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Netzwerk „Bauern - LEH“

„Händler haben dann Erfolg, wenn sie mit den Bauern zusammenarbeiten“

Welche Erlöse brauchen Bauern und Händler, um wirtschaftlich zurecht zu kommen? In einem neuen Projekt sitzen künftig junge Nachwuchsführungskräfte aus Landwirtschaft und LEH an einem Tisch.

Lesezeit: 8 Minuten

Tausende Bauern protestieren regelmäßig vor den Warenlagern der großen Lebensmittelkonzerne oder ziehen vors Kanzleramt in Berlin. Die Wut der Landwirte kommt nicht von ungefähr: Viele haben es satt, mit Niedrigpreisen abgespeist zu werden und immer neue Auflagen des LEH erfüllen zu müssen. Viele Landwirte wollen, dass ihnen die mächtigen Vertreter des LEH endlich zuhören. Denn nur im Gespräch kann man Probleme lösen.

Getreu diesem Motto haben die beiden Fachmagazine top agrar und Lebensmittel Praxis bereits im Jahr 2018 den Arbeitskreis „Bauern treffen Händler. Händler treffen Bauern“ gegründet. Hier diskutieren regelmäßig Lebensmitteleinzelhändler und Landwirte über aktuelle Themen entlang der Wertschöpfungskette. Jetzt wird die Gesprächsreihe erweitert!

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Zusammen mit der food akademie in Neuwied und der Justus-von-Liebig-Schule in Vechta treffen sich künftig junge Nachwuchsführungskräfte aus dem Bereich der Landwirtschaft und dem Lebensmittelhandel. Das Ziel ist, sich gegenseitig über aktuelle Themen, wie z.B. die Preisgestaltung bei Milch und Fleisch, auszutauschen, Fragen der Tierhaltung zu diskutieren und das gegenseitige Verständnis zu verbessern. Was darüber hinaus geplant ist, erklären Gabriele Droste-Kühlung, Schulleiterin der Justus-von-Liebig-Schule und Thorsten Fuchs, Leiter der food akademie, im Interview mit top agrar und der Lebensmittel Praxis.

Interview

Frau Droste-Kühling, Herr Fuchs, viele Bauern werfen dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) Preisdumping vor und sehen die Schuld für die wirtschaftliche Krise im LEH. Das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel ist belastet. Das wollen Sie ändern und künftig Schüler aus den Fachbereichen Handelsfachwirt und Betriebswirt Landwirtschaft an einen Tisch bekommen. Was genau planen Sie und was sind die Ziele des Projektes?

Fuchs: An der food akademie Neuwied bilden wir Fachschüler für die erfolgreiche Selbstständigkeit als Lebensmittelkaufmann aus. Wir vermitteln unseren Schülern u.a., dass der Händler immer dann den größten Erfolg hat, wenn er mit den Landwirten zusammenarbeitet. Am Ende müssen Handel und Landwirtschaft gemeinsam nach Lösungen suchen! Wir erarbeiten außerdem Konzepte, wie Wertschöpfung gemeinsam in der Kette gelingen kann. Dabei spielen u.a. die Themen Regionalität und Produktqualität eine große Rolle.

Droste-Kühling: Uns an der Landwirtschaftsschule ist wichtig, dass Lebensmittelproduktion und -handel nicht allein unter den Gesichtspunkten Wertschöpfung und Gewinnmaximierung betrachtet werden. Ganz wichtig ist auch die Wertschätzung der produzierten Lebensmittel. Unsere Schülerinnen und Schüler sollen außerdem das handwerkliche Rüstzeug für die erfolgreiche Selbständigkeit erhalten. Nur so können sie ihre Betriebe zukunftsfähig aufstellen. Dabei geht es immer häufiger auch um die Frage, wo die Kosten für eine umwelt- und tiergerechte Produktion unserer Lebensmittel entstehen und wer sie tragen muss.

Unsere Schüler wissen oft nicht, was die Produktion von Milch und Fleisch beim Bauern kostet.

Welche Vorteile sehen Sie durch die Zusammenarbeit für beide Branchen?

