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Schwein, Rind, Milch: Fulminante Preisrallye

Schwein, Rind, Milch – die Preise steigen rasant : Über Ursachen und Prognosen berichten Andreas Gorn und Dr. Tim Koch von der AMI.

Lesezeit: 6 Minuten

Schweine: weniger Tiere, volle Froster

Solche Preissprünge gab es auf dem Schweinemarkt noch nie: Monatelang verharrte die VEZG-Notierung auf dem niedrigeren Niveau von 1,20 €/kg. Dann ein rasanter Anstieg: In nur vier Wochen schnellte die VEZG-Notierung auf 1,75 €/kg in der vergangenen Woche – mit einem Rekordplus von bis 25 Cent/kg von der einen auf die andere Woche.

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Viele Schweinehalter schreiben tiefrote Zahlen und hatten vehement höhere Preise gefordert. Die stark gestiegenen Produktionskosten können sie aber selbst mit diesem Preisanstieg kaum decken, die finanziellen Löcher aus der Vergangenheit keinesfalls stopfen. Auch die Preisempfehlung für Ferkel hat kräftig auf 55€ zugelegt, hat aber auch noch Luft nach oben.

Drei Ursachen für Preissprünge

Dass die Schweinepreise im März steigen, war abzusehen. Die Heftigkeit überrascht aber und ist am Ende schwer zu erklären. Für die höheren Preise kristallisieren sich drei Ursachen heraus:

  • Der Schweinebestand ist drastisch gesunken. Im November 2021 lag der Schweinebestand in Deutschland 9% unter Vorjahr. Über den Jahreswechsel gab es weitere Betriebsaufgaben und somit einen weiteren Bestandsabbau. Das senkt die Schlachtmenge: In der ersten Märzwoche gingen in Deutschland 772.000 Schweine an den Haken, rund 100.000 weniger als in der Vorjahreswoche. Und ganz aktuell halten einige Erzeuger ihre Schweine in der Hoffnung auf weiter steigende Preise zurück.
  • Es kommen weniger Importferkel nach Deutschland. In der Spitze hat Deutschland mehr als 12 Mio. Ferkel pro Jahr von europäischen Nachbarn importiert, im vergangenen Jahr waren es vermutlich nur etwa 10 Mio. Auch das senkt die Bestände. Zudem wurden deutlich weniger Schlachtschweine eingeführt.
  • Die Zeichen stehen auf eine Normalisierung der Nachfrage. Der Fleischmarkt hat zwar nach wie vor seine Probleme: Das Image von Schweinefleisch ist angekratzt, der Pro-Kopf-Verzehr ist auf 30,8 kg gesunken. Zudem lag im Januar 2022 etwa doppelt so viel Schweinefleisch in den Kühllagern wie in den Zeiten vor Corona. Doch das frühlingshafte Wetter sowie Corona-Lockerungen lassen Impulse beim Absatz erwarten – weil wieder mehr in der Gastronomie möglich ist und wieder Familienfeiern sowie Großveranstaltungen stattfinden.

Wie reagiert der LEH?

Sinkendes Angebot und steigende Nachfrage lösen eine Preiskaskade nach oben aus, die sich selbst bestärkt. Die eine Frage ist: Warum erst jetzt und dann so sprunghaft? Sie lässt sich nicht abschließend beantworten. Klar ist: In einigen europäischen Nachbarländern wie Frankreich und Italien sind Preisanstiege gedeckelt, deshalb laufen Preiserhöhungen kontinuierlicher ab. In Belgien dagegen ist die Situation ähnlich wie in Deutschland.

Die andere Frage ist: Wie reagiert der deutsche Lebensmitteleinzelhandel auf den Preisanstieg? Weil die Kontrakte laufen, erfolgt eine Preisanpassung im Regal meist etwas zeitversetzt. Diese muss aber zwangsläufig kommen. Und dann kommt es darauf an, wie die Verbraucher reagieren – angesichts der überall stark steigenden Kosten dürften sie weiter preissensibel sein. Für die Schlachtkonzerne verspricht zumindest die günstig eingefrorene Ware in gutes Geschäft. Allerdings muss sich inzwischen auch die Schlachtbranche in allen Bereichen mit steigenden Kosten auseinandersetzen und kann nur hoffen, diese an die nachgelagerten Stufen weiterreichen zu können.

Rinder: Bestände und Importe sinken

Die Meldung, der Zenit der Rindfleischpreise sei erreicht, überholt sich jede Woche: Anfang März notieren R3-Junbullen im deutschen Mittel bei 5,27 €/kg, O3-Kühe bei 4,43 €/kg. Das sind absolute Rekordwerte. Zur Einordnung: Eine magere Altkuh bringt heute mehr als ein fleischiger Jungbulle vor etwa zwei Jahren.

