Dass viele Landwirte die Kupferversorgung ihrer Rinder nicht ausreichend im Blick haben, zeigen die Untersuchungsergebnisse des Landesamts für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern (LALLF M-V): Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Fütterung von Rindern oft nicht dem Kupferbedarf angepasst ist. Die Folgen einer nicht bedarfsgerechten Kupferversorgung reichen von einer Weidediarrhoe in der Mutterkuhhaltung bis hin zur Intoxikation von Milchkühen.
Zu viel oder zu wenig?
Bei den Untersuchungen ergaben sich in Abhängigkeit der beiden Nutzungsrichtungen Milchvieh- und Mutterkuhhaltung erhebliche Unterschiede in den Ergebnissen (siehe Zusatzinfo „Ergebnisse“): In der Extensivhaltung besteht in etwa der Hälfte der Fälle eine Kupferunterversorgung. Anders sieht es dagegen in der Intensivhaltung, also bei Milchkühen aus: Dort stellten die Wissenschaftler in ihrer Untersuchung bei etwa einem Drittel der Tiere eine bedarfsüberschreitende Kupferversorgung bis hin zu einer chronischen Kupferintoxikation fest (siehe Übersicht 1).
Milchkühe nehmen über Mineral- und Kraftfutter sowie über Silage gegebenenfalls täglich mehr als 350 mg Kupfer auf. Die Kupferaufnahme einer Mutterkuh erfolgt über Mineralfutter und Weidegras und liegt häufig deutlich unter 100 mg pro Kuh und Tag. Der Richtwert für eine bedarfsgerechte Kupferversorgung von Rindern liegt allerdings bei 10 mg Kupfer/kg Trockenstubstanz. Das entspricht etwa 120 mg Kupfer/Kuh und Tag bei Mutterkühen und etwa 230 mg Kupfer/Kuh und Tag bei laktierenden Milchkühen.
Funktion von Kupfer
Kupfer ist ein essenzielles Spurenelement und Bestandteil zahlreicher Enzyme, die zum Beispiel an der Energienutzung, Haarbildung und -pigmentierung sowie an der Bildung von Hämoglobin beteiligt sind. Kupfer ist in allen Geweben enthalten, vor allem im Gehirn, im Knochenmark und in der Leber.
Ungenügende Kupfergehalte im Boden und im Grundfutter führen zu einer Unterversorgung. Das ist besonders häufig bei Sandböden, Niedermoor- oder Heidestandorten der Fall. Ein Kupfermangel kann aber auch sekundär durch eine Behinderung der Kupferverwertung entstehen. Dafür verantwortlich sind hohe Gehalte an Molybdän und Schwefel in der gefütterten Ration. Sie binden Kupfer so, dass es nicht mehr für den Organismus verfügbar ist.
Nachweis und Vorbeuge
Kupfermangel lässt sich sowohl mithilfe einer Blutuntersuchung als auch durch eine Kupfermessung in Lebergewebe diagnostizieren. Bei einem nachgewiesenem Kupfermangel ist eine Mineralstoffsubstitution insbesondere mit Kupfer möglich: Das gelingt beispielsweise über eine Düngung der Weideflächen mit Mikronährstoffen oder den Einsatz von Mineralfutter mit garantiertem Zugang für alle Tiere. Um die Bedarfsdeckung von Mutterkuhherden sicherzustellen, bietet sich auch die Gabe eines kupferhaltigen Bolus an.
Bei einer chronischen Überversorgung speichert die Leber das überschüssige Kupfer zunächst ohne erkennbare klinische Symptomatik ab. Wird deren Kapazität aber überschritten, kommt es zu Leberzellnekrosen mit der Freisetzung von hohen Kupfermengen. Anschließend setzt eine hämolytische Anämie ein. Dabei werden die roten Blutkörperchen beschleunigt abgebaut. Das führt zu klinisch schwer erkrankten Tieren, die meistens nicht zu retten sind.
Der Einsatz von mit Kupfersulfat angereicherten Milchaustauschern kann zu einer Überdosierung bei Kälbern führen. Ein weiteres häufiges Problem ist, dass der Kupfergehalt im Mineralfutter hoch ist. Gleichzeitig lassen viele Milchviehhalter allerdings die Spurenelementversorgung über die Totale-Misch-Ration außer Acht. Für eine bedarfsgerechte Versorgung empfiehlt es sich deshalb, die Rationen auf Spurenelemente untersuchen zu lassen.
