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Zurück zum Melkstand: Darum schaffen einige Landwirte ihren Melkroboter ab

Melkroboter bringen Flexibilität und stellen große Datenmengen zur Verfügung. Dennoch passt das System nicht zu jedem Betrieb. Wir haben mit Landwirten gesprochen, die heute wieder im Melkstand melken

Lesezeit: 11 Minuten

Die Automatisierung in Kuhställen liegt im Trend. „Immer mehr Betriebe entscheiden sich für einen Melkroboter“, berichtet Herbert Pohlmann, Bauberater beim Landratsamt Emmedingen (Baden-Württemberg). Auch kleinere Betriebe, die ihre Höfe aufgrund politischer und gesellschaftlicher Forderungen neu aufstellen, greifen häufiger auf das automatische Melksystem zurück, ist seine Erfahrung.

„Für Anbindehalter ist das interessant, da nicht jeder die Möglichkeit hat, einen neuen Stall zu bauen.“ Bei der Umgestaltung eines Anbindestalls zum Laufstall lässt sich der Roboter mithilfe einiger Umbaumaßnahmen oft gut integrieren. Ob sich das rechnet? „Ja“, sagt der süddeutsche Bauberater. „Allein durch die Flexibilität, die durch das Wegfallen der starren Melkzeiten entsteht.“ Denn gerade kleine Betriebe werden im Nebenerwerb geführt und die Betriebsleiter haben zusätzliche Standbeine neben der Milchproduktion. Der Melktechnikhersteller DeLaval beschreibt gegenüber top agrar die Bandbreite der Milcherzeuger, die sich für ein automatisches Melksystem entscheiden: „Unsere Betriebe haben wie beim konventionellen Melken zwischen 20 und 1.500 Kühe.“

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Bei einigen Betrieben funktioniert der Roboter einfach nicht.
Beraterin aus NRW

Viele Betriebe erhoffen sich vom Roboter mehr Flexibilität, weniger Zeitaufwand, mehr Tierkomfort und Entlastung bei der körperlichen Arbeit. „Ein weiteres Argument für den Kauf ist, präzise Daten z.B. zur Tiergesundheit zu erhalten und damit im Herdenmanagement schneller entscheiden zu können“, sagt Ulrich Raßenhövel, Vertriebsleiter bei GEA.

Kein Selbstläufer

Dennoch entscheiden sich einige Roboterbetriebe dafür, künftig wieder im Melkstand zu melken. Ein Grund dafür sind falsche Erwartungen an die automatische Technik. „Eine gewisse Technik-Affinität muss vorhanden sein. Die Tierbetreuung bleibt das A und O. Ein Stall wird niemals von alleine laufen“, stellt Pohlmann klar.

Das bestätigt auch Matthias Schalk, Melktechnikmonteur und -berater für GEA-Technik in Paderborn (NRW): „Mit einem Roboter verändern sich alle Betriebsabläufe. Diejenigen, die ihre Herde mit einem konventionellen Melksystem nicht im Griff haben, werden erst recht an einem automatischen Melksystem scheitern.“ Darüber hinaus ist die mit der Flexibilität verbundene ständige Rufbereitschaft für manche Betriebsleiter belastender als vorher vermutet.

Dass das automatische Melken bei einigen Betrieben nicht funktioniert, führt eine Beraterin auf die Kombination aus Landwirten, die mit der Technik nicht zurecht kommen und einer falschen Beratung zurück. Die Melktechnikhersteller bestätigen das: „Es ist wichtig, die persönlichen Wünsche der Betriebsleiter im Vorfeld der Investition zu berücksichtigen. Nur so können wir sicherstellen, dass die Lösung auch zum Betrieb passt“, sagt Raßenhövel von GEA. Eine ausführliche Einführung in ein automatisches Melksystem sei wichtig, um im Nachgang Frust zu vermeiden.

Lieber planbare Arbeit

Und auch die Kosten des automatischen Melkens sind für einige Betriebe ein Grund für den Ausstieg. So auch für Milcherzeuger Jakob Steitz aus Homburg (Saarland). Er will zukünftig im Doppel-18er-Swing-Over melken. „Wir melken seit zehn Jahren mit DeLaval-Robotern und haben eine Leistung von 33,5 kg/Kuh und Tag. Das ist o.k., aber es reicht mir nicht. Schon gar nicht im Verhältnis zu den Kosten in Höhe von 13.000 €/Maschine inkl. aller Betriebsmittel pro Jahr“, sagt der 27-Jährige.

