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Kritik an aktueller Klimapolitik

Energiewende-Barometer 2023: Unternehmen bewerten den Standort Deutschland immer kritischer

Das Energiewende-Barometer der Deutschen Industrie- und Handelskammer ist auf den schlechtesten Wert seit dem Start im Jahr 2012 gefallen.

Lesezeit: 8 Minuten

Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Energiepolitik ist auf einen Tiefpunkt gesunken. „Nie waren die Sorgen um die eigene Wettbewerbsfähigkeit größer“, sagte der stellvertretende-Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Achim Dercks, bei der Vorstellung des Energiewende-Barometers 2023. Das Barometer basiert auf den Einschätzungen von Betrieben aus der Breite der deutschen Wirtschaft. Der aktuellen Erhebung liegen die Antworten von insgesamt 3.572 Unternehmen zugrunde. „Während früher die Unternehmen auch Chancen in der Energiewende gesehen haben, überwiegen nun in der Einschätzung der gesamten Wirtschaft die Risiken“, so Dercks. „Weite Teile unserer Wirtschaft treibt die Sorge um eine auch mittel- und langfristig mangelhafte Energieversorgung stark um. Das ist eine insgesamt besorgniserregende Entwicklung, die wir alle sehr ernst nehmen sollten.“

Mehr Risiken als Chancen

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Insgesamt erwarten die Betriebe in Deutschland deutlich mehr Risiken als Chancen für die eigene Wettbewerbsfähigkeit: Für 52 % der Unternehmen wirkt sich die Energiewende sehr negativ oder negativ auf das eigene Geschäft aus, für nur 13 % sehr positiv oder positiv. Im Saldo ergibt sich auf einer Skala von minus 100 („sehr negativ“) bis plus 100 („sehr positiv“) ein Barometerwert von minus 27. In den letzten beiden Jahren lag der Wert nur bei minus 7, der bisherige Tiefstand von minus 13 im Jahr 2014 war die Folge von zusätzlichen Energie-Umlagen und Abgaben.

In der energieintensiven Industrie sehen sich sogar drei Viertel der Betriebe negativ oder sehr negativ betroffen. „Angesichts der hohen Bedeutung der Industrie für den gesamten Wirtschaftsstandort sind diese Werte alarmierend“, so Dercks. "Selbst in Branchen, die häufig unmittelbar von Aufträgen im Rahmen der Energiewende profitieren – etwa Bauwirtschaft und Dienstleistung – trübt sich die Stimmung dem Barometer zufolge deutlich ein.“

Energiepolitik wird zum Transformationshemmnis

Ein zentraler Auslöser für die negativen Einschätzungen der Unternehmen sind die energiepolitischen Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. „Diese Entwicklung erschwert die Umsetzung der Energiewende deutlich“, so Dercks. „Unsere Umfrage zeigt: Der Politik ist es bislang leider nicht nachhaltig gelungen, erfolgreich gegenzusteuern. Nach dem Energiepreisschock Ende letzten Jahres und dem relativ glimpflich verlaufenen Winter sind die Unternehmen zutiefst in Sorge, was die weitere Entwicklung angeht. Sie sehen ihre Wettbewerbsfähigkeit in Frage gestellt. Die Energiepreise bleiben auf einem hohen Niveau und es mangelt an Perspektiven für die Wirtschaft in Deutschland. Die zentralen Fragen sind nicht beantwortet“, sagt er.

Fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik rücken aus Sicht der Betriebe an die erste Stelle der Transformationshemmnisse. Knapp 60 % der Unternehmen fühlen sich hierdurch ausgebremst. „Die Unternehmen sehen sich zunehmend mit Vorgaben konfrontiert, die in der Praxis kaum umsetzbar sind. Hinzu kommen Einsparziele aus dem Energieeffizienzgesetz, von denen niemand sagen kann, wie sie ohne ein Herunterfahren der Produktion erreicht werden können“, kritisiert Dercks.