Droste-Kühling: Die Auseinandersetzung mit dem Thema Lebensmittelproduktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette und den Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, führt zu einer ganz anderen ethischen Haltung z.B. gegenüber den Fragen „Was ist ein fairer Preis?“ und „Ist die Übernahme der Kosten für Umwelt und Tierwohl alleinige Sache des Produzenten?“ als wenn man das nur aus der Brille der Landwirtschaft betrachtet. Ebenso von Bedeutung ist, dass die Fachschüler der Agrarwirtschaft die Prämissen des Handels näher und besser kennen lernen und sich im direkten Kontakt mit den zukünftigen Betriebsverantwortlichen austauschen können.

Fuchs: Unsere Fachschüler lernen zwar die Handelskalkulation, haben aber keine Ahnung davon, welche Kosten bei der Produktion von Milch oder Fleisch entstehen. Durch die Zusammenarbeit lernen sie, welche Kosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette entstehen.

Welche Alters- bzw. Schulklassen nehmen an dem Projekt teil?

Fuchs: Für die Lebensmittelfachschule wird die Abschlussklasse HBW A20 (Handelsbetriebswirte Vollzeit) teilnehmen. Die neun Schülerinnen und Schüler sind im Alter von 21 bis 45 Jahre. Einige von Ihnen sind Junioren und werden in wenigen Monaten im elterlichen Betrieb Verantwortung übernehmen.

Droste-Kühling: Von der Justus-von-Liebig-Schule werden 22 Schüler im Alter von 20 bis 26 Jahren an dem Projekt teilnehmen. Die Schüler bzw. Jungunternehmer engagieren sich schon jetzt größtenteils im elterlichen Betrieb und sind dadurch täglich mit betriebswirtschaftlichen und ethischen Fragestellungen des Berufes konfrontiert.

Wie oft werden die Schüler gemeinsam diskutieren und wie muss man sich den Ablauf vorstellen?

Fuchs: Die Schüler arbeiten bereits mit Ihren Fachlehrern intensiv an dem Projekt. Primär geht es im ersten Schritt darum, dass in der Unternehmensführung bzw. Kalkulation jede Seite ihre Hausaufgaben macht und z.B. die entsprechenden Zahlen parat hält. Im zweiten Schritt sollen die Ergebnisse dann im Sinne der Wertschöpfungskette zusammengeführt werden. Dazu wird es die ein oder andere Online-Konferenz geben. Wenn danach jede Klasse für sich separat an ihren Aufgaben weiterarbeitet, ist es wichtig, den roten Projektleitfaden nicht zu verlieren.

Wann ist das erste offizielle Treffen geplant?

Droste-Kühling: Das erste persönliche Treffen ist am 19. und 20. Mai 2021 im Landkreis Vechta vorgesehen, sofern Corona das zulässt. Dann wird sich unser Management-Nachwuchs bei gemeinsam gestalteten Unterrichtseinheiten und Besichtigungen landwirtschaftlicher Betriebe austauschen. Da alle Schüler das Treffen komplett selbst finanzieren müssen, sind wir bisher in unseren Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Wir würden uns freuen, wenn noch der ein oder andere Sponsor aus dem LEH und der Agrarwirtschaft das wichtige Projekt unterstützt.

Wenn es die Großen nicht schaffen, soll zumindest der Nachwuchs die Wertschöpfungskette gemeinsam voranbringen.

Welche Themen sollen in den Diskussionsrunden angesprochen werden?

Fuchs: Behandelt werden ausschließlich betriebswirtschaftliche Fragen. Wir haben den Anspruch, dass wenn es die Großen der Branche nicht schaffen, zumindest der Management-Nachwuchs die Wertschöpfungskette gemeinsam voranbringt. Deshalb konzentrieren wir uns in der ersten Phase auf die Unternehmensführung bzw. die Kalkulation. Im Konkreten geht es um die Vollkostenkalkulation der Schweine- und Bullenmast auf Erzeugerseite sowie um die entsprechende LEH-Kalkulation von Fleisch an der Bedien- und SB-Theke.

Und damit der praktische Aspekt nicht zu kurz kommt, wird die Diskussion natürlich durch den Besuch eines Schweine- und Bullenmastbetriebes ergänzt. Beim Präsenztreffen im Mai legen die Schüler dann die nächsten Themen fest. Denn das Projekt verspricht nur Erfolg, wenn es auch langfristig angelegt ist.

Welchen Nutzwert können die Schüler der beiden Fachrichtungen aus Ihrer Sicht ziehen? Wo sehen Sie die Vorteile der Kooperation?

