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Interview

Bayer Cropscience: „Produktivität und Klimaschutz lassen sich vereinen!“

Es kann laut Bayer-Manager Frank Terhorst nicht sein, dass hervorragende Ackerstandorte stillgelegt werden. Zudem müsse man neue Züchtungstechniken voll nutzen dürfen.

Lesezeit: 9 Minuten

Bis zum 24.2. waren Extensivierung und der „Ausstieg aus dem chemischen Pflanzenschutz“ die beherrschenden Themen. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und den leergefegten Regalen ist die Versorgungssicherheit in den Fokus gerückt. Wir sprachen mit Frank Terhorst darüber. Er ist „weltweiter Leiter für Strategie und Nachhaltigkeit von Bayer CropScience“.

top agrar:Herr Terhorst, ist das Thema Nachhaltigkeit jetzt durch? Oder sichern nachhaltigere und resilientere Produktionsweisen sogar unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln?

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Terhorst: Zunächst einmal ist die Situation in der Ukraine eine absolute Katastrophe. Der Angriff Russlands hat die ohnehin schon angespannte globale Nahrungsmittelkrise weiter angefacht und verschärft. Das erfordert nun ein unmittelbares Handeln.

Aus unserer Sicht bedeuten Produktivitätssteigerungen aber nicht, dass dabei die Nachhaltigkeit auf der Strecke bleibt. Wenn uns der Krieg nun eines lehrt, dann ist es die dringende Notwendigkeit, unsere Nahrungs- und Lebensmittelsysteme zu transformieren. Fakt ist, dass wir mit weniger Ressourcen in Zukunft mehr Nahrungsmittel produzieren müssen – und das können wir nur über mehr Innovation erreichen.

Deutschland redet gerne Zielkonflikte herbei

Es könnten sich Zielkonflikte zwischen Produktivität, Biodiversität und Klimaschutz ergeben. Wie lassen sich diese aus Sicht von Bayer am besten auflösen?

Terhorst: Das lässt sich mit einem Satz sagen: Am besten mit einer modernen und nachhaltigen Landwirtschaft. Gerade hier in Deutschland werden oft Zielkonflikte herbeigeredet, die wir gar nicht als Konflikte empfinden. Denn aus unserer Sicht sind Produktivität, Biodiversität und Klimaschutz vereinbar, wenn wir denn die innovativen Lösungen und Werkzeuge, die wir bereits haben, auch für Europa weiterentwickeln und zulassen. Aus meiner Sicht ist dafür in Europa auch politisch noch viel Luft nach oben.

Es kann z.B. nicht sein, dass auf guten und sehr guten Standorten Stilllegungen forciert werden. Viel besser sollte man diese Flächen für eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion nutzen.

Wichtig ist auch, neue Technologien und Ansätze wie z.B. neue Züchtungsmethoden konsequent anwenden zu dürfen, um gesündere und robustere Pflanzen zu erhalten. Zudem müssen digitale Möglichkeiten und Applikationsmethoden weiterentwickelt werden, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln fokussierter und zielgerichteter durchführen zu können.

Natürlich gehört zu den Lösungen auch, dass wir Methoden aus dem ökologischen Landbau in die konventionelle Landwirtschaft übernehmen, wie z.B. gesunde Fruchtfolgen oder der Einsatz von biologischen Produkten. Auch das muss ein Bestandteil einer modernen und nachhaltigen Landwirtschaft sein. Kürzlich haben wir einen neuen Rahmenvertrag mit Ginkgo Bioworks abgeschlossen, eines der wichtigsten Biotechnologieunternehmen. Zusammen forschen wir an Biostimulanzien, Biologicals und stickstofffixierenden Mikroben. Somit investieren wir auf allen Ebenen. Wenn wir diese Technologien zusammenbringen, entstehen keine Zielkonflikte.

Neuer Schub für Gentechnik?

Kurz zu den neuen Züchtungsmethoden wie z.B. Crispr/Cas, die noch immer unter das Gentechnikrecht fallen – wo steht die Diskussion zurzeit?

Terhorst: Im Moment bewegt sich viel. Ich würde mir wünschen, dass die Politik nun schnell zu einem Konsens kommt. Zurzeit bin ich zuversichtlicher als noch vor zwei Jahren, dass die neuen Züchtungstechnologien auch für Europa als Notwendigkeit und wichtiges Hilfsmittel angesehen werden – dafür werben wir in Deutschland, bei der europäischen Kommission und den anderen Mitgliedstaaten.

