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TA-Luft beim Schweinestallbau: Fachmann beantwortet ungeklärte Fragen

Schon seit fast einem Jahr gilt die neue TA-Luft. Trotzdem gibt es derzeit noch viele ungeklärte Fragen. Für die betroffenen Landwirte ist das ein Problem.

Lesezeit: 6 Minuten

Wir sprachen mit Martin Kamp, Leiter Immissionsschutz, Landwirtschaftskammer NRW, über die offenen Fragen bei der TA-Luft.

Was müssen BImschG-genehmigte ­Betriebe bei Stallneubauten beachten?

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Kamp: Bei Neubauten müssen ­Landwirte besonders die Ammoniakemissionen senken, indem sie emissionsmindernde Maßnahmen einsetzen. Das gilt auch bei wesentlichen Umbauten ­bestehender Ställe, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, z. B. beim Anbau von Ausläufen oder einzelnen Abteilen.

V-Anlagen (z. B. 1.500 bis 1.999 Mastschweine) müssen einen Abluftfilter einbauen, G-Anlagen (z. B. 2.000 und mehr Mastschweine) emis­sionsmindernde Techniken planen (mehr zu G- und V-Anlagen unten).

Was gilt bei den Emissionsminderungen für bestehende Anlagen?

Kamp: G-Anlagen müssen die Emissionen durch Nachrüstung einer Abluftreinigungseinrichtung um 70 % ­verringern und außerdem auch Gerüche. Bis zur Umsetzung haben diese Betriebe bis Dezember 2026 Zeit. Ab dann soll die Abluftreinigung regelmäßig kontrolliert werden, unter anderem durch das Führen eines elektronischen Betriebstagebuchs. V-Anlagen müssen die Emissionen um 40 % senken, ­indem sie emissionsmindernde Techniken einbauen. Das muss bis spätestens Dezember 2028 passiert sein.

Ein Abluftfilter ist sehr teuer. Wie soll ein Betrieb das leisten?

Kamp: An dieser Stelle weist die TA-Luft auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hin. Ist die Nachrüstung wirtschaftlich oder technisch nicht verhältnismäßig, hat die Genehmigungsbehörde einen Ermessensspielraum. Letzteres ist z. B. auch bei Freiluft­ställen der Fall, denn hier ist eine Abluftreinigung technisch gar nicht umsetzbar.

Wann es wirtschaftlich nicht ­verhältnismäßig ist, ist noch strittig. Es bleibt noch unklar, welche Kosten die Landwirte für die Berechnung ansetzen dürfen: Gelten nur die Umrüstkosten selbst, also nur für Umbauten, um die Technik in den Stall zu integrieren? Oder gelten auch Kosten für den Kauf der Reinigungseinrichtung und die laufenden Betriebskosten? Werden letztere mit eingerechnet, dürfte letztlich fast jeder Betrieb zumindest in NRW von der Pflicht befreit werden.

Wenn die Betriebe von der Filterpflicht befreit sind, sind sie dann von jeglicher Minderungspflicht befreit?

Kamp: Nein. Diese Betriebe müssen dann ihre Emissionen um 40 % verringern mit den Techniken, die auch die V-Betriebe einsetzen müssen. Das gilt auch für Tierwohlställe. Werden die Tierwohlanforderungen mit einem ­Außenklimastall umgesetzt, dann erfüllt der Landwirt die Anforderungen sogar bereits mit dem dafür festgelegten Minderungsfaktor von nur 33 %. Strittig ist aber, welche Ställe genau als sog. tierwohlverbessernde Haltungsverfahren gelten. Hier fehlt noch eine Definition der Ausnahmebegriffe.

Welche Techniken zur Emissionsminderung von mindestens 40 % sind das?

Kamp: Die in der TA-Luft genannten Techniken sind aus dem EU-Merkblatt für die Beste verfügbare Technik (BVT) für den Sektor Tierhaltung zusammengestellt. Daher sind in der TA Luft auch Techniken aufgeführt, die in Deutschland kaum etabliert sind, in anderen Ländern aber als ausgereift gelten. Das ist beispielsweise die Ansäuerung der Gülle, die in Dänemark stark verbreitet ist.

In Deutschland gibt es hier vor allem zwei Herausforderungen: Zum einen ist unklar, wie säureresistent der Beton in Güllekanälen ist. In Dänemark wird da beim Neubau direkt darauf ­geachtet, in Deutschland bisher nicht. Ebenfalls ist unklar, wie der Landwirt die Säurezufuhr kontrolliert.