Miriam Wilms von der Landwirtschaftskammer (LWK) NRW wertet Betriebsergebnisse von Roboterbetrieben und konventionell melkenden Landwirten aus: „Unsere Erfahrungswerte liegen bzgl. der Technik- bzw. Anlagekosten bei etwa 7.000 bis 10.000 € Maschinenunterhalt pro Jahr und 10% Afa in Höhe von rund 15.000 € (je nach Ausstattung).

Ein genereller Kostenvergleich zwischen konventionellen und automatischen Melksystemen ist aufgrund der vielen betriebsindividuellen Begebenheiten schwierig. Während die LWK Niedersachsen beim AMS auf Mehrkosten in Höhe von 1,5 ct/kg kommt, zeigten Vergleiche bei Betriebszweigauswertungen von 28 AMS-Betrieben mit 55 Gruppenmelkstandbetrieben der LWK NRW beim Robotermelken Mehrkosten von im Schnitt 2,6 ct/kg energiekorrigierte Milch (ECM) bei festen und variablen Kosten. „Es stellte sich aber auch eine Zeitersparnis von rund 10% heraus“, erklärt Wilms.

Für Jakob Steitz ist die gewonnene Zeit nicht der ausschlaggebende Punkt: „Mir ist es lieber, zu wissen, dass ich drei Stunden im Melkstand stehe und danach Feierabend habe, als ständig Rufbereitschaft zu haben und nachts rauszumüssen.“ Der Junglandwirt schließt nicht aus, irgendwann wieder mit einem Melkroboter zu melken. „Bis dahin muss sich an der Art und Weise der Geschäftsbeziehungen zwischen Herstellern und Landwirten allerdings noch etwas ändern“, sagt er.

Guter Service ist wichtig

Denn Melkroboter müssen rund um die Uhr melken. Bei Störungen, die Landwirte nicht selbst beheben können, muss ein Techniker schnell zur Stelle sein. Das ist aber häufig kaum möglich, weil es immer weniger Händler gibt. „Den Strukturwandel, den wir in der Landwirtschaft beobachten, sehen wir genauso bei Händlern“, erklärt ein Berater. Anders sei das bei Lely, behauptet Marketing-Managerin Elke Stühmer: „Wir arbeiten nicht in einem klassischen Händlernetzwerk, sondern in einem Franchisesystem. Das heißt, wir bieten ein flächendeckendes Beratungs- und Servicenetzwerk nach hohen Standards.“

Die Entscheidung für ein Fabrikat fällen Landwirte nicht zuletzt wegen der Verfügbarkeit des Händlers bzw. der Monteure. Viele Milcherzeuger kritisieren aber die Abhängigkeit vom Melktechnikhersteller bei der Ersatzteil- oder Reinigungsmittelbeschaffung. So berichtet ein Milchviehhalter für ein Ersatzteil zu Anfang der Roboterlaufzeit 188 € bezahlt zu haben. Einige Jahre später waren es 388 €.

Eine generelle Empfehlung für das eine oder das andere Melksystem gibt es nicht. „Milchviehbetriebe sind einem schnellen Wandel unterworfen“, sagt der Hersteller DeLaval. „Die Argumente für oder gegen eine bestimmte Technikform können sich von Betrieb zu Betrieb mit der Zeit ändern.“

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R E P O R T A G E 1

Ungeklärte Probleme am Roboter

Von der Anbindehaltung zum Melkroboter und vom Melkroboter zum Melkstand. Dazwischen: Leistungseinbußen, teure Rechnungen und schlaflose Nächte. Ein Landwirt berichtet.

Michael Steils aus Sellerich (Rheinland-Pfalz) hat große Sprünge hinter sich: Mit 100 Kühen aus der Anbindehaltung und einer Milchleistung von rund 9000 kg/Kuh und Jahr bezog er 2013 einen neuen Boxenlaufstall mit zwei DeLaval-Melkrobotern. Er versprach sich Arbeitsentlastung und mehr Milch. Doch beides blieb aus.

Leistungsrückgang

Stattdessen ging die Milchleistung im Laufe der Jahre auf 7200 kg zurück. Seit knapp einem Jahr melkt der gelernte Landwirt seine mittlerweile rund 230 Kühe im Doppel-20er-Swing-Over-Melkstand – und hat die alte Milchleistung inzwischen fast wieder erreicht.