Fuchs: Unsere Fachschüler werden mit diesem Projekt die Wertschöpfungskette viel besser verstehen und ihr Netzwerk in Richtung Landwirtschaft erweitern. Gemeinsam mit ihren Kollegen von der Agrarfachschule werden Sie den Großen zeigen, dass Wissen die Basis erfolgreicher Verhandlungen ist.

Droste-Kühling: Es wäre wünschenswert, wenn sich unsere Kooperation langfristig verstetigt und die Erkenntnisse und Ansätze Beachtung bei den Diskussionen und Absprachen zwischen Handel, Agrarwirtschaft und Politik finden. In Zukunft wird es hoffentlich dazu führen, dass bei den Diskussionen um Preispolitik deutlich mehr Transparenz herrscht und man sich eventuell auf eine gemeinsame Sprache verständigt.

Bei den jungen Leuten, die jetzt erste Erfahrungen in der Selbstständigkeit sammeln, trägt es hoffentlich dazu bei, dass eine gewisse Neugier, Offenheit und vor allem die Bereitschaft zur Kommunikation erhalten bleibt und in Zukunft miteinander statt übereinander gesprochen wird.

Wichtig ist, die Ergebnisse breit zu kommunizieren. Wer ist auf der Medienseite Mitinitiator des Projektes und wo finden Interessierte die Ergebnisse der Diskussionsrunden?

Fuchs: Zu den Initiatoren gehören die Fachzeitschriften top agrar und die Lebensmittel Praxis sowie Franz-Martin Rausch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels. Alle sind davon überzeugt, dass der Führungsnachwuchs aus Landwirtschaft und Handel gemeinsam viel mit- und übereinander lernen kann.

Neben den beiden Fachzeitschriften top agrar und LP werden auch die regionalen Tageszeitungen eingebunden. Darüber hinaus wird es Aufgabe der beteiligten Fachschüler sein, die Projektergebnisse entsprechend aufzubereiten und z.B. über alle Social Media Kanälen zu verbreiten.

Die „food akademie“ Neuwied

Die gemeinnützige food akademie Neuwied GmbH ist der wirtschaftliche Träger der privaten und staatlich anerkannten Bundesfachschule des Lebensmittelhandels. Thorsten Fuchs ist Direktor der Akademie. Seit über 80 Jahren ist die Neuwieder Lebensmittelfachschule die einzige Branchenfachschule des deutschen Lebensmittelhandels.

In ein- bis dreijährigen Bildungsprogrammen schließen die aktuell 1.200 Fachschüler mit den Fachschulabschlüssen Handelsfachwirt (Bachelor Professional) bzw. Handelsbetriebswirt (Master Professional) ihre Ausbildung ab. Durch Kooperationen mit Hochschulen ist auch ein Abschluss als akademischer Bachelor oder Master ohne Abitur möglich.

Zahlreiche Handelskarrieren und Existenzgründungen haben ihren Anfang in Neuwied genommen. Viele „Neuwieder“ sind heute selbstständige Lebensmittelkaufleute als Partnerkaufmann im Genossenschaftsverbund der Edeka oder der Rewe.

Die „Justus-von-Liebig-Schule“ Vechta

Die Berufsbildenden Schulen III in Vechta, Justus-von-Liebig-Schule, bilden zurzeit ca. 1.000 Schülerinnen und Schüler in den Bereichen Agrarwirtschaft, Hauswirtschaft, Pflege und Sozialpädagogik aus. Hier können alle Schulabschlüsse vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur erreicht werden. Schulleiterin ist Gabriele Droste-Kühling.

Der Name zeigt deutlich die Wurzeln der Schule, die in der landwirtschaftlichen Ausbildung ihren Ursprung hat. Seit 125 Jahren ist diese mit Einführung der „Landwirtschaftlichen Winterschule“ im ländlich strukturierten Landkreis Vechta fester Bestandteil. Insbesondere durch die hohe Qualität der Ausbildung in diesem Berufsbereich, der auch heute ein wesentliches Standbein der Schule ist, war die enorme Entwicklung der Landwirtschaft in der Region möglich. Die Ausbildung im Agrarbereich ist darüber hinaus von einer guten Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer, dem Kreislandvolk und den vor- und nachgelagerten Betrieben geprägt.

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