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Anpaarung: Mit drei Zahlen zu Mr. Right

Die aAa-Methode zielt darauf ab, den Zusammenhang zwischen Körpermerkmalen zu verstehen und den passenden Bullen für die Anpaarung zu finden. Wie funktioniert das System?

Lesezeit: 9 Minuten

Züchten bedeutet, die nächste Generation zu verbessern. Dafür müssen sich Kuh und Bulle gut ergänzen, um Stärken zu fördern und Schwächen auszugleichen. Es gibt jedoch viele Kriterien, mit denen man den passenden Bullen auswählen kann. Beispielsweise die genomischen Daten, das lineare Profil, das Pedigree oder die Leistungen der Kuhfamilie. Eine weitere Methode für die Anpaarung beschreibt das aAa-System.

Proportionen verstehen

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Das Ziel dieser Anpaarungsmethode, umgangssprachlich auch „Tripel-A“ genannt, ist es, eine möglichst ausgeglichene Herde zu züchten und Tiere mit Extremen im Körperbau zu vermeiden. Anders als bei der linearen Beschreibung steht ­dabei nicht das Einzelmerkmal, wie z. B. Milchtyp oder Strichlänge, sondern die Gesamtheit der Körperproportionen im Vordergrund. „Der Körperbau bestimmt, wie eine Kuh funktioniert“, erklärt Maurice Kaul. Der Niederländer arbeitet seit 1997 als aAa-Analyst in Deutschland und den Niederlanden für das Unternehmen aAa-Weeks (siehe unten „Wer steckt hinter aAa?“). „Die einzelnen Körperteile beeinflussen sich gegenseitig“, ergänzt er. Beispielsweise bietet ein schmales Becken wenig Platz für das Euter. Das Hintereuter kann sich dann im Laufe der Laktationen nicht in die Breite entwickeln und hat wenig Halt.

Zudem gibt es Beziehungen zwischen dem Körperbau und der Physiologie eines Tieres wie z. B. dem Blutkreislauf. Kühe mit einem größeren Brustkorb haben laut Kaul beispielsweise viel Platz für Herz und Lunge und dadurch einen leichteren Blutfluss. Das beeinflusse die Milchleistung.

Sechs Grundtypen

Die Tiere benötigen einen dreistelligen Zahlencode, um sie nach dieser Methode anpaaren zu können. Dafür sehen sich Kaul und seine Kollegen von aAa-Weeks jedes Tier gründlich an. Für die Analyse der Kühe bilden sechs Körperbaumuster die Basis. Die Reihenfolge der Zahlen gibt dabei die Schwächen der Kuh in absteigender Wichtigkeit an. Die erste Zahl beschreibt also die größte Schwäche.

Jede Zahl steht für einen Kuhtypen (siehe Übersicht):

1 = Dairy: sehr leistungsbereit, produzieren viel Milch im Verhältnis zu ihrer Größe, gute Melkbarkeit.

2 = Tall: schnelles Wachstum, hohes, elastisches Euter, das sich einfach melken lässt.

3 = Open: offenes Becken bietet viel Platz für das Euter, kalben problemlos, gute Fruchtbarkeit, einfache Bewegung.

4 = Strong: Entwicklungspotenzial im Erwachsenenalter, Gesundheit in Euter, Beinen, Klauen und Lunge, tiefer Brustkorb, hohe Herz- und Lungenkapazität.

5 = Smooth: mehr Breite, einfach zu melken, gute Fresslust und Futteraufnahme, weniger Verletzungen an Zitzen und Beinen durch leichtes Aufstehen.

6 = Style: aufmerksamer Charakter, solide Knochen, ebenes Becken, gute Klauengesundheit.

Beispiel: Eine Kuh bekommt den Code 1-5-6. Die erste Zahl bedeutet, dass sie wenig milchtypische Qualitäten hat. Außerdem fehlen ihr Eigenschaften der Typen fünf und sechs. Um diese Schwächen in der nächsten Generation auszugleichen, ist also ein Bulle nötig, der ebenfalls den Code 1-5-6 trägt und dort die meisten Qualitäten bietet.

Wichtig zu wissen ist, dass sich alle sechs Grundtypen auf einem Niveau befinden. Qualität Dairy ist also nicht besser oder schlechter als Qualität Style. „Wir sprechen ganz bewusst nicht von einer Bewertung, denn es gibt bei diesem System kein gut oder schlecht. Wir brauchen alle Qualitäten und wollen wissen, welche Typen eine Kuh für eine ausgeglichene Nachzucht benötigt“, erklärt Kaul.