Nach der Inbetriebnahme der Roboter war der 48-Jährige zunächst zufrieden: „Die Einführung lief gut und der Unterschied zum Melken in der Anbindung war enorm.“ Etwa ein Jahr später machten sich aber die ersten Probleme bemerkbar. „Zu dem Zeitpunkt hatten wir an jeder Box 60 bis 65 Tiere“, sagt Steils. Das System meldete immer wieder Fehler: An guten Tagen waren es 7%, an schlechten Tagen bis zu 35% unvollständig gemolkene Kühe. Die Konsequenz: hohe Zellzahlen, Euterentzündungen und in der Folge Milchverlust und hohe Behandlungskosten. DeLaval tauschte eine Platine aus, die das Problem allerdings nur kurzzeitig löste. Schon nach kurzer Zeit traten die gleichen Fehlermeldungen wieder auf. Zunächst löste eine neu installierte Software vom Hersteller das Problem. Allerdings nicht von Dauer.

Immer wieder Probleme

„Von der Firma hieß es, wir hätten zu viele Kühe am Roboter“, erklärt Steils. 2018 kaufte er also eine dritte, gebrauchte Box. Danach wurde es für einige Zeit besser. Bis es 2019 wieder zu Problemen kam. Die Stromschwankungen seien zu hoch, so die Erklärung von DeLaval.

Nah an der Belastungsgrenze

Inzwischen war die Milchleistung extrem zurückgegangen. Auch die Remontierungsrate hatte sich drastisch verschlechtert: Von 10% in der Anbindehaltung auf über 40% im neuen Stall.

„Schon 2015 habe ich das erste Mal zur Bank gesagt, dass die Roboter raus müssen und ich einen Kredit für einen Melkstand benötige“, schildert der Landwirt. Das ließ sich wegen der in Anspruch genommenen Förderung aber nicht so einfach umsetzen.

Also machte der Landwirt weiter. Aber die Probleme im Kuhstall wirkten sich letztlich auch auf die Psyche aus: „Der Druck war enorm, weil die Zahlen nicht passten“, erklärt der Betriebsleiter. Hinzu kamen die ständigen Alarmmeldungen. Oft nachts oder dann, wenn er gerade kilometerweit weg auf dem Acker war. Am Ende wurde der wirtschaftliche Druck so groß, dass für Steils nur noch eins zur Debatte stand: „Entweder wir hören auf oder die Roboter fliegen raus.“

Umstellen auf Melkstand

Er entschied sich dazu, ein Melkhaus an das vorhandene Stallgebäude anzubauen. Diese Entscheidung zog eine Investitionssumme in Höhe von 500.000 € nach sich. „Die Bank kannte unsere Zahlen aus dem alten Stall und unterstützte uns“, zeigt sich der Landwirt dankbar.

Ende April 2021 lief der erste Durchgang durch den neuen DeLaval- Melkstand. Steils ist zufrieden mit der Entscheidung. Die Milchleistung bewegt sich kontinuierlich in Richtung des Leistungsniveaus aus dem alten Stall. Und auch die Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) spricht Bände: „Von Juli bis Dezember 2021 haben wir deutlich mehr Gewinn erzielt als im selben Zeitraum 2020, als wir noch mit den Robotern gemolken haben“, resümiert der Landwirt. Das führt er unter anderem auf mehr Milchmenge und eine bessere Milchqualität zurück. Auch die Kosten für die vielen Euterentzündungen bleiben jetzt aus, ebenso wie die laufenden Kosten für die Roboter. „DeLaval kalkuliert mit Wartungs- und Instandhaltungskosten von 4.000 bis 5.000 € je Box und Jahr“, schildert der Milchviehhalter. Realistisch waren bei ihm 15.000 bis 18.000 €. „Bei uns hat das automatische Melken Mehrkosten in Höhe von 4 ct/kg verursacht“, fasst Steils zusammen.

Der Grund für die vielen Probleme konnte nie abschließend bestimmt werden. Die BWA lässt den Milcherzeuger aber zumindest wieder optimistisch in die Zukunft blicken.

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R E P O R T A G E 2

Die Kosten sind zu hoch

Marina Schneberger-Gill melkt ihre Herde seit 2014 mit Melkrobotern. Sie schätzt die Flexibilität, will aber trotzdem zurück in den Melkstand. Die Kosten für die Technik sind ihr zu hoch.