Im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie und damit im Green Deal steht im nächsten Jahr eine wichtige Entscheidung zu diesem Thema an. In der Diskussion muss man den Mut haben, eine fortschrittsorientierte Agrarwende einzuleiten.

Viele politische Kräfte und Parteien wollen die übergreifenden Ziele des EU Green Deals unterstützen, um zu einer nachhaltigeren, umwelt- und ressourcenschonenderen Landwirtschaft zu kommen. Unsere Überzeugung ist, dass es dazu Zukunftstechnologien braucht, die das sicherstellen können. Das Verbieten von Technologien ist aus meiner Sicht sicherlich keine Lösung.

Deutschland muss für die Welt produzieren, nicht nur für Europa

Lange war ein Selbstversorgungsgrad von maximal 100 % das Mantra. Ist es aus Ihrer Sicht nicht notwendig, dass auch Deutschland sich stärker an der Sicherung der Welternährung beteiligt?

Terhorst: Europa und Deutschland müssen meiner Ansicht nach möglichst schnell die Priorität erkennen, dass sie einen Beitrag zur Füllung des globalen Warenkorbs leisten müssen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum nur die Selbstversorgung von Europa das Ziel sein soll, wobei Deutschland in Summe zurzeit sogar immer noch ein Nettoimporteur ist. Wichtig ist, dass die deutsche Politik die Notwendigkeit und Verpflichtung erkennt, dass wir, die in einer der besten agronomischen Zonen weltweit wirtschaften, einen signifikanten Beitrag zur Welternährung liefern müssen.

Diskutiert werden muss sicherlich in diesem Zusammenhang die Reduzierung des chemischen Pflanzenschutzes um 50 % im Rahmen des EU Green Deals. Aus meiner Sicht führt das an dem eigentlichen Problem vorbei. Denn es geht darum, dass wir die Belastung der Umwelt durch den chemischen Pflanzenschutz weiter reduzieren. Das kann man aber sehr viel intelligenter tun, indem wir darauf achten, dass neue und modernere Mittel einen deutlich geringeren Einfluss auf die Umwelt haben.

Dazu gibt es bereits Kriterien, die man anlegen kann. Wir haben uns z.B. vorgenommen, die Umweltauswirkungen unserer Pflanzenschutzmittel pro Hektar bis 2030 um 30 % zu reduzieren. Die Universität in Kopenhagen hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die Umweltbelastung anhand eines Indikators konkret messen lässt. Danach wollen wir uns richten.

Noch kurz zu den Flächenstilllegungen: Wenn wir allein diese 4 % heute nutzen würden, um in der Notsituation des Krieges z.B. Getreide zu produzieren, dann könnten wir damit rund 10 % der Menge ausgleichen, die aus der Ukraine momentan nicht exportiert werden kann. Den Beitrag dieser Maßnahme sollte man nicht kleinreden, wie man es in der politischen Debatte zurzeit leider oft tut.

Punktgenaue Prognose- und Schadenserkennungsmodelle immer wichtiger

Was bedeutet die Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel für die Strategie von Bayer CropScience?

Terhorst: Noch wichtiger werden sicherlich die digitalen Produkte und Serviceleistungen, die jedem Landwirt die Chance geben, noch zielgerichteter auf seinem Feld die richtige Lösung zu finden. Punktgenaue Prognose- und Schadenserkennungsmodelle wie „Magic Scout“ sind dafür Beispiele, genauso wie die digitale Gelbschale „Magic Trap“. Die digitale Plattform „FieldView“ ermöglicht es, einen Gesamtzyklus zu managen. Wir sind zuversichtlich, dass die Nutzung der digitalen Plattformen dazu führen wird, dass Saatgut und Pflanzenschutzmittel optimiert bzw. noch zielgerichteter zum Einsatz kommen werden. Meines Erachtens wird die digitale Transformation schneller kommen, als wir uns das heute vorstellen.

