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„Tierwohl muss auch beim Ferkel honoriert werden!“

Sauenhalterin Annika Rösch setzt in ihrem Betrieb verschiedene Tierwohlmaßnahmen um. Bei der Ferkelvermarktung zahlt sich das aber bisher nicht aus.

Lesezeit: 9 Minuten

Das Tierwohl muss an erster Stelle stehen!“ Das stand für Junglandwirtin Annika Rösch bereits von Anfang an beim Umbau des Sauenstalls fest. Gemeinsam mit ihrem Vater Ernst bewirtschaftet die 26-Jährige einen Sauenbetrieb inklusive Ferkelaufzucht und 200 ha Ackerbau in Schalkstetten im Alb-Donau-Kreis auf der Schwäbischen Alb, Baden-Württemberg.

Bei der Bestandserweiterung von 400 auf 600 Sauen vor rund zwei Jahren entschiedenen sich Röschs bewusst gegen einen herkömmlichen Sauenstall. „Denn die Forderung nach mehr Tierwohl ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken“, begründet die Landwirtin ihre Entscheidung. Im Jahr 2019 bauten Vater und Tochter deshalb einen komplett neuen Abferkelstall mit großzügigen Bewegungsbuchten sowie ein neues Deckzentrum mit Auslauf. Dies wurde vom Agrarinvestitionsförderungsprogramm (AFP) und der Europäischen Innovationspartnerschaft für landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit (EIP-Agri) gefördert.

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Fokus auf Buchtenstruktur

„Bereits damals waren größere Abferkelbuchten und Bewegungsbuchten im Gespräch, sodass schnell klar war, dass wir nicht unter 7 m² bauen werden“, erklärt Annika Rösch. Unabhängig von der Größe planten Röschs zunächst, wie die Bucht strukturiert sein sollte. Großen Wert legten sie nicht nur darauf, dass Sau und Ferkel viel Platz haben. Auch das Stallpersonal sollte in der Bewegungsbucht so einfach und sicher wie möglich arbeiten können.

Die Wahl fiel schließlich auf eine 7,5 m² große Bewegungsbucht vom Stalleinrichter En-Sta. Insgesamt 3,5 m² der Fläche sind planbefestigt, davon 1,1 m² beheizte Fläche im Ferkelnest. Die übrige Bodenfläche ist mit Gussrosten ausgestattet. Die Buchten sind in Parallelaufstallung mit Ferkelnest zum Gang angeordnet. „Damit haben wir einen Kompromiss gefunden, um sowohl den Trog als auch den Geburtsbereich im Blick zu haben“, erklärt Annika Rösch. Niedrige Buchtenabtrennungen sorgen dafür, dass die Land-wirtin und ihre Mitarbeiter leicht in die Bucht einsteigen bzw. sie ohne große Anstrengung wieder verlassen können.

Besonderen Wert hat Annika Rösch zudem auf einen einfachen Öffnungsmechanismus des Ferkelschutzkorbs gelegt. Per Schnellverschluss kann sie den Ferkelschutzkorb mit einer Hand öffnen oder schließen, ohne den Bereich der Sau betreten zu müssen. Das ist wichtig, denn Röschs und ihre Mitarbeiter öffnen bzw. schließen die Ferkelschutzkörbe mehrmals pro Durchgang.

Rund eine Woche vor der Geburt werden die Sauen in den Abferkelstall eingestallt. Am Montag in der Abferkelwoche werden die Sauen dann im Ferkelschutzkorb fixiert. Als Nestbaumaterial streut Annika Rösch von Hand Stroh in den Futtertrog. Auch die planbefestigte Fläche des Ferkelnestes wird mit Stroh eingestreut. Bis donnerstags ferkeln die Sauen dann ab. Ist das letzte Ferkel eines Wurfs geboren, sperrt Rösch die Neugeborenen zunächst ins Ferkelnest. „Das ist wichtig, damit die Ferkel in der großen Bewegungsbucht von Anfang an wissen, wo es warm ist und sie sich zurückziehen können“, so die Landwirtin. Anschließend öffnet sie den Ferkelschutzkorb.

Die Sau lässt Annika Rösch dann für rund zwei Stunden laufen, ehe sie erneut kurzzeitig fixiert wird. „Die Bewegung tut den Sauen gut und bringt die Verdauung in Schwung. Und über eine Mutter-Kind-Tränke können die Sauen zusätzlich viel Wasser aufnehmen“, erklärt sie. Am Abend erfolgt dieselbe Prozedur erneut. „Spätestens 36 bis 48 Stunden nach der Geburt bleibt der Ferkelschutzkorb dann vollständig geöffnet“, erklärt Annika Rösch.

