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Wagyu-Haltung: Landwirt, Tierarzt und Metzger

140 Wagyus und drei Berufungen hat Philipp ter Haar. Er kann die gesamte Wertschöpfungskette seiner Tiere selbst übernehmen. An seinen Wagyus schätzt er besonders die Fleischqualität.

Lesezeit: 6 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst in der Wochenblatt-Ausgabe 30/2023 erschienen.

Auf dem Weg zu Philipp ter Haar sieht man links und rechts von der Straße bereits Wagyus in den Weiden grasen. Schwarze Tiere, schmal und recht klein, vielleicht sogar etwas struppig im Fell. Insgesamt 25 Mutterkühe hält er aktuell. Doch das ist nicht alles: Insgesamt zählen 140 Tiere zu ­seinem Bestand.

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Der 37-Jährige ist 2016 in die Haltung der japanischen Rinderrasse eingestiegen und hat einen Resthof in Neukirchen-Vluyn im Kreis ­Wesel gekauft. Dazu gehören 18 ha arrondiertes Grünland. Das Besondere: Er ist nicht nur studierter Landwirt, sondern auch Tierarzt und Metzgermeister. Und er lebt alle drei Berufe aus.

Dreifache Karriere

Die Marschrichtung für seinen beruflichen Werdegang legte Philipp ter Haar bereits in jungen Jahren: „Ich bin immer mit der Familie auf Jagd gewesen und habe beim Verarbeiten vom Wild mitgeholfen.“ Schon bald hat er mit einem Freund zehn Heidschnucken und zwei Bentheimer Schweine gekauft. Um nach dem Abitur nicht zum Bund zu müssen, entschied er sich für eine Ausbildung zum Metzger in drei Fleischereien in Düsseldorf, Duisburg und Dins­laken. Das war im August 2005. Durch eine Begabtenförderung und ein besonderes Kursangebot war er bereits im Mai 2007 Metzgermeister. Im Anschluss dann das Studium der Agrarwissenschaften und – für ein Jahr parallel – das Tiermedizinstudium in Gießen.

Eine eigene Tierarztpraxis

Nach vier Jahren als angestellter Tierarzt für Rinder gründete der heute zweifache Familienvater gemeinsam mit seiner Frau Lina 2018 eine eigene Praxis. Hauptkunden sind Kleintiere und Pferde, Kühe machen etwa 5 % aus. Die Pferdekunden betreut Lina, die ebenfalls Tierärztin ist. Unterstützung bekommen ter Haars von fünf angestellten Tierärztinnen und Tierärzten. Eine von ihnen übernimmt die Spülungen für Embryotransfer.

Züchterblut

Um mit 25 Mutterkühen insgesamt 140 Tiere halten zu können, nutzt Philipp seine besten Rinder für Embryotransfer (ET). Die jährlich 30 bis 40 Spülungen übernimmt eine seiner angestellten Tierärztinnen. Die Embryonen lässt er von anderen Betrieben austragen und holt die Kälber nach vier Wochen auf den eigenen Hof. Dort wachsen sie erst in Einzel- später in Gruppeniglus und dann auf der Weide auf. 90 % seiner weiblichen Tiere stammen aus ET. „Unsere Tiere sind alle genomisch getestet. Ob ich ein Rind spülen lasse, entscheide ich aufgrund des Aussehens und des Gesamtzuchtwertes“, erklärt ter Haar. Die Tiere sind neben dem deutschen auch im australischen Herdbuch gelistet. Dort ist die Popu­lation am größten und die Zuchtwertschätzung am umfangreichsten. Das japanische Herdbuch ist nur für in Japan geborene Tiere zugelassen.

Dass ter Haar Spaß daran hat, Kühe zu züchten, beweist beispielsweise ein Jungrind, das in Europa und den USA in der Top-10-Liste nach Gesamtzuchtwert rangiert. Doch der Einsatz hoher Genetik ist kostspielig und mit Vorfinanzierung verbunden: Je nach Genetikwert kostet eine Spermaportion zwischen 35 und 2000 €. Auch die Hornloszucht ist für den Betriebsleiter bedeutsam. Jedoch sei der Marmorierungswert bei hornloser Genetik geringer, da das Gen ursprünglich über Angus-Tiere eingekreuzt wurde.

Für das Besamen der Mutterkühe ist größtenteils ein Deckbulle zuständig. Er kam als Embryo aus den USA und ist mittlerweile neun Monate alt. Das wertvolle an ihm: Er hat einen japanischen Vater.