Generell werden zudem biologische Mittel zukünftig eine sehr viel größere Rolle spielen. Allerdings werden sie vor allem eine Ergänzung zu anderen Methoden sein, weil sie im Vergleich zu chemischen Mitteln unter unterschiedlichen Bedingungen keine konsistente Wirkung haben können. Auch hier hilft die digitale Transformation, weil man damit die biologischen Produkte als auch Biostimulanzien zielgerichteter und dem Mikroumfeld angepasster anwenden kann. Der Trend zu Gesamtlösungen wird das Segment der biologischen Produkte weitertreiben. Sie werden ein wichtiger Bestandteil eines künftigen Gesamtpaktes werden, aber den chemischen Pflanzenschutz auf absehbare Zeit nicht ersetzen können.

Ganzheitliche Betrachtung statt German Angst

Wie ist Ihre Einschätzung: Unsere Gesellschaft scheint seit einigen Jahren eher feindlich Innovationen gegenüberzustehen – vor allem was die Landwirtschaft betrifft. Müssen wir mehr kommunizieren, dass wir ohne Innovation die Probleme nicht lösen können?

Terhorst: Den Eindruck habe ich auch – Dialog und Kommunikation haben einen hohen Stellenwert. Ich würde mir wünschen, dass wir gerade in der deutschen Diskussion mehr Innovationsfreude bekommen. Da fällt mir gerade ein amerikanischer Begriff ein, die „German Angst“. Viele Menschen hier in Deutschland sehen vor allem die Risiken und weniger die Chancen. Somit werden neue Technologien und Ansätze schon sehr früh verurteilt und mit Labeln versehen wie „Agrarindustrie“ oder „…angeboten von multinationalen Firmen“.

Ich wünsche ich mir, dass wir einige ewig gestrige Debatten hinter uns lassen können.

Wichtig ist nun, dass beide Seiten ein Stück weit ihre Fäuste runternehmen, um von einer ideologischen Debatte zu einer ganzheitlichen Betrachtung zu kommen. Diese sollte sich an den Zielen des EU Green Deals orientieren. Es geht um die Fragen, wie sollte eine moderne und nachhaltige Landwirtschaft in Zukunft aussehen, welche Chancen bietet sie uns und welche vermeintlichen traditionellen Zielkonflikte lassen sich durch neue Angebote auflösen? Vielleicht zeigt die Diskussion der letzten Wochen, dass man aufeinander zugehen kann.

Digitaler mit neuen Einkommensquellen

Wenn wir uns in fünf Jahren wieder sprechen: Wo steht die deutsche Landwirtschaft dann?

Terhorst: Die Landwirtschaft wird meines Erachtens in fünf Jahren viel digitaler sein. Der Strukturwandel wird sicherlich voranschreiten, weil es einerseits zunehmend komplexer wird, alle Anforderungen überhaupt erfüllen zu können. Andererseits haben auch viele Betriebe mit Arbeitskraft und Nachfolgeregelungen zu kämpfen.

Allerdings eröffnen sich für Landwirte momentan auch neue Einkommensquellen, die zurzeit in Ausgestaltung sind. So nimmt das Carbon Farming in Europa zurzeit Fahrt auf. Wir sehen dort große Chancen für die Landwirte, um mit zusätzlichen Aktivitäten auch zusätzliche Erlösen generieren zu können. In den USA ist man bei diesem Thema schon recht weit – dort gibt es bereits gesetzliche Rahmen- und Zertifizierungsbedingungen, um ein Geschäftsmodell aufzusetzen. Das würden wir uns jetzt auch für Deutschland und Europa wünschen, um eine Dekarbonisierungsstrategie zu ermöglichen.

Insgesamt wünsche ich mir, dass wir einige ewig gestrige Debatten hinter uns lassen können und dass wir eine nach vorne gerichtete Agrarwende diskutieren. Darin sollte es um Chancen und moderne, innovative Ansätze gehen. Ich glaube auch, dass es weitere interessante Nischen geben wird, wie z.B. Urban Farming oder solidarische Landwirtschaft, die aber die globale Ernährung in Summe nicht sichern können. Das heißt, die konventionelle Landwirtschaft wird sich weiterentwickeln und nachhaltiger, aber gleichzeitig auch noch produktiver werden. Wenn wir dann noch den gesellschaftlichen Diskurs auf eine vielleicht noch konstruktivere Art führen können, dann wäre das meine Zukunftsvision für die Landwirtschaft in Deutschland.

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