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Wie aus landwirtschaftlichen Reststoffen eine nachhaltige Plastik-Alternative entsteht

Plastik war gestern: Die Gründerinnen des Start-ups „Traceless Materials“ nutzen kompostierbare Biomaterialien aus Agrarreststoffen als Ersatz für Plastik. Offenbar kommt die Idee an.

Lesezeit: 5 Minuten

Wurden vor rund 70 Jahren weltweit jährlich rund 1,5 Millionen Tonnen Kunststoff produziert, waren es 2018 ganze 359 Millionen Tonnen. Um zur Lösung dieses Problems beizutragen, haben die Hamburgerinnen Dr. Anne Lamp und Johanna Baare eine kompostierbare Plastikalternative aus Biomasse entwickelt, die in kurzer Zeit biologisch abbaubar und vor allem für Verpackungen und Einwegprodukte geeignet sein soll. Dafür hat ihr Start-up „Traceless Materials“ kürzlich eine Millionenförderung des Europäischen Innovationsrats (EIC) erhalten und kann nun die Produktion ausbauen. Wir sprachen im Interview mit CEO Dr. Anne Lamp.

Mit Ihrer Technologie wandeln Sie ihr Abfälle aus der Agrarindustrie in eine Alternative zu herkömmlichen Frischhaltefolien, Hartplastikverpackungen oder Kunststoffbeschichtungen um. Welche Abfälle und Reststoffe nutzen Sie?

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Dr. Anne Lamp: Wir nutzen Reststoffe der Getreideverarbeitung, zum Beispiel aus der Stärkeproduktion oder aus Brauereien. Getreide wird weltweit angebaut und ist das am häufigsten produzierte landwirtschaftliche Gut. Diese Rohstoffe werden auch „Second Generation Biomass“ genannt und sonst als Energiefutter an Tiere verfüttert. Da die Nährstoffe in diesen Reststoffen jedoch nicht so gut von Tieren verarbeitet werden können, sind sie nicht so beliebt. Gut für uns, denn auf dem globalen Markt sind diese dementsprechend günstig und vor allem weltweit verfügbar.

Wir schaffen eine Verbindung zwischen der Kunststoffindustrie und der Argarindustrie. traceless bietet bietet für die Herausforderungen beider Industrien eine Lösung, und ist so das Bindeglied zu einer biozirkulären Wertschöpfungskette. Wir arbeiten mit einem internationalen Hersteller zusammen, der seine Rohstoffe wiederum lokal bezieht. Natürlich sind für uns auch heimische Rohstoffe interessant, da wir bei allem was wir tun, stets das große Ganze im Blick haben. Wir wollen so klimaschonend wie möglich produzieren, da gehören kurze Lieferwege dazu.

Wie funktioniert Ihr Geschäftsmodell?

Lamp: Wir haben ein lagerstabiles Material entwickelt, das die Eigenschaften herkömmlicher Kunststoffe bietet und gleichzeitig in der Natur abbaubar ist. Dieses bieten wir in verschiedenen Varianten an: als flexible Folie, feste Alternative zu Hartplastik oder als hauchdünne Beschichtung. Damit eignet es sich für eine Vielzahl von Produktanwendungen, kann eingefärbt, bedruckt, spritzgegossen und extrudiert werden, ist lagerstabil und hat gute Barriereeigenschaften.

Besonders macht unser traceless Material, dass es preislich konkurrenzfähig zu herkömmlichen Kunststoffen ist und alle Wirkungsindikatoren berücksichtigt: Es ist biobasiert, aus Nebenprodukten der Agrarindustrie hergestellt und konkurriert daher nicht mit der Lebensmittelproduktion. Es basiert auf natürlichen Polymeren und ist deshalb in der Umwelt kompostierbar. Es ist sicher für Mensch und Natur, da wir komplett auf die Verwendung von schädlichen Zusatzstoffen und Lösungsmittel verzichten. Und dank unserer zum Patent angemeldeten Technologie erzielt traceless deutlich geringere CO2-Emissionen.

Wer ist Ihre Zielgruppe?

