Unser Autor Gerrit Hogrefe, N. U. Agrar
Bis die Wirkstoffe den Zielort erreichen, sind sie vielen Einflüssen ausgesetzt. Nur wer die Schwachstellen vom Befüllen der Spritze, über die Wasserqualität bis hin zum Ausbringen kennt, kann sie auch beseitigen. Zudem ist es wichtig zu wissen, in welchen Fällen z. B. die Zugabe von Additiven sinnvoll ist. Hier einige Tipps:
Schnell gelesen
Die Härte des Spritzwassers und der pH-Wert beeinflussen die Wirkung von Mischungen – das gilt auch für Fungizide.
Bei sehr hartem Wasser empfehlen sich Entkalker.
Den pH-Wert in der Spritzbrühe sollte man an Wirkstoff und Einsatzzweck anpassen.
Bei ungünstigen Bedingungen können Additive die Wirkung verbessern.
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So wirken Additive bei Fungiziden
Wasser ist nicht gleich Wasser
Rund 95 bis 99,9 % der Spritzbrühe bestehen aus Wasser. Dieses kann weich oder hart, kalk- oder eisenhaltig, leicht sauer oder alkalisch und warm oder kalt sein. Von diesen Eigenschaften hängt ab, wie gut sich Pflanzenschutzmittel im Tank lösen, wie schnell sie abgebaut werden und wie gut sie letztlich wirken. Den größten Einfluss auf die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln haben die Wasserhärte, der pH-Wert und enthaltene organische Stoffe.
Letztgenannte sind vor allem dann relevant, wenn man Oberflächenwasser nutzt, das z. B. aus einem Teich oder Bach stammt. Denn enthaltene Schwebstoffe (Ton, organische Substanzen) können sich an Wirkstoffe anlagern. Das schränkt vor allem die Wirkung einiger blattaktiver Wirkstoffe ein. Daher gilt: Trübes, ungefiltertes Wasser hat in der Spritze nichts zu suchen!
Welche Rolle spielt die Wasserhärte?
Die Härte des Wassers hat nichts mit dem pH-Wert zu tun, sondern mit im Wasser gelösten Mineralstoffen. Hartes Wasser entsteht, wenn es über Steine oder Sand fließt und es daraus Calcium, Magnesium, Eisen oder Mangan löst. Diese Mineralstoffe sind dann als (Bi-)Carbonate (Kalk), Sulfate oder Chloride im Wasser enthalten.
Vor allem Calcium, aber auch andere zwei- und höherwertige Kationen, wie z. B. Mg++, Fe++ oder Mn++, können mit Molekülen im Pflanzenschutzmittel Komplexe bilden und so deren Wirkung mindern. Oft ist im Wasser befindlicher Kalk (Calcium, Magnesium) das Problem.
Glyphosat ist der prominenteste Vertreter der Wirkstoffe, die auf eine hohe Wasserhärte mit deutlichen Minderwirkungen reagieren. Aber auch Fungizide sind betroffen. Voraussetzung für eine mögliche Komplexbildung ist, dass ein Wirkstoff im Wasser dissoziiert (H+-Ionen abgibt). Dadurch erhält der Wirkstoff eine negative Ladung – erst dann kann er mit den (positiven) zweiwertigen Kationen eine Verbindung eingehen. Grundsätzlich gilt: Je höher der pH-Wert und je geringer die Konzentration an H+-Ionen in der Umgebungslösung, umso stärker ist die Neigung der Wirkstoffe, „eigene“ H+-Ionen abzugeben. Damit ist das Komplexbildungsproblem bei hoher Wasserhärte indirekt auch von der Höhe des pH-Wertes abhängig.
Hinzu kommt, dass die Wirkstoffe eine unterschiedlich starke Neigung haben, H+-Ionen abzugeben. Diese sogenannte Säurekonstante wird durch den pKs-Wert beschrieben. Je niedriger dieser ist, umso größer ist die Neigung H+-Ionen abzugeben. Fungizide Wirkstoffe mit niedrigem pKs-Wert sind z. B. Bromuconazol, Difenoconazol, Tetraconazol, Propiconazol, Dimetomorph oder Valifenalate.