Auswirkungen am Tier
Hinweise auf eine Kupferüberversorgung können eine unerwartete niedrige Milchleistung, struppiges und glanzloses Fell oder Tierverluste ohne erkennbare Ursachen sein. Ein weiterer möglicher Hinweis auf eine Überversorgung mit Kupfer bei Kühen kann der Haarverlust rund um die Augen und an den Ohrenrändern sein. Betriebsleiter mit hochleistenden Milchviehherden ordnen diese unspezifischen Symptome allerdings häufig nicht einem Kupferüberschuss zu.
Da ein Kupferüberschuss mithilfe einer Blutuntersuchung nicht zu diagnostizieren ist, kann die Erkennung einer Überversorgung lange dauern und alle Beteiligten zur Verzweiflung treiben. Landwirte müssten Leber-, Kot- oder Rationsproben untersuchen lassen, um einen Kupferüberschuss festzustellen. Allerdings müssen sie vorher überhaupt auf die Idee kommen, diese Untersuchung anzuordnen. Das Gleiche gilt für die Untersuchung einer verendeten Kuh: Wenn ein aus vermeintlich unerklärlichen Gründen verendetes Tier überhaupt zur Sektion gegeben wird, muss der Pathologe zusätzlich noch die Leber auf Kupfer untersuchen lassen.
Im Gegensatz zur Milchviehhaltung ist der in der Mutterkuhhaltung verbreitete Kupfermangel eindeutiger festzustellen: Klinische Kennzeichen sind Durchfälle bei Kälbern oder kotverschmierte Sitzbeinhöcker bei Muttertieren. Unterversorgte Tiere zeigen außerdem Lecksucht, eine herabgesetzte Futteraufnahme sowie Wachstums- und Leistungsdepressionen. Stillbrunst, Aborte und embryonale Frühtode sind weitere Kennzeichen. Auch die Kupferbrille ist bei einem Mangel zu sehen: In diesem Fall kommt es zu einer Depigmentierung des Deckhaars rund um die Augen. Auffällig ist auch das Scharren der Tiere auf dem Weideboden, um über das Fressen von Erde Kupfer aufzunehmen. Das kann sowohl zur Infektion mit z. B. Clostridien als auch zur Aufnahme von Polychlorierten Biphenylen (PCB) und Dioxinen führen, die die Tiere in der Leber speichern.
Verbraucherschutzrelevanz
Spätestens damit hat das Thema auch Verbraucherschutzrelevanz. Der Verzehr einer Rinderleber mit hohen Kupfergehalten stellt weniger ein Problem dar. Denn die wenigsten Menschen essen täglich Rinderleber. Vielmehr kann es auch zum Auftreten von Antibiotikaresistenzen kommen. Diese können aufgrund einer möglichen genetischen Nähe einiger Antibiotika- und Kupferresistenzgene entstehen. Zusätzlich zu dieser Problematik belastet die Ausscheidung von Kupfer bei einer Überversorgung Gülle und Boden.
Das Thema ist nicht nur aus Verbraucher- und Tierschutzsicht relevant, sondern hat auch ökonomische Aspekte. Denn das Kalb ist in der Mutterkuhhaltung der eigentliche wirtschaftliche Erfolgsfaktor. Erhöhte Kälberverluste, die durch Kupfermangel bedingt sind, spielen also auch für die Wirtschaftlichkeit eines Betriebes eine Rolle.
Viele Kupfervergiftungen nachgewiesen
Im Zeitraum Januar 2008 bis September 2018 untersuchte das Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern insgesamt 394 Lebern von Rindern auf Kupfer. Davon kamen 255 Lebern von Sektionstieren und 139 Proben aus dem Nationalen Rückstandskontrollplan. Die Wissenschaftler ordneten die Tiere entweder der Extensiv-/Mutterkuhhaltung oder der Intensiv-/Milchviehhaltung zu.
In den 182 Lebern aus Intensiv-/Milchviehhaltung lag der Mittelwert bei 119,4 mg/kg FS. Bei 49 Proben, also 27 % lagen die Kupferwerte bei mehr als 125 mg/kg FS. Bei 18 Tieren, also 10 % stellten die Wissenschaftler mit mehr als 200 mg/kg FS eine Kupferintoxikation fest. In Summe gab es bei rund einem Drittel der Tiere Hinweise auf eine Kupferüberversorgung bis hin zur chronischen Kupfervergiftung.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der top agrar Ausgabe 4/2020.