Auch wenn es nie eine 100%ige Garantie gibt, schützt ein guter Zaun die Herde“, meint der Ackerbauer und Mutterkuhhalter Rainer Eggeling aus Suderburg (Niedersachsen). Er hat in den letzten Jahren rund 25 ha Weideflächen für seine 35 Charolais-Mutterkühe plus Nachzucht mit einem Herdenschutzzaun ausgerüstet. Nachdem vor rund fünf Jahren ein Kalb seiner Herde mutmaßlich von Wölfen gerissen wurde und immer mehr Wölfe in der Region heimisch werden, hat er sich vorbereitet.
Sein Beispiel zeigt: Die zunehmende Wolfspopulation in Deutschland stellt Weidetierhalter vor immer größere Probleme. Zum Schutz der Nutztiere sind die wolfsabweisenden Zäune die wichtigste Voraussetzung. Je nach Bundesland gibt es dafür verschiedene Fördermöglichkeiten. Die Voraussetzungen unterscheiden sich ebenfalls. Einen Überblick zu den Ansprechpartnern bietet das Projekt „Herdenschutz in der Weidetierhaltung“ vom Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL).
Beispielsweise fördert die Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK NDS) bis zu 100% der Materialkosten von Herdenschutzzäunen, berichtet Elke Steinbach, Herdenschutzbeauftragte der LWK NDS: „Für den Zaunaufbau und die Instandhaltung sind die Betriebe dann selbst verantwortlich.“
Es gibt mobile und feste Herdenschutzzäune. „Die Mobilzäune eignen sich für die kurz- und mittelfristige Zäunung von Weideflächen. In Überschwemmungsgebieten kommen Kombinationen aus Fest- und Mobilzäunen zum Einsatz“, erklärt Steinbach.
Grundlagen für den Zaunbau
Für einen Festzaun gelten folgende Grundanforderungen, die einen möglichst hohen Herdenschutz garantieren sollen und z.B. in Niedersachsen die Voraussetzung für eine Förderung sind:
- Der Zaun muss vollständig geschlossen und mit mindestens fünf elektrisch geladenen Litzen verteilt auf eine Höhe von mindestens 90 cm ausgestattet sein. Üblich sind in Rinderherden Litzen auf einer Höhe von 20, 40, 60, 90 und 120 cm. Die Litzenabstände müssen über die gesamte Zaunlänge eingehalten werden.
- Empfohlen sind 2,5 mm dicke Glattdraht-Litzen aus legiertem Stahldraht.
- Zaunerhöhungen mit einer zusätzlichen Litze aus Flatterband oder Breitband sollen mehr Schutz bieten.
- Liegt die zu beweidende Fläche an einem Graben, muss vorab geklärt werden, wer für die Reinigung zuständig ist und welche Auflagen (Zaunhöhe, Abstand zum Graben) einzuhalten sind.
- Der Zaun muss „ortsüblich“ sein. Ab 140 cm Zaunhöhe müssen Landwirte die Bauaufsichtsbehörde kontaktieren.
- Das Weidezaungerät sollte mindestens 1 Joule Entladeenergie über die gesamte Zaunlänge gewährleisten.
- Üblich sind Pfahlabstände mit 6 bis 7 m im Schnitt der Zaunlänge, je nach Bodenart und Topografie.
Häufige Fehler und wie sie sich vermeiden lassen
Beim Zaunbau schleichen sich in der Praxis immer wieder Fehler ein, die es zu vermeiden gilt.