Bestens marmoriert

Von den tragenden Rindern hat ter Haar im letzten Jahr 20 Tiere exportiert. Die Nachfrage ist aktuell jedoch wieder gesunken. Zudem verkauft er Deckbullen.

Wirtschaftlicher ist für ihn der Verkauf des Fleisches. Alle drei Wochen lässt der Metzgermeister zwei Tiere schlachten. Das übernimmt ein Freund in einem benachbarten Schlachthaus. Das Zerlegen macht ter Haar selbst. Ein weiterer Mitarbeiter hilft in der Landwirtschaft.Die Tiere sind beim Schlachten ­etwa drei Jahre alt und wiegen je nach Geschlecht zwischen 360 und 440 kg am Haken, mit einer Ausschlachtung von 57 %. „Wenn die Tiere zu schnell wachsen, sind sie später schlechter marmoriert“, so die Erfahrung des 37-Jährigen. Er freut sich daher über Tageszunahmen von 500 g. In der Herde laufen auch sieben rote Wagyus. Sie entwickeln sich schneller und haben dadurch höhere Zunahmen.

Die Marmorierung lässt sich auch über die Fütterung steuern. Die Tiere weiden ganzjährig. Mutterkühe bekommen zusätzlich Heu oder Grassilage. Masttiere sind in den ersten zwei Lebensjahren auf der Weide und fressen zusätzlich Maissilage, Körnermaismehl und Rapsschrot. Während der Endmast im Stall gibt es eine maisbetonte Ration mit 4 bis 6 kg Körnermaismehl. Erstmals hat ter Haar auch Hafer geschnitten und siliert.

„Ich schätze die verschiedenen Vorzüge: Färsen haben eine feine Textur und Ochsen wachsen langsamer als nicht kastrierte Bullen. Ein Pluspunkt für die Marmorierung“, erklärt Philipp ter Haar. Zudem seien sie ruhiger im Umgang. Auch alte Kühe zeigen gute Fleischqualitäten. Sie haben gelbes anstatt weißes Fett, was aromatischer und geschmackvoller ist. Für den Fleischverkauf sind sie durch die Vornutzung wirtschaftlich attraktiv. Ein weiterer Vorteil der Kühe: aus ihnen lassen sich gute Steaks schneiden. „Sie wiegen mit 280 bis 330 kg am Haken deutlich weniger als Ochsen. Ein 4 bis 5 cm dickes Tomahawk-Steak wiegt dann 0,9 bis 1,3 kg. Eine schöne Größe, um mit zwei bis drei Leuten zu grillen“, weiß der Metzgermeister. Die Ochsen-Steaks wären mit 1,8 bis 2,2 kg zu schwer und folglich auch teuer.

Onlineshop: Schnell sein lohnt sich

Das Fleisch der Wagyus vermarktet Philipp ter Haar seit gut drei Jahren über seinen Onlineshop. Sobald ein neues Tier geschlachtet wurde, sind die Produkte zu einem bestimmten Zeitpunkt im Onlineshop verfügbar. Die Infos bekommen die Kunden über einen Newsletter per E-Mail, den mittlerweile rund 2300 Menschen abonniert haben. „Pro Bestellwelle haben wir rund 80 bis 130 Bestellungen und sind innerhalb weniger Minuten ausverkauft“, sagt ter Haar. Das günstigste ­Produkt ist Ochsenschwanz für 12,50 €/kg. Filet kostet in der Spitze 189 €/kg. Und für 109 €/kg hat man ein gutes Steak auf dem Grill liegen.

Gut zwei Drittel der Kunden kommen aus direkter Umgebung – ­etwa 30 km vom Betrieb entfernt. Sie holen ihr Fleisch in der Regel selbst ab. Ein Drittel macht sich als Versandware in aluminiumbeschichteten Isoboxen mit Eis gefüllt auf den Weg zu den Kunden. Das Fleisch ist vakuumiert und frisch. Teilstücke mit Knochen werden teils tiefgefroren.

Der Verkauf über den Onlineshop macht 75 % des Fleischumsatzes aus. Das letzte Viertel verkauft der Betriebsleiter an die Gastronomie, zum Beispiel Burgerfleisch oder Side-­Cuts wie Shortrib-Plate, Karubi, Zunge und Leber.

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Zukunft planen

Nach sieben Jahren mit Wagyus und einer eigenen Tierarztpraxis gehen Philipp ter Haar die Zukunftspläne nicht aus: Für die Kalbe­saison will er einen Stall für 30 Mutterkühe und Kälber bauen. Auch ein EU-zertifizierter Schlacht- und Zerlegebetrieb sind bereits ­genehmigt.

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