Im Gegensatz zum Schweinemarkt gibt es im Rindfleischmarkt keine sprunghafte Entwicklung, vielmehr ziehen die Rindfleischpreise seit Monaten an. Die Gründe sind ähnlich zum Schweinesektor:

  • Der Rinderbestand sinkt. In der Novemberzählung betrug der Gesamtbestand in Deutschland 11,0 Mio. Rinder, 2,3% weniger als im Vorjahr.
  • Die Nachfrage ist seit Jahren stabil, auch wenn es 2021 aufgrund von Corona leichte Rückgänge gab. Jeder Deutsche hat 2021 im Schnitt 9,4 kg Rindfleisch gegessen. Insbesondere Rindhackfleisch ist seit Monaten der Renner beim Rindfleischverzehr, weniger „klassische Produkte“ wie der Rinderbraten.
  • Der Selbstversorgungsgrad bei Rindfleisch betrug zuletzt 98%. Deutschland ist somit auf Importe angewiesen – doch vor allem Südamerika hat im vergangenen Jahr weniger geliefert. So kamen etwa aus Brasilien und Uruguay jeweils knapp 20 % weniger Rindfleisch nach Deutschland. Deshalb hat die Gastronomie, die sonst gerne mit südamerikanischer Ware wirbt, teilweise auch auf deutsches Rindfleisch umgestellt.

Hinzu kommt: Die Schlachtkapazitäten sind in den vergangenen Jahren weniger stark gesunken als die Rinderzahlen. Es gibt einen Wettbewerb um Schlachtrinder, der in der Tendenz eher preistreibend ist. Das dürfte auch so bleiben, denn die Bestände dürften eher weiter schrumpfen als zulegen.

Milch: Knappe Angebot ist Treiber

An den Produktmärkten für Milch erklimmen die Preise Langzeithochs: Magermilchpulver notiert in Deutschland aktuell bei 3.880 €/t, Butter bei 6.125 €/t. Die abgeleiteten Verwertungen daraus schreiben auch Rekorde: Der Kieler Rohstoffwert für Milch liegt bei gut 56 Cent/kg, die ife-Börsenmilchwert bei 61 Cent/kg.

Die weltweite Nachfrage nach Milch und Milchprodukten hat 2021 zugelegt, vor allem durch deutlich höhere Importe Chinas. Die Nachfrage ist auch zu Jahresbeginn 2022 stabil. Treiber der Rekordpreise ist aber vorrangig das weltweit knappe Angebot.

Milchmenge weltweit gesunken

Das zeichnete sich bereits im vergangenen Jahr ab: Große Milchregionen und Exporteure wie die USA oder Ozeanien (Neuseeland, Australien) hatten im zweiten Halbjahr weniger Milch im Vergleich zum Vorjahr. Das beflügelte vor allem die Preise für Pulver und Butter. In Europa blieb die Milchmenge 2021 im Vergleich zum Vorjahr stabil, aber auch hier mit ab Herbst verstärkten Rückgängen. Vor allem die großen Milchländer Deutschland (-1,6 %), Frankreich (-1,3 %) und die Niederlande (-2,5 %) melkten weniger. Das verstärkte den Preisanstieg auf den Produktmärkten.

Deutschland: Kuhzahlen rückläufig

Aktuell steigt die Milchmenge in Deutschland zwar. Doch obwohl die Auszahlungspreise im Schnitt 40 Cent/kg erreicht haben, springt der Milch-Motor nicht an. Zum einen, weil auch die Kuhzahlen rückläufig sind: Im November gab es noch 3,83 Mio. Kühe in Deutschland, 2,3 % weniger als im November 2020. Vor allem aber, weil die Produktionskosten durch höhere Preise für Futter, Energie usw. stark gestiegen sind. Deshalb sind die 40 Cent von heute die 30 Cent von früher – und dieser Preis liefert kaum Impulse für Milchwachstum. Hinzu kommen Restriktionen aus dem Umwelt- und Klimaschutz. Das gilt auch für viele andere Länder weltweit.

Das dürfte zunächst so bleiben. Weil Dünger extrem teuer oder gar nicht zu haben ist, dürfte die mineralische Düngung auf dem Grünland geringer ausfallen. Futtermenge und Futterqualität könnten leiden. Zunächst ist kein starkes Milchwachstum zu erwarten. Gleichzeitig spricht Vieles für eine Belebung der Nachfrage. Durch die Lockerungen der Corona-Maßnahmen könnte es mit dem Frühlingsbeginn zu Impulsen beim Konsum kommen.

Angleichende Auszahlungspreise

In den kommenden Monaten dürften sich auch die Auszahlungspreise der Molkereien wieder angleichen. Aktuell gehören die Unternehmen, die viel Industrieware bzw. Spot- und Versandware produzieren, zu den Top-Auszahlern. Molkereien, die viel an den deutschen Lebensmittelhandel liefern, hinken hinterher. Das könnte sich mit den neuen Kontraktlaufzeiten für Produkte der Weißen (Trinkmilch usw.) sowie Gelben (Käse) Linie relativieren.

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