Dass sich Calcium an Pflanzenschutzmoleküle anlagert, macht man sich aber auch zunutze. So wird z. B. der im Wachstumsregler Medax Top enthaltene Wirkstoff Prohexadion als Prohexadion-Calcium auf den Markt gebracht, damit sich der Wirkstoff nicht bereits im Kanister abbaut. Um das Calcium abzulösen, gibt man vor dem Einsatz das Additiv Turbo hinzu. Das darin enthaltene schwefelsaure Ammoniak (SSA) spaltet die Verbindung, sodass das Prohexadion richtig wirken kann. In stark kalkhaltigem Wasser reicht die SSA-Menge im Turbo allerdings nicht immer aus. Dann empfiehlt es sich, noch 1 kg SSA je 200 l zuzugeben.
Wer kalkhartes Wasser einsetzen muss, kann durch Zugabe von SSA vorhandenes Calcium als Gips ausfällen. Es empfiehlt sich dann, die Rührwerke laufen zu lassen, um ein Absetzen zu verhindern. So bleiben die Filter frei. Alternativ kann man die Brühe um organische Säuren (Zitronensäure) oder kommerzielle Entkalkungsmittel ergänzen. Durch die Zitronensäure wird Kalk als Calciumcitrat aus dem Wasser „weggefangen“, bleibt aber in Lösung und setzt sich nicht ab.
Schwieriger ist es, eisen- oder manganhaltiges Wasser aufzubereiten. Hohe Mengen dieser Kationen lassen sich nur mit Wasseraufbereitungsanlagen herausfiltern. Mit SSA kann man die Eisen- bzw. Manganhärte nicht vermindern. Zu viel Eisen oder Mangan im Wasser kann die Wirkung vor allem von Herbiziden, aber auch von Fungiziden beeinträchtigen. Meist tritt das Phänomen aber nur auf, wenn man Brunnenwasser nutzt – bei Leitungswasser ist das kein Problem. Wer seine Wasserhärte nicht kennt, kann sie in einem Labor analysieren lassen.
pH-Wert muss zum Wirkstoff passen
Die meisten Pflanzenschutzmittel wirken im schwach sauren Bereich (pH 6,0 bis 6,5) am besten. Bei kalkhartem Wasser liegt der pH-Wert regelmäßig über 7,5 und somit im alkalischen Bereich. Das hat folgende Nachteile: Einzelne Fungizidwirkstoffe, wie z. B. Fenpropidin, lösen sich bei einem hohen pH-Wert in der Spritzbrühe schlechter. Ist das Wasser kalt, verstärkt sich der Effekt. Eine Reihe von Wirkstoffen wird bei hohen pH-Werten sogar aufgespalten („alkalische Hydrolyse“). Ihre Wirkung ist dann teils stark vermindert. Je höher der pH-Wert in der Brühe ist, umso schneller verläuft dieser Prozess. Bekannt ist dieser Zusammenhang bei bestimmten Insektizidgruppen (Pyrethroide, Organophosphate). Aber auch einzelne Fungizidwirkstoffe wie Cymoxanil oder Famoxadone aus dem Kartoffelbau oder bestimmte Strobilurine (Kresoxim-Methyl, Trifloxystrobin und mit Abstrichen auch Azoxystrobin) sind davon betroffen.
Sonderfall: Das in vielen Kulturen zum Einsatz kommende Prothioconazol ist über einen weiten pH-Bereich stabil und damit nicht von alkalischer Hydrolyse betroffen. Es reagiert aber auf steigende pH-Werte mit verbesserter (Wasser-)Löslichkeit, gleichzeitig nimmt die (ansonsten sehr hohe) Fettlöslichkeit ab. So kann der Wirkstoff die Wachsschicht der Pflanzen leichter durchdringen, was die Kurativleistung verbessert. Im Gegensatz dazu wird bei niedrigen pH-Werten die Fettlöslichkeit derart erhöht, dass sich der Wirkstoff in der Wachsschicht einbettet. Das unterstützt die Dauerwirkung (Protektivleistung).
