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Tierwohl TV bei Rewe: „Schau Mama, da läuft mein Schnitzel“

Bei „Tierwohl TV“ übertragen Kameras Livebilder aus dem Schweinestall in den Supermarkt. top agrar hat mit Rewe-Händler Lutz Richrath und Landwirt Willi Steffens über das Projekt gesprochen.

Lesezeit: 6 Minuten

Rewe-Händler Lutz Richrath verkauft in seinen 15 Lebensmittelmärkten in Köln und im Rhein-Erft-Kreis über 400 regional produzierte Lebensmittel. Alle Produkte werden im Umkreis von maximal 60 km um die Bergheimer Firmenzentrale erzeugt.

Wichtig ist dem Geschäftsmann neben der Regionalität auch, den Produkten ein Gesicht zu geben. „Schon seit Jahren hängen wir in unseren Filialen deshalb Poster von Landwirten auf, deren Produkte ich verkaufe. Auch Flyer mit Informationen legen wir aus“, so Richrath.

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Blick hinter die Kulissen

Ein Bild ist und bleibt aber eine Momentaufnahme. Viel besser ist es, mithilfe von TV-Bildschirmen Livebilder aus den Schweineställen zu zeigen, ist der Händler überzeugt. „Durch einen Livestream erzeugen wir ein digitales Plakat, und so bekommen meine Kunden einen sehr realen Eindruck davon, wie die Schweine, Rinder und Hühner gehalten werden, deren Verarbeitungsprodukte sie bei uns im Supermarkt kaufen. Das ist vielen Kunden wichtig.

Laut Forsa-Umfrage achten inzwischen 86 % der Verbraucher beim Einkauf darauf, wie die Tiere gehalten werden“, berichtet der Rewe-Händler Richrath.

Stallbilder von Tierwohl TV

Lange hat Richrath den technischen Aufwand gescheut. „Ich bin Lebensmittelhändler und kein TV-Experte“, betont er. Doch wie so oft im Leben gibt es für alles eine Lösung. Diese hatte Jürgen Berens von Rautenfeld, Geschäftsführer der Online Software AG und Gründer von Tierwohl TV aus Weinheim bei Mannheim. Der findige Geschäftsmann unterstützt den Lebensmitteleinzelhandel bereits seit mehreren Jahren mit Softwarelösungen für Filialwerbung.

Wie wichtig diese Art der Kommunikation ist, zeigen Studien der Gesellschaft für Konsumforschung (GFK). Während sich der Absatz durch das Aufhängen von Plakaten um etwa 14% steigern lässt, sind beim Abspielen von Videos je nach Produktgruppe rund 20% mehr Umsatz möglich.

Die Zahlen kennt auch Rewe-Händler Richrath. Deshalb hat er sich für folgendes Livebild-Konzept entschieden:

  • In verschiedenen landwirtschaftlichen Lieferbetrieben mit Tierhaltung hängen jeweils zwei Kameras in den Schweine-, Hühner- oder Rinderställen. Der Landwirt kann diese per Kippschalter abstellen, wenn er nicht gefilmt werden möchte. Das schreibt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) so vor.



  • Im Supermarkt sind Flachbildschirme aufgestellt, auf die die Bilder aus dem Stall in Echtzeit übertragen werden.



  • Dank der intelligenten Software kann der Händler den Livestream in sein eigenes Filialdesign einbetten und damit den Wiedererkennungswert erhöhen. Auch Hintergrundinformationen, wie zum Beispiel Angaben zu einem Tierwohllabel oder die Größe des Betriebes, können auf dem Bildschirm mit den Live-Bildern kombiniert werden.

Natürlich hat die Technik ihren Preis. „Die Investitionskosten für zwei Kameras und einen Bildschirm liegen bei rund 6.000 €. Hinzu kommen monatliche Streamingkosten von ca. 50 € pro Kamera“, erklärt Jürgen Berens von Rautenfeld. Wer die Kosten trägt, ist Verhandlungssache. Im Fall von Lutz Richrath ist es der Lebensmittelhändler.

