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C02-Zertifikathandel

„Kein Klimaschutz durch Humusaufbau“

Den Ackerboden aufwerten, gleichzeitig das Klima schützen und dafür auch noch entlohnt werden – klingt verlockend. Doch ist der Handel mit CO2-Zertifikaten schon ausgereift?

Lesezeit: 5 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst im Magazin f3 - farm.food.future erschienen.

David Tokarski, Berater für Bodenfruchtbarkeit und Pflanzenernährung, sieht das Thema mit kritischen Augen.

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f3: Herr Tokarski, glauben Sie an den CO2-Zertifikathandel zwischen Landwirten und Unternehmen?

David Tokarski: Generell finde ich das Modell gut. Es ist jedoch noch nicht ausgereift. Die Inputwerte, die das Modell füttern, stimmen einfach noch nicht. Den Humusgehalt eines Bodens als alleinige Messgröße festzulegen, ist zu wenig.

f3: Bisher werben Zertifikathändler damit, dass sich pro Hektar rund 10 t CO2 pro Jahr speichern lassen. Halten Sie das für realistisch?

Tokarski: Nein. Hier stellt sich ganz klar die Frage nach der Form, in der das CO2 im Boden gebunden wird. Handelt es sich um Dauerhumus oder Nährhumus? Letzterer wird nämlich innerhalb nur eines Jahres vollständig umgesetzt bzw. mineralisiert. Dauerhumus hingegen ist über Jahre sehr stabil.

Die Erhöhung des Humusgehaltes über mehr als ein Jahr bzw. konstant über Jahrzehnte hinweg ist nicht unmöglich – jedoch sehr schwierig" - David Tokarski

f3: Was macht eine dauerhafte Humusanreicherung in Ihren Augen so schwierig?

Tokarski: Die Erhöhung des Humusgehaltes über mehr als ein Jahr bzw. konstant über Jahrzehnte hinweg ist nicht unmöglich – jedoch sehr schwierig. Dieses Ergebnis liegt bereits aus zahlreichen Untersuchungen von landwirtschaftlichen Dauerfeldversuchen vor.

Es kommt auf den Dauerhumus an

f3: Das werden die Vertreter der regenerativen Landwirtschaft nicht gern hören. Wie kann es sein, dass die genannten Dauerfeldversuche keine Erhöhung des Humusgehaltes aufweisen, die Erfahrungen von Landwirten, die Humusaufbau betreiben, aber durchaus positiv sind?

Tokarski: Ja, über kurze Zeit ist der Humusaufbau positiv. Die Dauerfeldversuche weisen aber nur über viele Jahrzehnte signifikante Erhöhungen auf. Deshalb sind langjährige Dauerfeldversuche für die Untersuchung von Humus so attraktiv und überaus wichtig für das Verständnis der Humusdynamik.

Der größte Teil des zugeführten Humus besteht aus Kohlenstoff, der leicht umsetzbar ist und dem Boden über kurze Zeit wieder verloren geht, also Pflanzenrückstände wie Stroh und Wurzelmasse. Die signifikante Anreicherung von Dauerhumus über kurze und lange Sicht ist somit sehr schwierig bzw. aufwendig. Darüberhinaus beeinflusst die Witterung biologische Umsetzungsprozesse des Humus – inklusive Kohlenstoff – im Boden. Dadurch kann es auch zu dynamischen Schwankungen der Humuswerte innerhalb von ein paar Jahren kommen. Dies wurde ebenfalls durch Dauerfeldversuche gezeigt.

Zu geringe Bestimmungsgrenzen

f3: Woran fehlt es noch bei der Umsetzung?

Tokarski: Die standardisierten Messmethoden für die Humusbestimmung sind für den CO2-Zertifikathandel zu ungenau. Das lässt sich schon anhand der geringen Bestimmungsgrenzen erkennen. Sie liegt bei lediglich < 0,1 bis < 0,2 %. Das heißt: Auf 1 kg Boden kommen 1 bis 2g Humus. Doch das ist nicht das einzige Problem.

Nicht nur der Gesamthumusgehalt ist für das Modell des CO2-Zertifikathandels wichtig, sondern ebenso der Zustand des Humus" - David Tokarski

f3: Woran fehlt es noch?