Achten Sie daher darauf, dass der pH-Wert der Spritzbrühe den Erfordernissen der Wirkstoffe und den jeweiligen Anwendungszielen entspricht. Messen können Sie ihn mithilfe von elektronischen pH-Metern. Gegebenenfalls können Sie ihn dann wie folgt steuern:
- senkend sind Zitronen- oder Propionsäure, Ethephon-Präparate, Moddus,
- steigernd wirken Natriumborat (Solubor, Bor flüssig), Bor-Ethanolamin (Foliarel-Bor) und Natronlauge.
Mit Additiven die Wirkung absichern
Die meisten Pflanzenschutzmittel sind mittlerweile so gut formuliert, dass sie sich unter normalen Bedingungen problemlos ausbringen lassen und eine gute Wirkung mit sich bringen. Anders sieht es aus, wenn man die Aufwandmengen stärker reduziert oder Generika (Nachbau-Präparate) verwendet. Außerdem können nicht optimale äußere Bedingungen (Kälte, geringe Luftfeuchte) die Wirkung beeinträchtigen. Absichern lässt sich diese dann mit Additiven. Das gilt auch, wenn die Wirkstoffaufnahme z. B. bei starker Wachsschicht, behaarten Blättern oder aufrechter Blattstellung gehemmt ist. Additive lassen sich in drei Gruppen einteilen:
- Spreitmittel: Die sogenannten Spreitmittel wie Silwet Gold oder Break Thru verbessern die Benetzung des Blattes. Der Einsatz solcher Mittel ist sinnvoll, wenn man zum einen abdriftarme Düsen verwendet, geringe Wasseraufwandmengen unter 150 l/ha wählt oder mit niedrigem Druck unter 3 bar spritzt. Zum anderen lohnt es sich sie anzuwenden, wenn man wenig wasserlösliche Wirkstoffe mit schlechter systemischer Verteilung in der Pflanze einsetzt. Bei Präparaten mit einem hohen Anteil an Lösungsmitteln (EC-Mittel) und mit hoher Fettlöslichkeit setzen Spreitmittel die punktuell hohe Konzentration herab und vermeiden Spritzflecken.
Vorsicht ist jedoch bei höheren Wasseraufwandmengen von über 250 l/ha oder in taunassen Beständen geboten. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass die Spritzbrühe durch den Zusatz von Superspreitern abläuft. - Penetrationsmittel: Sollen die Wirkstoffe schnell und in hoher Konzentration in die Pflanzen eindringen, kann sich der Einsatz von Penetrationsmitteln, wie z. B. Kantor, Mero oder Li 700, lohnen. Dadurch gelangen sie zügig an den Wirkort, bevor sie abgebaut oder inaktiviert werden. Bei Fungiziden erhöht der Zusatz die Kurativleistung (siehe Übersicht).
Aber Vorsicht: Gefährlich ist der Zusatz dieser Mittel zu Wirkstoffen, die nicht zu schnell in die Pflanzen eindringen dürfen, weil sie dort Verätzungen verursachen können, wie z. B. Fenpropidin oder Spiroxamine. Gleiches gilt für aggressive EC-formulierte Fungizide, wie z. B. viele Tebuconazol-Nachbauten.
Wer die Wasseraufwandmenge reduziert, sollte ebenfalls aufpassen. Denn weniger Wasser bedeutet gleichzeitig eine höhere Wirkstoffkonzentration auf der Blattoberfläche. Bei systemischen Fungiziden mit hoher Wasserlöslichkeit (Fenpropidin, Spiroxamine, Tetraconazol etc.) können in Kombination mit Penetrationsförderern massive Blattspitzenverätzungen auftreten. Das ist oft der Fall, wenn die Wachsschicht nach Regen weich ist, das Wetter nach der Spritzung warm und sonnig sowie die Verdunstung den Transport der Wirkstoffe beschleunigt. - Haftmittel/Sticker: Um die Anhaftung eines Mittels auf dem Blatt zu verbessern und den Wirkstoffbelag zu stabilisieren, kann man Haftmittel einsetzen. Die Zugabe solcher Produkte kann bei Kontaktwirkstoffen wie Folpet, Netzschwefel oder Kupferprodukten sinnvoll sein. Auch Wirkstoffe, die von einem Depot langsam durch die Wachsschicht hindurch diffundieren, um sich dann im Zellzwischenraum zu verteilen (Strobilurine, Carboxamide, Cyflufenamid, Proquinazid), profitieren von der Zugabe dieser Additive.