Mit den biologischen Leistungen der Sauen in der Bewegungsbucht ist die Landwirtin zufrieden. Im Schnitt setzt sie 32,1 Ferkel pro Sau und Jahr ab, bei insgesamt 8,9% Saugferkelverlusten und einem durchschnittlichen Absetzgewicht von 7,5 kg. Die Erdrückungsverluste sind nicht gestiegen. Dafür sind nach ihrer Ansicht mehrere Faktoren entscheidend. Zum einen spielt die Form der Aktionsfläche der Sau eine wichtige Rolle. Im geöffneten Zustand hat der Ferkelschutzkorb eine trapezförmige Grundfläche. „Dadurch legen sich die Sauen kontrollierter ab“, hat Rösch beobachtet. Zudem haben die Ferkel in der Bewegungsbucht ausreichend Fluchträume. Und Ablegebügel schützen die Ferkel zusätzlich vor einem Erdrücken durch die Sau.

„Mit der Umstellung der Vaterrasse auf Duroc haben wir zudem deutlich fittere und vitalere Ferkel“, berichtet die Landwirtin. „Diese kommen in der großen Abferkelbucht besser zurecht und finden den Weg zum Gesäuge bzw. Ferkelnest deutlich leichter“, erklärt sie.

Ferkelschlupf hat Vorteile

Eine weitere Besonderheit im Abferkelstall ist ein Ferkelschlupf. Dieser soll den frühen Kontakt zwischen wurffremden Ferkeln während der Säugezeit fördern. In den ersten Lebenstagen der Ferkel bleiben die Schieber des Ferkelschlupfes zunächst geschlossen. Nach rund zweieinhalb Wochen öffnet Annika Rösch den Ferkelschlupf. Drei bis sechs Würfe dürfen dann zusammen laufen. Vorab begutachtet sie, ob die Würfe für eine frühe Gruppierung geeignet sind.

Wichtig ist unter anderem, dass die Ferkelgruppe homogen ist. Probleme mit Fremdsäugen gebe es durch den Ferkelschlupf nicht. Im Gegenteil: Nach rund zwei Jahren kann Annika Rösch von durchweg positiven Erfahrungen berichten. Der Ferkelschlupf ermöglicht nicht nur ein schnelleres Impfen der Ferkel. „Durch die frühe Gruppierung mit anderen Ferkeln in einer gewohnten Umgebung, haben wir nach dem Absetzen im Flatdeck auch deutlich weniger Rangkämpfe“, freut sich die Landwirtin.

Neben all den Vorteilen ihrer Tierwohl-Innovationen hat Annika Rösch jedoch auch negative Erfahrungen gemacht. Von einer Bodengestaltung mit Gussrosten rät die 26-Jährige ab. „Durch die Gussroste kommt es immer wieder vor, dass die Ferkel Fuß- und Karpalverletzungen haben. Ein Kunststoffboden wäre besser gewesen“, gibt sie zu. Bedingt durch die Parallelaufstallung befindet sich zwischen Trog und Gang zudem eine planbefestigte Ecke, in der die Ferkel abkoten und sich Feuchtigkeit sammelt. „Diese Ecke müssen wir täglich mit einem Schieber abziehen und einstreuen“, erklärt Rösch. Auch der Reinigungsaufwand in den Abteilen ist durch die Größe und Struktur der Buchten deutlich erhöht.

Das organische Nestbaumaterial und die Minimaleinstreu im Ferkelnest bereiten hingegen keine Probleme mit dem Wannen-Entmistungssystem. „Der einzige Nachteil ist, dass die Ferkel die Einstreu auf der Festfläche wegschaffen und wir regelmäßig nachstreuen müssen“, sagt die Landwirtin.

Unterschiedliche Klimazonen

Nicht nur im Abferkelstall, sondern auch im Deckzentrum hat sich Annika Rösch viele Gedanken gemacht, um den Sauen mehr Tierwohl zu bieten. Dort sind insgesamt zwei Sauengruppen mit je 50 Tieren und eine Gruppe mit je 25 Tieren untergebracht. Das Deckzentrum ist in zwei Klimazonen eingeteilt. Der Stallbereich ist mit Selbstfangbuchten und einem großzügigen Laufgang mit 3,6 m Breite in der Doppelreihe und 2,9 m Breite in derEinzelreihe ausgestattet. Durch eine Klapptür gelangen die Sauen in einen Außenklimabereich mit Stroheinstreu. „Uns war wichtig, dass die Sauen den Auslauf auch im Seuchenfall nutzen können“, so Rösch. Rund 1,60 m hohe Betonaußenwände mit verschiebbaren Lichtplatten schirmen den Auslauf ab.