Marina Schneberger-Gill ist eigentlich zufrieden mit ihren drei Lely A4-Melkrobotern. Seit 2014 melken diese die 180 laktierenden Milchkühe. 220 Tiere zählt die Herde der Schneberger-Gill GbR in Ippenscheid (Rheinland-Pflalz) insgesamt. Nachdem sich die Leistung in den ersten beiden Jahren verschlechtert hatte, stieg sie daraufhin nach und nach an. Die Tagesleistung liegt heute bei rund 34 l/Kuh und Tag, der Herdenschnitt erreicht fast die 10.000-kg-Marke.

Trotzdem hat sich die 31-Jährige dazu entschieden, zukünftig wieder im Melkstand zu melken. „Der Hauptbeweggrund sind die Unterhaltungskosten für die drei Roboter in Höhe von insgesamt 45.000 €/Jahr“, erklärt die GbR-Inhaberin, die den Betrieb mit ihrem Vater und einem weiteren GbR-Partner führt. Die Summe umfasst unter anderem die Kosten für Verschleißteile und Reinigungsmittel sowie den Servicevertrag. Hinzu kommen noch Strom- und Wasserkosten.

„Wir gehen davon aus, dass die Kosten auf lange Sicht noch weiter steigen. Denn einige Reparaturen sind momentan noch Garantiefälle“, erklärt die gelernte Landwirtin. Pro Roboter haben sie eine Laufzeit von etwa 15 Jahren kalkuliert. Da die Boxen inzwischen acht Jahre alt sind, geht Schneberger-Gill davon aus, innerhalb der nächsten sieben Jahre rund 450000 € in die Hand nehmen zu müssen, um die Roboter zu erneuern.

500.000 € für Melkhaus

Das Geld möchte die Landwirtin lieber in ein neues Melkhaus investieren. Dafür plant sie eine Summe von rund 500.000 € ein. „Die Investitionskosten sind zwar etwas höher, dafür gehe ich aber von einer längeren Haltbarkeit der Technik und niedrigeren Instandhaltungskosten aus“, sagt sie.

Die Entscheidung hat sie mit einem weinenden und einem lachenden Auge getroffen. „Mich stört die dauerhafte Rufbereitschaft: Der Roboter ruft an, wenn es Probleme gibt. Das kann auch mehrmals pro Nacht vorkommen. Es muss permanente Erreichbarkeit gesichert sein – auch beim Familienausflug oder auf einer Geburtstagsparty.“ Ein weiterer Nachteil der Melkroboter ist aus ihrer Sicht, dass sie überlastet sind, wenn zeitweise mehr als 180 laktierende Kühe zu melken sind. „Das Problem habe ich im Melkstand nicht“, ist Schneberger-Gill sicher. Die Konsequenz war in der Vergangenheit, dass sie Färsen oder Altkühe frühzeitig verkaufen musste.

Zufrieden war sie bei Lely immer mit dem Service und der Herdenmanagementberatung. „Unser Vorteil ist, dass der Techniker nur 10 km entfernt wohnt. Wenn es ein Problem gibt, ist er schnell da“, sagt sie. Sie schätzt die Flexibilität, die das automatische Melksystem schafft: „Ich bin zweifache Mutter und fange momentan morgens erst im Stall an, wenn die Kinder aus dem Haus sind“, erklärt sie. Das wird mit dem neuen Melkstand nicht mehr gehen. „Aber ich bin sicher, dass man sich an alles gewöhnt“, ist sie überzeugt. In Zukunft will sie um 6 Uhr morgens anfangen zu melken.

Täglich drei Stunden melken Ihr Ziel ist es, gemeinsam mit einer weiteren Person die Herde in 1,5 Stunden zu melken, sodass täglich nicht mehr als drei Stunden Melkarbeit anfallen. Dafür hat sie sich für einen Doppel-30er-Swing-Over von Dairy Master entschieden. Das Herdenmanagementprogramm war eins der Kaufgründe: „Wenn man von einem Melkroboter, der alles kann, zurück zum Melkstand geht, wollte ich zumindest eine Einzeltiererkennung und eine Milchmengenmessung haben. Sonst wäre es in puncto Tierdaten ein zu großer Schritt zurück gewesen“, ist Schneberger-Gill sicher. Aktuell wartet der Betrieb auf die Baugenehmigung. Sobald diese da ist, soll die Umstellung auf konventionelles Melken beginnen.

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