Lamp: Wir produzieren unser Material in Form eines Granulats. Dieses Granulat kann von der kunststoffverarbeitenden Industrie mit bestehenden Fertigungsprozessen zu flexiblen Folien, Formteilen, Beschichtungs- und Klebstoffanwendungen weiterverarbeitet werden. Damit ist es für eine Vielzahl von Produkten geeignet. Langfristig wollen wir mit unseren Materialien die plastikverarbeitende und die Verpackungsindustrie überzeugen, um damit das Problem bei der Wurzel zu packen. Dazu wollen wir so viele Anwendungsfälle wie möglich abdecken. Wir wollen traceless nicht nur anwendbar für Plastiktüten machen, sondern auch für Produkte wie Einmal-Besteck, Strohhalme oder sogar Schuhsohlen, deren Abrieb als Mikroplastik in der Umwelt landet.

Wir schaffen eine Verbindung zwischen der Kunststoffindustrie und der Argarindustrie.

Unser Ziel ist es, in diesem Bereich marktführend zu sein. In den nächsten Jahren wollen wir zudem unsere Marke soweit ausbauen, dass traceless zu einer Ingredient Brand wird, die Verbraucher eine ganzheitlich nachhaltige Alternative garantiert.

Wie groß ist das Interesse der Industrie bisher?

Lamp: Wir stoßen auf eine große Nachfrage. Unter Herstellern und Verarbeitern herrscht ein hoher Handlungsdruck, schnell Alternativen zum Plastik zu finden: Das Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten für Nachhaltigkeit ist gestiegen, die Hersteller nehmen ihre Verantwortung zunehmend ernst, und zusätzlicher Druck kommt von Seiten der Gesetzgebung. Diesen Moment sehen viele unserer Kunden als Chance, innovative Wege zu gehen und in neue Lösungen zu investieren. Wir hatten von Anfang an Kunden, die bereits in einem frühen Stadiums das Potential von traceless gesehen haben, und bereit waren uns in unserer Pionierarbeit zu unterstützen.

Unter Herstellern und Verarbeitern herrscht ein hoher Handlungsdruck, schnell Alternativen zum Plastik zu finden.

Aktuell arbeiten wir mit einigen Leuchtturm-Kunden aus Handel und Konsumgüterindustrie daran, Pilotprodukte aus unseren Materialien auf den Markt zu bringen. Aber auch unsere direkten Kunden aus der Kunststoffverarbeitenden- und Verpackungsindustrie zeigen bereits großes Interesse, und unterstützt uns bei unserer Entwicklung. Und nicht nur auf Kundenseite ist die positive Resonanz da - wir arbeiten bereits mit einigen weiteren Partnern, um gemeinsam eine biozirkuläre Wertschöpfungskette aufzubauen.

Was sind die nächsten Schritte?

Lamp: Natürlich können wir Produktionskapazitäten in industriellem Maßstab nicht über Nacht errichten. Noch sind wir in der Pilotphase und es gibt viel zu tun – aber das Ziel ist klar. Anfang des Jahres haben wir unsere Pilotanlage in Betrieb genommen. Dort können wir nun Material für erste Produkte aus traceless produzieren. Wir arbeiten mit einigen ersten Kunden in der Produktentwicklung zusammen, und bringen im Lauf des Jahres diese ersten Anwendungen auf den Markt.

Zudem investieren wir Arbeit in Kommunikation: Damit traceless sein Potential voll entfalten kann, ist es wichtig, ein Verständnis für die neue Generation Biomaterialien zu entwickeln. Unser Material sieht aus wie Plastik, und fühlt sich an wie Plastik. Zumindest aus aktueller Sicht, denn eigentlich gehen wir damit zurück an die Wurzeln der Kunststoffgeschichte. Viele der ersten Kunststoffe basierten auf natürlichen Polymeren, beispielsweise Zellglas, das Anfang des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde. Dann wurde das Feld lange vernachlässigt, die konventionelle Kunststoffindustrie hat sich stattdessen Jahrzehntelang nur um die Entwicklung fossil-basierter, synthetischer Stoffe gekümmert.

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