Zum anderen lagern die Tierhalter in Dänemark die Gülle nicht unter dem Stall. Sie wird zur Lagerung direkt in einen Güllebehälter geleitet. Dann kann der Landwirt die Menge, die zugeführt wird, direkt messen und die entsprechende Säuremenge hinzufügen. Das ist in Deutschland bei Ställen mit Unterstalllagerung, also Güllekellern, erheblich schwieriger.

Eine weitere BVT ist, die Gülle auf 10 °C zu kühlen. Die Kühlung ist technisch gut nachrüstbar, indem schwimmende Kühlkörper in den Güllekanal installiert werden. Aktuelle Forschungen zeigen allerdings, dass die geforderten 10 °C energetisch und damit wirtschaftlich unrentabel sind, gerade bei den aktuellen Energiepreisen.

Am ehesten werdenwohl geneigte Güllekanäleumgesetzt.

Was glauben Sie, welche Techniken sich bei den Landwirten etablieren?

Kamp: Ich glaube, dass am ehesten geneigte Güllekanäle umgesetzt werden können. Dabei reduziert sich die Oberfläche im Kanal, sodass die Emissionen laut TA Luft um 50 % sinken. Der Um­bau bestehender Kanäle ist technisch gut vorstellbar, Erfahrungen fehlen aber noch.

Einziges Problem ist, dass durch die Neigung der Wände entsprechende Kapazität zum Güllelager verloren gehen könnte. Die Trennung von Kot und Harn mit einem Unterflurschieber reduziert die Emissionen um 50 %. Eine Nachrüstung ist aber praktisch nicht machbar.

Für den Anbau eines Außenauslaufes ist die Technik gut geeignet, aber natürlich deutlich teurer als ein planbefestigter Boden, der jedoch täglich mit dem Frontlader oder per Hand abgeschoben werden muss. In Entwicklung ist eine Kot-Harn-Trennung für planbefestigte Böden. Dies wäre über ein Förderband möglich. Diese Technik gilt aber noch nicht als BVT auf EU-Ebene. Nicht bekannt bzw. anerkannt ist, wie viel Emissionsminderung sie bringt.

Was raten Sie, wenn die Tierzahl an der Grenze zur G-Anlage liegt?

Kamp: Sehr individuell: Bei Grenzfällen, z. B. bei einem Bestand von 2 200 Mastschweinen, rate ich Landwirten, auf 1999 abzustocken, sodass man als V-Anlage zählt. Vielleicht ist durch die Abstockung und das dadurch höhere Platzangebot eine andere, besser vergütete Vermarktung möglich.

Wer prüft die Umsetzung der TA Luft?

Kamp: Die TA Luft gilt bundesweit. Die Umsetzung ist allerdings Sache der einzelnen Bundesländer. Bestes Beispiel dafür ist die Prüfung der nährstoffangepassten Fütterung.

Was gilt für die nährstoffangepasste Fütterung?

Kamp: Für G- und V-Anlagen ist der Nachweis der nährstoffangepassten Fütterung mit der Neufassung der TA Luft zur Pflicht geworden. Dadurch wird eine Minderung der Ammoniakemissionen um mindestens 20 % ­erreicht. Der Nachweis unterscheidet sich allerdings in den Bundesländern. In Bayern gibt es schon ein Tool zum Ausfüllen, in Westfalen reichen wahrscheinlich die Nachweise aus dem Düngerecht als Nachweis für die ­Fütterung, sodass die Landwirte nicht ­extra ein Formular ausfüllen müssen.

V- und G-Anlagen – das sind die Unterschiede

Seit fast einem Jahr gilt die neue ­Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) in der Neufassung und für die nach Bundesimmissionsschutz (BImSchG)-genehmigten ­Betriebe und damit auch die Frist, bald neue Technik nachzurüsten. Dabei unterteilt die TA Luft diese ­Betriebe in G- und V-Anlagen.



Als V-Anlagen gelten Betriebe, die wegen ihrer geringeren Tierzahl mit ­einem einfachen BImSchG-Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung ­aus­kommen. Das sind Betriebe, die zwischen 1.500 und 1.999 Mastschweine bzw. 560 und 749 Sauen halten oder zwischen 4.500 und 5.999 Ferkel ­aufziehen.



Als G-Anlagen gelten Betriebe, die auch die Öffentlichkeit beteiligen ­müssen. Das ist bei Tierzahlen ab 2.000 Mast-, 750 Sauen-, oder 6.000 Ferkelaufzuchtplätzen bzw. gemischten Beständen entsprechender Größe der Fall.

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