen selbst. Technische Geräte mussten zwar finanziert werden, konnten aber vom ersten Tag an zurückgezahlt werden. Derzeit überlegen die Gründer, ihr Team zu vergrößern. Denn die Unternehmer haben ein weiteres Aufgabengebiet ins Auge gefasst: Den Straßenbau.

Der Bau von Umgehungsstraßen oder Autobahnen erfolgt meist mitten durch landwirtschaftliche Flächen. „Häufig entstehen neben den neuen Trassen vernässte Ackerflächen. Die Drainagen werden beim Straßenbau einfach durchtrennt. Die betroffenen Flächen eignen sich im Anschluss nicht mehr für den Ackerbau“, erklärt Mario Hehne.Apus Systems wird mittlerweile von Planungsbüros angefragt, um vor Baubeginn den Drainageverlauf zu klären und diese Problematik so zu umgehen.

Ökologisches Anliegen?

Kritiker der Drainage gibt es schon so lange wie die Drainage selbst. „Flächen, die sonst gar nicht bewirtschaftbar waren, mussten zur Nahrungsmittelsicherheit nach dem Krieg beackert werden. Ökologie wurde damals nicht beachtet. Heute schon“, weiß auch Mario Hehne.

Während Kritiker Drainagen als Einträger von Schadstoffen in Gewässer anführen, sehen die Gründer das Thema mit anderen Augen. „Wir haben schon Flächen zurück in die Renaturierung gebracht.“ Und zwar dann, wenn sich die Bewirtschaftung der Drainage als so teuer entpuppt, dass sich eine Bewirtschaftung der Ackerfläche eigentlich gar nicht lohnt.

Bilder von Acker und Pflanze

„Mit unseren Kenntnissen können wir dazu beitragen, Gewässer in ihrer Güte zu verbessern. Durch sogenannte Drainteiche lässt sich die Einleitung von Schadstoffen reduzieren“, so der Gründer. Das Wasser, was in den Vorfluter gelangt, könne dadurch vorher gefiltert werden. Die Möglichkeiten, die Drainage für eine Verbesserung der Gewässergüte zu nutzen, sei in Deutschland zwar noch nicht etabliert, in Nordeuropa gäbe es jedoch bereits Forschungsprojekte dazu. „Das Potenzial ist in Deutschland noch nicht ausgenutzt. Wir arbeiten gerade erst daran, das Thema wieder in die Politik und Wirtschaft zu bringen.“

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