Seit dem 5. Oktober dürfen die Schweine aus der niedersächsischen ASP-Überwachungszone zwar wieder geschlachtet werden. Die insgesamt 60.000 bis 70.000 angestauten Tiere wegzuschlachten bereitet jedoch große Probleme. Denn ein Großteil wiegt inzwischen über 170 kg. Damit sind sie eindeutig zu schwer für die meisten Schlachtbänder.
Verkauf nach Italien und Polen
Einige dieser Tiere werden derzeit bei Tummel in Schöppingen, bei Uhlen in Lengerich oder bei Tönnies geschlachtet. Zudem versucht man, einen Teil der deutlich aus der Maske gewachsenen Schweine nach Italien und Polen zu verkaufen. Doch erstens passen bei diesem Gewicht nur 110 bis 130 Schweine auf einen Lkw-Zug. Und zudem werden die Fahrzeuge lange blockiert, weil die Fahrtzeit drei bis vier Tage in Anspruch nimmt.
Vermarktungs-Desaster darf sich nicht wiederholen
Damit sich ein derartiges Vermarktungs-Desaster bei künftigen Ausbrüchen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) in Hausschweinebeständen nicht wiederholt, haben die Verbände der am QS-System teilnehmenden Wirtschaft gestern (6.10.22) eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, die zahlreiche Forderungen an die Landes-, Bundes- und EU-Politik enthält. Zu den Unterzeichnern gehören neben dem Deutschen Bauernverband (DBV) und der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) auch der Raiffeisenverband (DRV), der Verband der Fleischwirtschaft (VDF), der Bundesverband Deutscher Wurst- und Schinkenproduzenten (BVWS) und der Handelsverband Lebensmittel (BVLH).
Hier die Kernforderungen an die Politik:
- Aufrechterhalten der Lieferketten: Die Schweinehaltung basiere größtenteils auf der arbeitsteiligen Produktion. Bestehende Liefer- und Vermarktungsketten müssten daher auch im Seuchenfall im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten aufrecht erhalten bleiben. Dazu gehöre auch, dass die wirtschaftseigenen Standards und Tierwohlprogramme dafür Sorge tragen, praktikable Lösungen für die von den Sperren betroffen Tierhalter finden.
- Vermarktung ermöglichen:Es müssen Vermarktungsmöglichkeiten für die Produkte von Schweinen aus der Schutz- und Überwachungszonen sowie der Schutzzone III entwickelt werden. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) wird aufgefordert, eine gesonderte Kennzeichnung für Schweinehälften aus den genannten Restriktionszonen einzuführen, die eine Diskriminierung dieses Fleisches verhindert und eine freie Vermarktung im Inland ermöglicht. Durch den derzeit vorgeschriebenen Kreuzinnenstempel und die damit verbundene Hitzebehandlung sei dies derzeit nicht möglich, obwohl die Fleischerzeugnisse der Tiere aus Restriktionszonen gesundheitlich vollkommen unbedenklich sei. Schließlich werden alle Tiere vor der Vermarktung tierärztlich untersucht und ASP-frei getestet. Neben dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sei hier auch der Großhandel, die Gastronomie, das Fleischerhandwerk und die Pet Food-Industrie in der Pflicht, dieses Fleisch abzunehmen und zu vermarkten.
- Verkürzung der Dauer von Schutz- und Überwachungszonen:Das BMEL wird aufgefordert, sich kurzfristig mit der EU-Kommission über Kriterien zur Verkürzung der Restriktionszeiten zu verständigen. Sofern in einer Schutz- und Überwachungszone innerhalb der ersten 30 Tage keine weiteren ASP-Ausbrüche in Hausschweinebeständen registriert werden, müssten die Restriktionsfristen verkürzt werden. Da kein Fall dem anderen gleiche, sollten bei der Fristverkürzung regionale Aspekte, die ergriffenen Biosicherheitsmaßnahmen und Erkenntnisse zur Eintragsursache berücksichtigt werden.
- Überarbeitung der Vorgaben zur Fleischerhitzung:Die Verbände appellieren an das BMEL, die EU-Kommission zu einer Anpassung der Verordnung (EU) 2020/687 aufzufordern. Denn bislang sei vorgeschrieben, dass das Fleisch von Schweinen ASP- Schutz- und Überwachungszonen vor dem Inverkehrbringen auf eine Kerntemperatur von mindestens 80 °C erhitzt werden muss. Für derart erhitztes Fleisch gebe es aber so gut keine Verarbeitungs- und Vermarktungsmöglichkeiten. Nach Aussagen des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) reiche es dagegen vollkommen aus, das Fleisch 30 Minuten auf 70 °C zu erhitzen. Das würde die Verarbeitungsmöglichkeiten für dieses Fleisch deutlich vergrößern, z.B. zur Kochschinken- und Brühwürstchenproduktion. Engpässe bei der Vermarktung der Schweine ließen sich dadurch reduzieren.
- Staatliches Aufkaufprogramm:Sollten sich die Vermarktungsmöglichkeiten kurzfristig nicht verbessern lassen, müssten Bund und Länder über ein staatliches Aufkaufprogramm dafür Sorge tragen, das die Schweine aus den Sperrzonen geschlachtet und dann auf Kosten des Bundes bzw. der Bundesländer eingelagert werden. Die Unternehmen der Fleischwirtschaften müssten dafür eine entsprechende Entschädigung erhalten.
- Entschädigung der Schweinehalter:Gleichzeitig müssten auch die vollkommen ohne eigene Schuld in finanzielle Not geratenen Schweinehalter in den Restriktionszonen entschädigt werden. Denn ihnen entstehen durch die Sperrmaßnahmen zusätzliche Mehrkosten (Futterkosten, Transportkosten) sowie drastische Erlöseinbußen bei der Vermarktung ihrer Tiere bis hin zum finanziellen Totalausfall. Die Verbände sehen hier den Staat in der Pflicht, die Schäden, die durch die von ihm angeordneten Maßnahmen bei den Betrieben entstanden sind, auszugleichen.