Wie entsteht der Code?

Im Rhythmus von acht oder auch zwölf Monaten besucht Kaul die mehr als 700 Betriebe, die er betreut. Nach der Analyse erhält jedes Tier einen dreistelligen Code. „Jedes Tier analysiere ich zweimal. Zuerst als Jungrind und dann nach der ersten Kalbung erneut“, so Kaul. Die beiden Codes unterscheiden sich meist nur minimal. „Manchmal kann es sein, dass sich die Reihenfolge der Zahlen untereinander ändert, neue Ziffern kommen aber nicht hinzu. 

Auch die Bullen der Besamungsstationen sind nach diesem Muster beschrieben und besitzen einen aAa-Code. Wenn die Bullen etwa zehn Monate alt sind, sieht sich Kaul diese zum ersten Mal an – als Jungbullen sozusagen. Auch hier gibt es einen zweiten Termin, sobald die Bullen töchtergeprüft sind. Der Code der Bullen ist allerdings entgegengesetzt zu dem der Kühe. Denn bei den Bullen setzt sich die Reihenfolge der Zahlen aus den Stärken zusammen, die er vererbt.

Nicht ohne Zuchtwerte

Da eine Vielzahl von Besamungsbullen identische aAa-Codes hat, ist eine engere Bullenauswahl vorab nötig. Erst wenn die Bullen feststehen, die eingesetzt werden sollen, kommen die Ziffern-Codes ins Spiel. „Die Betriebe wählen meistens nicht mehr als zehn Bullen aus, die sie dann vorrätig für die Besamung haben“, sagt Kaul. Da der Code jedoch nur für die Anpaarung von Einzeltieren gedacht ist, ist er für diese Vorselektion der Kühe oder Bullen nicht brauchbar. Zunächst müssen sich Landwirte mithilfe von konventionellen oder genomischen Zuchtwerten für Vererber entscheiden, die ihrem betrieblichen Zuchtziel entsprechen (z. B. + 1.000 kg Milch bei der Leistung oder positive Inhaltsstoffe etc.). Auch die Informationen aus dem Pedigree und der Kuhfamilie können hier eine Entscheidungsgrundlage sein.

„Schwierig ist es, Bullen mit dem Code 5-6-1 zu finden, da ist die Auswahl nicht so groß“, so der Analyst. Dann sei es wichtiger, dass der Code passt, als dass die Zuchtwerte optimal sind. Auch der Inzuchtgrad rücke eher in den Hintergrund. „Wir versuchen, die Kuh ganzheitlich zu betrachten und Zusammenhänge zu verstehen. Ohne die aAa-Methode bleibt die Zucht ein Glücksspiel.“


Anpaarungsmethode: Wer steckt hinter aAa?

1950 entwickelte Bill Weeks die aAa-Methode. Er ist Gründer der Organisation aAa-Weeks (Animal Analysis Associate) mit Hauptsitz in Vermont (USA). aAa-Weeks ist das einzige Unternehmen, das diese Art der Anpaarung anbietet. Mittlerweile arbeiten hier 27 Analysten in über 20 Ländern weltweit. Das System ist rasseübergreifend und somit für Holstein Frisian, Fleckvieh, Brown Swiss, Jersey und alle weiteren Rassen geeignet. In den Niederlanden nutzen etwa 20 % der Milchviehbetriebe dieses System – Tendenz steigend.


Zuchtberater: „Objektivität fehlt“

In der Zuchtbranche gibt es auch Kritik am aAa-System. top agrar hat mit einem Zuchtberater gesprochen:

„Viel wichtiger als die äußerlich sichtbaren Merkmale sind die Eigenschaften, die wir einem Tier nicht ansehen, wie z. B. Nutzungsdauer, Gesundheit oder Milchinhaltsstoffe“, erklärt Christoph Niehues-Pröbsting, der als Bewerter und Zuchtberater bei der ­Rinder-Union West arbeitet. „Deshalb hat es die aAa-Methode im Zeitalter genomischer Zuchtwerte immer schwerer.“ Obwohl damit zusätzliche Informationen zur Verfügung stehen, beschränke sich die Analyse auf den ­Körperbau der Kühe. Der Zifferncode beruht also nur auf einer Momentaufnahme des Tieres, wovon die gesamte Anpaarung abhängt. „Bei den Möglichkeiten, die wir heute haben, fehlt mir die Objektivität dieses Systems“, so Niehues-Pröbsting.