Leistung vom Elektrozaungerät: Unterschätzt wird häufig die Wirkung von einem leistungsstarkem Weidezaungerät, meint Mutterkuhhalter und Zaunbauer Martin Holm. Er empfiehlt Geräte mit einer Entladeleistung von mind. 10 Joule je km Zaunlänge und eine Spannung von mind. 5000 Volt auf dem Draht: „So ist eine ausreichende Spannung garantiert – auch wenn z.B Gräser an den Zaun wachsen oder ein Ast an den Zaun weht.“
Die Förderungen für die Geräte richten sich häufig nach der Zaunlänge und nach der „Maximalzaunlänge unter starkem Bewuchs“ laut Herstellerangaben. Das sei aber nicht zielführend, erklärt Holm: „Dabei handelt es sich um werbliche Aussagen. Die versprochenen Leistungen erreichen die Geräte in der Praxis selten, sodass die Zäune oft eine viel zu geringe Spannung aufweisen.“ Er empfiehlt seinen Kunden daher in der Regel, das Geld in leistungsstärkere Geräte zu investieren.
Das sorge auch dafür, dass sich der Zaun freibrennt und damit den Spannungsabfall durch aufwachsende Pflanzen verhindert. Das garantiere den Herdenschutz und könne auch die Mäharbeiten reduzieren.
Viel Pflegeaufwand wegen bodennaher Litze
Das Freihalten des Zauns ist nämlich sehr aufwendig, weiß auch Landwirt Eggeling. Denn Gräser erreichen die unterste Litze relativ schnell, sodass viel Mäharbeiten nötig sind. Mindestens drei Mal in der Weidesaison mäht er bzw. einer seiner Söhne die rund 7500 m Zaunlänge mit einem Handgerät frei: „Das dauert dann jeweils mehrere Tage. Um die Arbeitszeit zu reduzieren, habe ich jetzt ein Gerät mit sehr geringer Bauhöhe für den Traktor bestellt und hoffe sehr, dass das gut funktioniert.“
Ganzjährig unter Strom: Der Zaun sollte das ganze Jahr unter Strom stehen – egal, ob die Weidetiere draußen sind oder nicht. „Wenn der Wolf vorbeikommt, muss er unbedingt eine negative Erfahrung mit dem Zaun machen“, erklärt Holm.
Durchschlupf verhindern: Der Abstand der untersten Litze zum Boden ist laut Steinbach besonders wichtig: „Bei einem zu geringen Abstand können kleine Wildtiere darin stecken bleiben, den Stromfluss reduzieren und verenden. Bei einem zu großen Abstand könnte der Wolf durchschlüpfen.“
Infos zur Studie des Nabu Niedersachsen zur Wilddurchlässigkeit von Herdenschutzzäunen lesen Sie hier: "Wildwechsel trotz Wolfzäunen möglich"
Deshalb sind auch kleinere Unebenheiten im Gelände zu berücksichtigen. In einem sehr unebenen Gelände oder in Hanglagen empfiehlt Herdenschutzberater Frank Lamprecht, der im Werkvertrag für die forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) tätig ist, grundsätzlich mehr Pfähle bzw. einen geringeren Abstand zwischen den Pfählen.
Überspring-Möglichkeiten und Gewässer absichern
Je nach Region werden Landschaftselemente zu besonderen Herausforderungen beim Zaunbau. Schmale Flächen mit Wallhecken oder Hangflächen können dem Wolf das Einspringen erleichtern. Hier ist streckenweise eine Zaunerhöhung sinnvoll und/oder ein ausreichender Abstand zum Zaun wichtig. Letzteres kann allerdings zu hohen Flächenverlusten führen. Auch Einstiegshilfen, wie ein Baumstumpf, gelagerte Rundballen oder Unterstände sollten Landwirte nicht unterschätzen.
Gewässer absichern: Gräben und Gewässer können Wölfe durchschwimmen. „Für einen Zaun, der einen Graben quert, bietet sich ein Kettenvorhang an. Dafür werden einzelne Ketten im Abstand von 10 cm an einer zusätzlichen Litze angebracht“, sagt Lamprecht. Die Kettenlänge sollte jeweils bis auf 20 cm an den Boden bzw. an die Wasseroberfläche reichen. Ein zwischengeschalteter Energiebegrenzer verhindert bei steigendem Wasserstand einen Kurzschluss und nimmt den Strom von der untersten Litze.