Tokarski: Nicht nur der Gesamthumusgehalt ist für das Modell des CO2-Zertifikathandels wichtig, sondern ebenso der Zustand des Humus. Hierbei geht es um genaue Informationen über die Humusmenge und die Qualität unterschiedlicher Humusformen. Handelt es sich um labilen Humus, also Nährhumus wie Stroh, Pflanzen- und Wurzelrückstände? Oder liegt stabiler Humus, also Dauerhumus aus stabilem organischem Dünger wie Stallmist, Gülle oder Gärsubstraten vor? Letzterer bringt einen Humusanteil, der über Jahre hinweg akkumuliert bzw. festgelegt wurde – über lange Zeit akkumuliert und im Gleichgewichtszustand. Nur in diesem Fall wäre das CO2 stabil im Boden gebunden.

Neue Faktoren im Zertifikathandel?

f3: Gibt es schon wissenschaftliche Methoden, die Art des Humus genau zu bestimmen?

Tokarski: In den vergangenen fünf Jahren hat das Labor der LKS – Landwirtschaftliche Kommunikations- und Servicegesellschaft mbH – gemeinsam mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden und der TU Dresden ein Verfahren entwickelt, mit dem es möglich ist, den Humus landwirtschaftlicher Flächen qualitativ zu bewerten. Es heißt Thermogravimetrische Bodenanalyse. Kurz: BeVOS – Bewertung der Versorgung von Böden mit Organischer Substanz. Damit ist es möglich, Aussagen über kurzfristige, also ein bis zwei Jahre, und langfristige, fünf bis zehn Jahre, Versorgung des Bodens mit Humus zu tätigen. Inputgrößen wie die Humusqualität könnten das Modell des CO2-Zertifikathandels essentiell verbessern. Die Stabilität des Humus mit Aussagen über Nährstoffverfügbarkeit, Nährstofffreisetzung und Wasserhaltefähigkeit in landwirtschaftlichen Böden sind hierbei von großer Bedeutung. Diese Faktoren sollten also in den Zertifikathandel mit einfließen.

f3: Gehen die Landwirte Verpflichtungen ein, wenn sie mit CO2-Zertifikaten handeln?

Tokarski: Die Landwirte verpflichten sich, den Humusgehalt durch Humusaufbau innerhalb von zwei bis fünf Jahren zu erhöhen. Um dieses Ziel zur erreichen, sind jedoch immer mehr als fünf Jahre nötig.

f3: Wo liegt der Preis derzeit für 1t CO2-Amortisierung?

Tokarski: Das ist schwer zu sagen. Eines der bekannteren deutschen Unternehmen bietet derzeit die Zertifikate für rund 54 € pro Tonne gespeichertem CO2 an. (siehe unten)

Ich denke, dass der CO2-Handel, wie er bisher verläuft, vorerst ein Nischenmodell ist und bleiben wird" - David Tokarski

f3: Wie schätzen Sie als Bodenexperte den derzeitigen Zustand der deutschen Ackerböden ein?

Tokarski: Bezüglich der Humusgehalte würde ich sagen, dass die deutschen Ackerböden gut bis sehr gut versorgt sind. Natürlich ist das immer von den Standorten (Bodenarten, Witterung, Klima), der Düngung und den Fruchtfolgen abhängig. Aber heutzutage strebt meiner Meinung nach jeder Landwirt danach, das Beste aus seinem Boden herauszuholen. Damit meine ich Humusaufbau durch Zwischenfrüchte, Optimierung bei der Ausbringung von Wirtschaftsdüngern und beispielsweise eine ausgeglichene Fruchtfolge.

f3: Wie sehen Sie den Imagevorteil für Landwirte als „Klimawirte“?

Tokarski: Denkbar ist ein positiver Imagegewinn. Ob er nachhaltig ist, das wird die Zukunft zeigen. Der CO2-Handel, wie er bisher verläuft, ist und bleibt vorerst jedoch ein Nischenmodell.

f3: Kann durch Humusanreicherung ein sichtbarer Beitrag zum Klimaschutz erfolgen?

Tokarski: Zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Die vorgegebenen Zeitfenster sind einfach zu kurz.

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