Natürlich sei auch die lineare Beschreibung durch die Zuchtorganisationen eine einmalige und subjektive Vergabe von Punkten. „Für die Anpaarung berücksichtigen wir allerdings weitaus mehr Zuchtwerte als nur die Exterieurmerkmale“, sagt er. Diese errechneten Zuchtwerte schätzt er als sehr objektiv ein: Die Lernstichprobe bildet die Grund­lage der Zuchtwerte und umfasst rund 280.000 Tiere. Dadurch gewinne selbst der Exterieurzuchtwert an Objektivität.

„Letztendlich haben beide Systeme das gleiche Ziel: Langlebige und gesunde Kühe mit gutem Milchleistungsniveau züchten. Der Weg dahin unterscheidet sich jedoch – und ich glaube, dass die Zuchtwerte effektiver sind.“


Reportage

Solide Leistungen, mittlerer Rahmen

Problemlose Kühe und eine ausgeglichene Herde sind das Ziel von Bernd Im Winkel. Auf dem Familienbetrieb in Gladbeck (NRW) hält er gemeinsam mit seinem Vater 180 melkende Kühe mit weiblicher Nachzucht. Ein solides, aber persistentes Leistungsniveau ist ihm wichtig. „Für mich muss keine Kuh 60 bis 70 kg Milch am Tag geben“, sagt der Landwirt. Lieber melkt er die Kühe bei geringerer Tagesleistung ein bis zwei Laktationen länger. „Ich habe jedoch wenig Zeit und Interesse, mich mit der Zucht zu befassen“, gibt er zu.

Nach einem Vortrag auf einer Arbeitskreisveranstaltung beschäftigte er sich erstmals näher mit der aAa-Methode. Daraufhin entschied er sich für dieses Anpaarungssystem, sodass seit 20 Jahren jedes Tier einen dreistelligen Zahlencode hat.

Drei 100.000er pro Jahr

Im Winkel weiß, dass die Rinderzucht ein langer Prozess ist und es Geduld erfordert, um erste Ergebnisse sehen zu können. „Ich habe mich für das System entschieden und will auch konsequent dabei bleiben“, sagt er.

Die Färsen sind aktuell so, wie sie sich der Landwirt vorstellt – mittelrahmig mit breiter Rippe und viel Lungenvolumen. Zudem haben sie viel Herz- und Rippentiefe und stehen breit. „Die Tiere sollen viel fressen, dafür muss Platz sein“, sagt er. „Bei guten Kühen sollte ein Fußball durch die Vorderbeine rollen können.“

Der Betriebsleiter hat zudem festgestellt, dass es seit der aAa-Anpaarung weniger Ausreißer gibt und die Herde einheitlicher ist. Seine Tiere geben aktuell 10.000 kg Milch/Kuh und Jahr im gleitenden Durchschnitt. Zudem hat er sechs Kühe im Stall, die bereits die 100.000 kg-Marke geknackt haben. In den nächsten Jahren rechnet er mit je ein bis zwei weiteren Kühen, die dieses Leistungsniveau erreichen.

Stolz ist er auch auf die Abgangsleistung von 48.000 kg Milch, mit der die Kühe den Betrieb im Mittel nach fünf Laktationen verlassen. „Letzten Sommer lagen wir bei 52.000 kg. Das war unser Rekord.“ Der Milchviehhalter hat funktionellere Kühe, seitdem er das aAa-System nutzt, die wenig Sonderbehandlungen brauchen. „Die Tiere haben weder Probleme mit sich selbst, noch mit dem Stallsystem. Dadurch werden sie alt.“

Wie müssen die Bullen sein?

Bei der Bullenauswahl achtet Im Winkel auf Milchleistung, Fundament und Körperbau. Von sieben bis acht Bullen kauft er Sperma vor, die der Besamungstechniker dann vorrätig hat. Dabei muss er aktiv auf den Inzuchtgrad achten, da die Anpaarung nicht computergestützt läuft.

Im einfachen Management sieht er einen Vorteil: Im Stallbüro hängt eine Liste mit den Ziffern-Codes der Kühe. „Wenn ein Tier bullig ist, kann jeder den passenden Bullen auswählen“, erklärt der Landwirt.

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in top agrar 9/2021, ab Seite R 22.

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