Geeignete Haftmittel für Fungizide sind z. B. Designer, Agrocer oder Sticker. Sie bilden auf dem Blatt einen wachsähnlichen Film, in dem der Wirkstoff eingebettet wird. Das bessere Anhaften erhöht die Wirkungssicherheit und -dauer. Feine Düsen optimieren die Wirkung der Mittel zusätzlich.
Tipps zum Additiveinsatz
Lagern Sie Additive generell warm. Es ist von Vorteil, wenn auch das Spritzwasser leicht warm ist (z. B. im Lagertank) und nicht eiskalt aus dem Tiefbrunnen kommt. Geben Sie Additive immer zuerst in das Spritzwasser. Das gilt besonders für Produkte mit Ladungscharakter (Li 700).
Die Wirkung kationischer Additive (z. B. Kantor) wird durch kalkhartes oder eisenhaltiges Wasser eingeschränkt. Senken Sie daher die Additivmenge bei hartem Wasser nicht ab. Geben Sie in diesen Fällen der Brühe Zitronensäure (0,1 bis 0,2 % je nach Wasserhärte) oder 2 % SSA zu.
Wichtig ist auch, die empfohlenen Konzentrationen der Additive unbedingt einzuhalten. Streben Sie bei Strobilurinen und Kontaktfungiziden (oder auch bei Pyrethroiden) eine gute, gleichmäßige Benetzung und eine möglichst hohe Belagstabilität an. Bei feintropfigen Düsen mit guter Benetzung reicht Designer aus, um den Belag zu stabilisieren. Mit großtropfigen, Abdrift reduzierenden Düsen hingegen lässt sich auch durch die Zugabe von Superspreitern nicht der gleiche Benetzungsgrad erreichen wie mit feintropfigen Düsen. Auf großen Schlägen lohnt sich daher ein Düsenwechsel.
Wie viel Wasser, wie schnell?
Die Wirkung der Mittel hängt aber auch davon ab, wie gut man die Zielfläche trifft. Je nach Größe der Tropfen fallen sie bis auf den Boden oder erreichen nur die oberen Blätter bzw. schweben in der Luft und werden verweht. Welche Wassermenge für eine gute Wirkung erforderlich ist, entscheidet die Größe der Zielfläche. Sie unterscheidet sich z. B., wenn ein Fungizid die unteren Blätter erreichen soll oder aber nur die Ähre.
Bei der N.U. Agrar hat man viele Versuche durchgeführt, um Aussagen zur optimalen Wasseraufwandmenge, Geschwindigkeit, Düse und Wirkstoffmenge tätigen zu können. Hier die wichtigsten Empfehlungen:
- Bei mehr als 16 km/h verändert sich der Spritzschleier hinter der Pflanzenschutzspritze.
- Systemisch wirkende Fungizide lassen sich mit 80 bis 160 l/ha ausbringen, wenn Sie zu Schossbeginn oder nach einer Vorbehandlung nur die oberen zwei Blätter schützen müssen.
- Je tiefer ein Tropfen in den Bestand eindringen soll, umso schwerer (= gröber) muss er sein und umso langsamer sollten Sie fahren.
- Bei der Fusarienbekämpfung sollen die Spritztropfen möglichst nur die Ähre und das Fahnenblatt treffen. Zudem ist eine hohe Wirkstoffkonzentration im Tropfen nötig. Das gelingt am besten mit schneller Fahrt, wenig Wasser und feinen Düsen. Nachteil: Die Ähren in Spritzrichtung werden stärker benetzt. Doppelflachstrahldüsen vermindern diesen Effekt zwar etwas, eine absolut gleichmäßige Benetzung der Ähre gewährleisten sie aber nicht. Bei starker Fusariengefahr empfiehlt sich daher ein Splitting im Abstand von vier Tagen in entgegengesetzter Fahrtrichtung.