Den Großteil der Zeit im Deckzentrum verbringen die Sauen freilaufend. Nach dem Absetzen montags fixiert Annika Rösch die Sauen zunächst für ca. vier Stunden in den Selbstfangbuchten. Ab dem Abend öffnet die Landwirtin die Buchten und lässt die Tiere für fünf Tage frei laufen. Lediglich zum Füttern werden die Sauen fixiert.

Ab Samstagmorgen bleiben die Sauen dann zur Belegung in den Selbstfangbuchten fixiert und werden erst nach der Besamung am Sonntagabend wieder in die Gruppe entlassen. Für den Fall, dass sich eine Sau verletzt hat, stehen zudem sechs Genesungsbuchten mit einer Einstreu aus Sägespänen zur Verfügung. Da der Außenklimabereich eingestreut ist, verletzen sich die Sauen jedoch selten. Die weiche Einstreu federt Rangkämpfe ab. „Wir haben auch beobachtet, dass die Sauen die Fressliegebuchten gerne als Rückzugsort aufsuchen“, so Annika Röschs Erfahrung.

Derzeit stehen jeder Sau rund 4,5 m² Fläche zur Verfügung. „Genug Platz, damit sich die Tiere aus dem Weg gehen können“, ist die Landwirtin überzeugt. Die Vorgaben der neuen Haltungs-VO stellen jedoch auch die engagierte Ferkelerzeugerin vor eine Herausforderung. „Soweit es die wirtschaftliche Lage zulässt, wollen wir noch ein Deckzentrum anbauen, damit wir den Sauenbestand halten und die neuen Vorgaben umsetzen können“, erklärt sie.

Vermarktung ist ein Problem

Das Mehr an Tierwohl, das Annika Rösch ihren Schweinen bietet, kostet viel Zeit und Geld. Die großzügigen Platzvorgaben führen zu rund 30% höheren Kosten und die Bewegungsbuchten verursachen rund 2,5 Stunden Mehrarbeit pro Sau und Jahr. Mit dem Neubau musste Annika Rösch unter anderem einen zusätzlichen Mitarbeiter einstellen.

Umso mehr ärgert es die Landwirtin, dass sie ihre Tierwohlleistungen nicht honoriert bekommt. Jährlich vermarktet sie rund 18.000 Ferkel. Den Großteil verkauft sie ohne zusätzliche Tierwohlvergütung an feste Mäster, die am Tierwohlprogramm „Wertschätze“ von Kaufland teilnehmen. Das Programm entspricht der Stufe 3 der Haltungskennzeichnung des Lebensmitteleinzelhandels. Vorgeschrieben sind unter anderem 40% mehr Platz, Auslauf bzw. Offenfrontstall und gentechnikfreie Fütterung. Die Mäster erhalten für die Schweine einen fixen Bonus. Das Problem: Als Ferkelerzeugerin erhält Annika Rösch keine zusätzliche Vergütung ihrer Tierwohlleistungen. Sie vermarktet die Ferkel nach Notierungspreis an die Programmmäster.

Zuschlag selbst aushandeln?

„In Gesprächen mit Kaufland wurden wir abgewimmelt. Uns wurde vorgeschlagen, das Entgelt mit den Mästern selbst auszuhandeln“, kritisiert die Landwirtin. Von den Tierwohlprogrammen fühlt sich Annika Rösch nicht mitgenommen. „Ohne uns Ferkelerzeuger funktioniert die gesamte Kette jedoch nicht“, gibt sie zu bedenken. „Wenn man Fleisch aus höheren Haltungsstandards vermarkten will, muss das Tierwohl auch über die gesamte Kette von der Geburt bis zur Schlachtung honoriert werden“, ist sie überzeugt. Lediglich für 2.400 Ferkel pro Jahr hat sie einen Absatzweg gefunden, bei dem sie einen festen Mindestpreis erhält. Die Tiere werden als Metzgerschweine über das „Bad Boller Strohschwein“ vermarktet. Mit dem Mäster haben sich Röschs auf einen Mindestpreis und auf eine Preisobergrenze für die Tierwohl-Mastläufer geeinigt.

Für die Zukunft wünscht sich Annika Rösch vor allem eines: Dass sie ihre Tierwohlferkel auch endlich mit einem entsprechenden Aufschlag vermarkten kann. Mit ihrem Ferkelhändler steht sie derzeit im intensiven Kontakt, um mit den Mästern des Wertschätze-Programms faire Preise für ihre Tierwohlferkel auszuhandeln.

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