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Ja zur Klauenpflege bei Mutterkühen

Auch Mutterkühe profitieren von einer regelmäßigen Klauenpflege. Mutterkuhhalter Josef Dohle und Klauenpflegerin Martina Karthaus berichten aus der Praxis.

Lesezeit: 6 Minuten

Der Klauenpflegestand steht unter dem Abdach der Scheune bereit, die ersten Trenngitter sind befestigt und der Treibwagen rollt an: Die älteren Kühe im Winterquartier von Mutterkuhhalter Josef Dohle wissen längst Bescheid – es ist Zeit für die Klauenpflege. Zugegeben, für Mensch und Tier ist das gerade bei Mutter­kühen oft mit Umständen verbunden. Das weiß auch Martina Karthaus. Sie ist seit 13 Jahren passionierte Klauen­pflegerin und rund 15 % ihrer Kunden sind Mutterkuhhalter. Und mit einem Mythos räumt sie gerne auf: „Ja, auch Mutterkühe brauchen Klauenpflege!“

Meist einmal jährlich

„Je mehr der Lebensraum der Kühe den ursprünglichen Bedürfnissen der Rinder als Steppentiere angepasst ist, desto seltener wäre ein Klauenschnitt nötig“, sagt Martina Karthaus. Dazu bräuchte es unter anderem harte und weiche natürliche Bodenverhältnisse und weite Laufwege. Das ist in der Praxis aber selten der Fall. Selbst die ganzjährige Weidehaltung reicht nicht zwangs­läufig, um Klauenpflege wegzulassen. Hinzu kommen Einflussfaktoren wie Fütterung, Genetik, Bodenverhältnisse sowie Kalbungen.

Martina Karthaus plädiert dafür, die Häufigkeit und den Zeitpunkt der Klauenpflege der Haltung anzupassen. Denn stehen die Kühe im Winter im Strohstall, gibt es nur wenig Abrieb an der Klaue. Zu lange Klauen führen zu Fehlstellungen und Fehlbelastungen, die oft nur schwer oder nicht mehr zu korrigieren sind. Auch planbefestigte oder Spaltenböden sind hornwachstumsfördernd. „So wie wir Schwielen an den Händen bekommen, wächst auch das Horn der Klaue zum Schutz mehr“, sagt Karthaus. Als Folge ist die Außenklaue zu hoch. Stark abrasive Böden hingegen sorgen für viel Abrieb und ein dünnes Klauenhorn. All das kann auf Dauer zu Problemen führen.

Vor dem Weideaustrieb

Josef Dohle hält seine 25 Charolais Mutterkühe in den Wintermonaten im Tiefstreustall in Brilon (NRW). Die Jungrinder stehen zum Teil auf Vollspalten. Er vermarktet die männlichen Absetzer und behält die meisten weiblichen Tiere zur Nachzucht. Seit sieben Jahren arbeitet er mit Martina Karthaus zusammen. „Vorher hab ich hier und da selbst die Klauen geschnitten oder den Tierarzt gerufen“, sagt der Nebenerwerbslandwirt. Dazu hat er sich einen eigenen Stand gebaut. Nun kommt die Klauenpflegerin einmal jährlich im April vor dem Weideaustrieb und schneidet alle Kühe und abgekalbte Färsen. „Seitdem wir das so umsetzen, haben wir mit den Klauen eigentlich das ganze Jahr nichts mehr zu tun“, sagt Dohle.

Der Zeitpunkt im Frühjahr bietet sich an: Durch den Strohstall sind die Klauen länger gewachsen. Zudem haben die meisten Tiere zuvor im Stall abgekalbt und das Handling am Betrieb ist einfacher als auf der Weide. „Die meisten Halter mit Frühjahrsabkalbung bevorzugen diesen Zeitraum“, bestätigt Karthaus. Und Josef Dohle ergänzt: „Wir investieren lieber einmal im Jahr die Zeit und das Geld als dreimal im Jahr in letzter Sekunde und mit Aufwand Einzeltiere zu behandeln.“ Zudem ist die Beobachtung im Strohstall deutlich schwieriger. Beim Füttern stehen alle Tiere ruhig im Fressgitter. Der weiche Untergrund verschleiert etwaiges Lahmen und die Tiere gehen nicht sichtbar länger geradeaus, wie es beim Melkstand z. B. oft der Fall ist.

Die Umgebung für beide Seiten

Im Gegensatz zum Milchvieh sind die Mutterkuhställe seltenst dazu ausgerichtet, Klauenpflege zu betreiben. Martina Karthaus kennt die Probleme: „Oft scheitert es schon an einer stabilen Stromversorgung für den Stand.“

Als Mindestausstattung vor Ort nennt sie:

  • Einen Ort mit gerader, trockener, befestigter Fläche für den Stand,

  • ausreichende Durchfahrtshöhe und -breite,

  • intakte Stromversorgung (Kraft- und Lichtstrom),

  • Witterungsschutz (je nach Wetter),

  • geregelter Zutrieb durch Gatter, Strohballen o. Ä.,

  • ausreichend geschulte, ruhige Personen für den Zutrieb

  • Wasseranschluss (Hochdruckreiniger) zum Reinigen des Standes.