Der Bauer hinter den Bildern

Natürlich funktioniert Tierwohl TV nur, wenn auch Landwirte mitmachen. Jürgen Berens von Rautenfeld berichtet, dass sich bislang vor allem Tierhalter dazu bereit erklärt haben, die ihre Produkte im Rahmen einer Direktbeziehung zu einem Händler vermarkten. „Durch die Livebilder können die Landwirte einerseits ihre Geschäftsbeziehung zum Lebensmittelhändler intensivieren. Andererseits bieten die Aufnahmen dem Tierhalter die Möglichkeit, den eigenen Betrieb als Marke weiter zu entwickeln“, ist von Rautenfeld überzeugt.

Ein Pionier ist Schweinemäster Willi Steffens aus Brüggen-Bracht bei Kempen. Er vermarktet seit über 25 Jahren Strohschweine. Seine Tiere stehen in Außenklimaställen auf Tiefstreu. Jedes Jahr liefert der rheinländische Landwirt knapp 8.000 Strohschweine an Rewe-Richrath.

„Als ich mit Strohschweinen gestartet bin, haben mich zahlreiche Berufskollegen belächelt. Inzwischen gibt es aber viele Nachahmer. Ich habe deshalb nach einem neuen Alleinstellungsmerkmal für meinen Vermarktungsweg gesucht. Die Idee, dem Verbraucher mit Livebildern zu zeigen, wie ich Schweine mäste, gefiel mir auf Anhieb“, erklärt Willi Steffens sein Engagement.

In einem seiner Außenklimaställe hat Steffens Anfang 2019 zwei Kameras aufhängen lassen, denen Staub und Feuchtigkeit nichts anhaben können. Diese zeigen zwei unterschiedliche Perspektiven. Kamera 1 hat den Liegebereich der Mastschweine im Fokus und Kamera 2 erfasst den Trogbereich. Die Übertragung läuft immer von 8 Uhr morgens bis 20 Uhr abends. „Wir haben uns an den Öffnungszeiten der Fleischtheken orientiert“, erklärt Steffens das klar definierte Zeitfenster.

Bereut hat der Landwirt den Einbau der Kameras nicht. „Wir haben nichts zu verbergen und wenn ich möchte, kann ich die Übertragung vorübergehend ausstellen“, erklärt er. „Bild aus“ heißt es unter anderem beim Reinigen der Ställe. Denn die Feuchte im Stall verhindert eine gute Bildqualität.

Bei der Tierbeobachtung empfindet Steffens die Kameras sogar als Bereicherung. „Mithilfe der Technik kann ich die Mastschweine zwischendurch auch mal ungestört beobachten. Das ist gerade beim Thema Schwanzbeißen hilfreich“, erklärt der Landwirt.

Kunden bleiben stehen

Und wie reagieren die Kunden im Supermarkt auf die Livebilder? „Äußerst positiv“, betont Rewe-Händler Lutz Richrath. Erwachsene aller Altersgruppen bleiben immer wieder vor den aufgehängten Monitoren stehen und schauen sich die Videoübertragung in Ruhe an. Lebhafter reagieren viele Kinder. „Schau Mama, da läuft mein Schnitzel“ oder „Guck mal Papa, da schaut ja nur der Kopf des Schweins aus dem Stroh“ sind nur zwei Beispiele für die vielen positiven Reaktionen.

Lutz Richrath ist überzeugt davon, dass die Bewegtbilder den Fleischabsatz in seinen Filialen weiter ankurbeln werden. „Wir sehen bereits heute, dass der Absatz des Fleisches vom Betrieb Willi Steffens, das wir unter unserer Eigenmarke ‚Richrath’s Landmetzgerei‘ vermarkten, dank der digitalen Plakate kontinuierlich wächst“, verrät der Unternehmer.

Dabei ist es nach Aussage des Rewe-Händlers auch kein Problem, dass das Fleisch an der Ladentheke deutlich mehr kostet als die konventionelle Ware. Der Mehrpreis ist notwendig, weil Landwirt Steffens einen Aufschlag von rund 25% auf den Marktpreis erhält. Steffens hat sich im Gegenzug dazu verpflichtet, alle Tiere auf Stroh im Außenklimastall zu halten sowie auf den Einsatz von Antibiotika und Sojaschrot aus Übersee zu verzichten.

„Wenn der Kunde sieht, woher das Fleisch kommt, wie wir die Tiere halten und wenn ihn am Ende auch noch der Geschmack überzeugt, haben wir alles richtig gemacht“, sind sich Händler Richrath und Landwirt Steffens darin einig, dass Livebilder aus dem Stall für den Schweinefleischabsatz gut sind.

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