Nicht zu unterschätzen sind außerdem Eintrittsmöglichkeiten über Kanalrohre, Abflüsse oder sogenannte Dohlen als Eintritt in die Weide. Diese sollten mit Gittern abgesperrt sein.
Erdung: Mindestens drei Stäbe mit 1 m Länge
Erdung: Eine wichtige Voraussetzung für einen sicheren Elektrozaun ist eine ausreichende Erdung, damit der Strom im Kreislauf fließen kann. Empfohlen sind mindestens drei Erdstäbe von mindestens 1 m Länge, die im Abstand von etwa 3 m eingeschlagen und mit einem Hochspannungskabel verbunden werden.
Auf trockenen und sandigen Standorten reicht das im Zweifel nicht aus, sagt Mutterkuhhalter Eggeling: „Bei der Erdung sollte man nicht sparen! An einem unserer Geräte haben wir fünf Stäbe einsetzen müssen, bis die Spannung am Zaun passte.“ Die Stromspannung prüft er sowohl bei der Installation als auch regelmäßig mit einem Handmessgerät.
Das Absichern von Toren darf ebenfalls nicht vergessen werden. Dafür bieten sich laut Steinbach spezielle Klemmsysteme mit stromführenden Drähten an, die unter und über dem Tor verlaufen und sich so mitschwenken lassen. „Wichtig ist, das Überspringen bzw. Überklettern genauso wie das Untergraben zu verhindern“, sagt Steinbach.
Milcherzeuger umzäunt auch die Hofstelle
Den Schutz der Hofstelle müssen Betriebe ebenfalls berücksichtigen. So hat der Milchhof Osterwiese der Familien Sander und Homann mit 160 Kühen in Uetze (Niedersachsen) nicht nur 38 ha arrondierte Weide mit einem Herdenschutzzaun ausgestattet, sondern auch die Hofstelle mit vier Toren sowie den Treibgang zum Melkstand wolfabwehrend eingezäunt.
Dirk Sander erklärt: „Nachdem 2020 zwei unserer Rinder auf der Weide gerissen wurden und der Wolf auf dem Hof von Nachbarn gesehen wurde, wollten wir uns vorbereiten. Der Aufwand war groß, aber jetzt haben wir alle Tiere abgesichert – auf der Weide und im Stall.“
Auch Mutterkuhhalter Rainer Eggeling betont den hohen Aufwand für den Zaunaufbau und vor allem für das regelmäßige Freimähen der Zäune: „Gerade dafür wäre eine finanzielle Unterstützung sinnvoll. Uns ist die Mutterkuhhaltung wichtig und wir wollen sie weiterführen – so lange wir den Mehraufwand für den Schutz gegen den Wolf leisten können.“
Kommentar:Die Arbeit beginnt nach dem Zaunbau!
Sowohl Wolf als auch Weidetiere sind gesellschaftlich gewollt. Damit beide auch in Zukunft bestehen können, sind professionelle Herdenschutzzäune die Grundlage und öffentliche Mittel dafür wichtig. Allerdings zahlt die Förderung in den meisten Regionen nur für das Baumaterial. Auf der Arbeit für den Aufbau und der aufwendigen Instandhaltung bleiben Weidetierhalter sitzen. Zudem sind die Vorgaben der Förderungen oft nicht praktikabel. Wenn beispielsweise manche Bundesländer nur Elektrozaungeräte mit einer minimalen Leistung finanzieren, bringt das nur minimalen Schutz und maximalen Mehraufwand für die Tierhalter. Hier muss die Politik nachbessern. Denn fest steht: Der Wolf bleibt. Ob die Weidetiere bleiben, hängt von sicheren und finanzierbaren Schutzzäunen ab.
Anke Reimink, Redaktion top agrar