Da Mutterkühe oft den engen Menschenkontakt nicht kennen, plant Martina Karthaus für diese Besuche teils doppelt so viel Zeit pro Kuh ein. „Viele Betriebe haben es daher schwer, überhaupt einen Klauenpfleger für Fleischrinder zu finden“, sagt sie. Da kommen mehrere Punkte zusammen: geringere Stückzahlen, Behornung, Dauer, Termine nur am Wochenende und auch die erhöhte Unfallgefahr. „Wenn eine nervöse Kuh mir Teile am Stand verbiegt, kann ich im schlechtesten Fall am nächsten Tag nicht arbeiten.“

Für den Klauenschnitt ihrer gesamten Herde plant Familie Dohle einen Vormittag ein. „Wir starten um 8 Uhr mit dem Aufbau, um halb 9 geht der Schnitt los und zum Schluss gibt es Suppe für alle“, sagt Josef Dohle. An dem Tag helfen meist vier Familienmitglieder mit.

Der fahrbare Klauenpflegestand steht unter dem Abdach der Scheune auf planbefestigtem Boden. Für den Strom sorgt ein Notstromaggregat. Mit vier Weidepanels bauen sie einen kurzen, enger zulaufenden Treibeweg zum Stand. Ein schwenkbares Paneltor kurz vor Eintritt dient als letzte Abtrennung der Einzeltiere. Als Vorwartebereich nutzt Familie Dohle den Treibwagen. Mit diesem holen sie die Tiere in Kleingruppen aus dem Stall. Den Rückweg treten die Kühe gelenkt durch Strom­litzen an. „Wir haben jedes Jahr ein bisschen optimiert“, sagt Dohle und ergänzt: „Am besten funktioniert es, wenn die nächste Kuh schon direkt hinter dem Stand steht, bevor die geschnittene Kuh zurück in den Stall läuft.“

Normaler Schnitt

Ist die Kuh erst mal im Stand, sind die Unterschiede zum Milchvieh nicht mehr allzu groß. „Ich schneide auch Mutterkühe nach dem bekannten Fünf-Punkte-Schema“, sagt Martina Karthaus. Sie achtet dabei darauf, die Länge und Sohlenspitzendicke der Klaue auf Größe und Gewicht der Kuh anzu­passen, um möglichst viel Trachtenhöhe zu erzielen. „Da passen die 7,5 cm Dorsalwandlänge aus der funktionellen Klauenpflege oft nicht mehr. Große Menschen haben ja auch andere Schuhgrößen“, erklärt sie. Einen Fachaustausch über solche Themen findet sie unter anderem im Netzwerk Klaue, einem Zusammenschluss von Klauenpflegern und Tierärzten.

Bei Mutterkühen sieht die Klauenpflegerin im Vergleich zu Milchkühen weniger Probleme mit infektiösen Erkrankungen wie Mortellaro oder Panaritium. Primär durch Stoffwechselprobleme und Fütterungsfehler ausgelöste Krankheiten wie Klauenrehe und folgende Doppelte Sohlen, Weiße Linie-Defekte usw. kommen aber genauso vor. „Fütterung, Haltung, Genetik und Pflege sind wichtiger als z. B. die Rasse“, sagt Karthaus.

Schnell stoßen Klauenpfleger aber auch an Behandlungspunkte, an denen eine lokale Betäubung richtig wäre. „Ich ärgere mich immer, dass wir dem Tier da nicht helfen können. Ich hab ja schon überlegt, selbst noch Tiermedizin zu ­studieren, um betäuben zu können – dem Tierwohl zuliebe“, sagt Karthaus. Schätzt sie einen Eingriff als zu schmerzhaft ein, bricht sie ab, versorgt das Tier und bittet, den Tierarzt zu rufen. Während Verbände auch bei Mutterkühen sinnvoll sein können, sind Klötze auf einer dicken Strohmatratze oder weichen Weiden oft nicht zielführend. Klötze und Verbände müssen zudem wieder sicher entfernt werden können.

Auf Generationen achten

Martina Karthaus dokumentiert per Tablet alle Infos zu jeder Klaue. Einen Ausdruck erhalten ihre Betriebe per E-Mail. „Ich schau zum Beispiel darauf, wenn ich über die Nachzucht entscheide. Schlechte Klauen vererben sich“, sagt Dohle. Dazu plädiert auch Martina Karthaus: Allein über die Genetik und Fütterung seien die Klauen der Kühe sehr zu verbessern – ob Milch- oder Mutterkuh. „Und das trägt zum Tierwohl bei.“

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