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Tierschutzlabels erhöhen Druck auf Anbindehalter

Die Molkereien Bechtel und Gropper liefern Tierschutz-Milch für Lidl und Aldi. Das sorgt für heftige Diskussionen unter den Erzeugern. Ein Artikel aus der top agrar Südplus 2/2017.

Lesezeit: 5 Minuten

Die Molkereien Bechtel und Gropper liefern Tierschutz-Milch für Lidl und Aldi. Das sorgt für heftige Diskussionen unter den Erzeugern. Ein Artikel aus der top agrar Südplus 2/2017.


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Zuschläge von 4 bis 6,5 ct/kg auf den Grundpreis für konventionelle Milch für das Einhalten strenger Richtlinien, aber alles auf freiwilliger Basis: Das hört sich nach einem Programm an, das eigentlich auf breite Zustimmung unter den Milcherzeugern stoßen müsste.


Doch weit gefehlt. Dass jetzt zwei bayerische Privatmolkereien Milch für das Label „Für mehr Tierschutz“ des Deutschen Tierschutzbundes Milch erfassen und verarbeiten, hat eine hitzige Diskussion innerhalb des Berufsstands ausgelöst. Um was geht es konkret?


Bechtel liefert mit Premiumstufe.


Die Molkerei Bechtel aus Schwarzenfeld in der Oberpfalz liefert Frischmilch ohne Gentechnik für die Eigenmarke „Ein gutes Stück Bayern“ von Lidl, die der Discounter Anfang 2017 auf die Premiumstufe des Tierschutzlabels umgestellt hat.„Es hat sich angeboten, ein bestehendes System abzurunden“, erläutert Georg Müller, Geschäftsbereichsleiter Beschaffung bei Bechtel. „Wir erzeugen bereits seit 2010 für diese Eigenmarke von Lidl, und die Richtlinien dafür waren zuletzt dem des Tierschutzlabels schon sehr ähnlich.“


Laut Müller beteiligen sich 60 Milch-erzeuger mit einer Jahresmilchmenge von ca. 40 Mio. kg Milch am Programm. Aktuell ist davon aber nur ein Teil der Betriebe zertifiziert. Der Zuschlag beträgt rund 6,5 ct/kg auf den Milchpreis und hängt von der vermarkteten Milchmenge ab.


Im Gegenzug haben die Erzeuger umfangreiche Vorgaben zu erfüllen. So schreibt das Label nicht nur Laufstallhaltung vor, sondern auch einen Laufhof und Zugang zu einer Weide. Im Stall muss jeder Kuh 6 m2 Platz zur Verfügung stehen, im Laufhof 3 m2. Zudem muss für jede Kuh ein Fress- und ein Liegeplatz vorhanden sein. Beim Enthornen der Kälber muss ein Tierarzt anwesend sein, der die Tiere örtlich betäubt.

Milchviehhalter Josef Wutz aus Schönthal im Landkreis Cham, der Milch für das Tierschutz-Label liefert, bestätigt, dass die Auflagen für das Label sehr anspruchsvoll sind. Er verweist aber auf die Freiwilligkeit des Programms und dass es entsprechend honoriert wird. „Die Kriterien sind bekannt, und ich kann mich entscheiden, ob ich mitmache oder nicht“, sagt der Landwirt.


Gropper fährt zweigleisig.


Auch die Molkerei Gropper aus dem schwäbischen Bissingen lässt zurzeit Milcherzeugerbetriebe nach den Richtlinien des Deutschen Tierschutzbundes zertifizieren. „Konventionelle Betriebe können am Einstiegsprogramm des Labels teilnehmen, Bio-Betriebe am Premiumprogramm“, erläutert Einkaufsleiter Reinhold Stangl. Die Produkte aus dieser Milch sind für Aldi bestimmt.Beide Stufen unterscheiden sich vor allem dadurch, dass beim Einstiegsprogramm der Laufstall, nicht aber Laufhof und Weidegang vorgeschrieben sind.


„Die Bio-Betriebe unter unseren Lieferanten sind mehr in den Grünlandregionen angesiedelt und können deshalb das Kriterium Weidehaltung leichter erfüllen“, begründet Stangl die Zuordnung der Betriebsformen.

Die Zuschläge sind fix und betragen 4 ct/kg für das Einstiegs- bzw. 6 ct/kg für das Premiumprogramm. Für die Zertifizierung des Einstiegsprogramms sind laut Stangl 78 Betriebe gemeldet, für die des Premium-Programms etwa ein Dutzend. Die Audits prüfen gleichzeitig auch Geprüfte Qualität Bayern (GQ) und GVO-Freiheit.


Auch Stangl betont, dass die Teilnahme am Label freiwillig ist und es Zuschläge dafür gibt. „Bei uns haben sich sogar einige Anbindehalter gemeldet, die wegen der Zuschläge die Umstellung auf die Laufstallhaltung angehen wollen“, so der Milcheinkäufer.


Dass die Programme für einzelne Betriebe finanziell verlockend sein können, räumen auch deren Kritiker zum Teil ein. Sie stört aber das grundsätzliche Vorgehen. „Bei der Erstellung der Kriterien sind die Milcherzeuger komplett außen vor“, kritisiert Dr. Hans-Jürgen Seufferlein, Geschäftsführer des Verbands der Milcherzeuger in Bayern. Das führe dazu, dass die Kontrollen, die Gläsernheit und der Umgang mit betriebsinternen Daten ein nicht mehr akzeptables Ausmaß erreichen.


Er befürchtet, dass solche Labels schneller als gedacht Standard für alle werden könnten, ohne entsprechende Vergütung. Zudem diene das Label vor allem dem Image des LEH bei seinem knallharten Verdrängungswettbewerb und dem Spendenkonto des Tierschutzbunds, aber nicht den Milcherzeugern, den Tieren und dem Produkt Milch.


Die Sorgen sind nicht unbegründet, wie Aktivitäten anderer Lebensmitteleinzelhändler zeigen. So hat Real bereits im Sommer 2016 seine Lieferanten angeschrieben, dass es für seine Eigenmarken ab Mitte 2017 keine Milch von Anbindebetrieben mehr geben soll. Wenig später hat Edeka seine Mindestanforderungen zur Haltung von Milchkühen nachgelegt, die ebenfalls die Laufstallhaltung vorschreiben. Edeka hat zwar den Forderungskatalog inzwischen zurückgezogen, und Real nennt kein explizites Ausstiegsdatum mehr. Aber all das zeigt, dass der Handel der Milchbranche immer mehr die Bedingungen diktiert.


So hat die Führung der Goldsteig Käsereien die Erzeuger kürzlich in Versammlungen darauf vorbereitet, dass man künftig auf Druck des LEHs die Milch von Anbinde- und Laufställen möglicherweise getrennt erfassen müsse. Und die Milchwerke Berchtesgadener Land zahlen seit Anfang 2017 Lieferanten für Laufstall, für Laufhof und für Weide eigens Zuschläge.


Geschlossen auftreten!


Angesichts der Entwicklungen in der Milchbranche hat die Mitgliederversammlung der Bayern-MEG Anfang März alle Verbände zur Zusammenarbeit und zum geschlossenen Auftreten aufgerufen. Markus Seemüller, Geschäftsführer der Bayern-MeG, warnt: „Wenn wir das nicht schaffen, legen am Ende privatrechtlich vereinbarte Auflagen die Standards für die Milchproduktion fest.“

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