Das schlägt sich im Barometer nieder: Drei Viertel der Unternehmen fahren ihre Investitionstätigkeiten zurück. In der energieintensiven Industrie schränkt fast die Hälfte der Firmen ihre Investitionen sogar in den Kernbereichen ein. „Das ist das Gegenteil von dem Investitionsaufschwung, den wir zur Bewältigung der aktuellen Krisen und zur Beschleunigung der Transformation in Richtung Klimaneutralität brauchen“, so Dercks.

Energiewende verstärkt Abwanderung

In der Gesamtheit der Unternehmen überwiegen noch die Stimmen, die in Deutschland die Herausforderungen der Energiepolitik annehmen wollen. Die Standorttreue ist bei vielen Unternehmen weiter stark ausgeprägt. In der Industrie und hier besonders bei den großen Unternehmen nehmen jedoch die Pläne deutlich zu, dem Standort Deutschland den Rücken zu kehren. Fast ein Drittel der Industriebetriebe (32 %) plant oder realisiert die Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland, beziehungsweise die Einschränkung ihrer Produktion im Inland – ein Zuwachs von 16 Prozentpunkten, also eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr.

Fünf Forderungen

„Die Politik muss hier schnellstmöglich gegensteuern, um der Wirtschaft eine Perspektive in Deutschland zu erhalten. Die DIHK hat fünf Punkte erarbeitet, die die Energieversorgung der Unternehmen sichern. Die schnelle Umsetzung ist wichtig für den Standort Deutschland“, mahnt Achim Dercks.

1. Energiepreise durch höheres Angebot senken

Immer mehr Industrieunternehmen sehen sich durch die hohen Energiepreise und das unsichere energiepolitische Umfeld gezwungen, ihre Produktion am Standort Deutschland einzuschränken oder sogar ganz abzuwandern. Ohne Entlastungen verlieren die Unternehmen ihre Energiewendefähigkeit. Mit einem Investitionszuschuss für Direktlieferverträge (PPA) lassen sich zusätzliche Kapazitäten bei Erneuerbare-Energien-Anlagen heben und so die Strompreise senken. Ergänzt durch niedrige Steuern und Abgaben können wettbewerbsfähige Energiepreise in der Breite erreicht werden.

Mit der StromPartnerschaft hat die DIHK ein Konzept ausgearbeitet, um ausgehend von den Anliegen ihrer Mitgliedsunternehmen konstruktiv an einer Verbesserung der Rahmenbedingungen mitzuwirken. Herzstück des DIHK-Konzepts ist die Ausweitung des Stromangebots und eine Reduzierung der Stromnebenkosten. In StromPartnerschaften zwischen Betreibern erneuerbarer Energien und Verbrauchern aus Industrie und Gewerbe wird die Energie direkt vom Erzeuger geliefert. In Kombination mit einem Investitionszuschuss und einer Entlastung bei den Netzentgelten führt dies zu einer schnellen Ausweitung des Energieangebots und niedrigeren Strompreisen.

Die Effekte der StromPartnerschaft auf Beschaffungspreise der Unternehmen, den Ausbau erneuerbarer Energien und die Kosten für den Bundeshaushalt in Höhe von jährlich rund 2,9 Mrd. € wurden im Rahmen einer Studie von PwC berechnet. Im Ergebnis wird deutlich, dass mit den StromPartnerschaften ein Drittel des Industriebedarfs an Strom durch Erneuerbare abgedeckt werden könnte – und zwar deutlich früher und zu konkurrenzfähigeren Preisen als bisher geplant.

2. Wasserstoff verfügbar machen

Eine ausreichende Versorgung mit Wasserstoff macht vor allem den Betrieben in den industriellen Regionen große Sorgen – und zwar von der Menge und der regionalen Verfügbarkeit her. Wasserstoff ist unverzichtbar für die Energiewende hin zur Klimaneutralität. Viele Industrieprozesse können nicht elektrifiziert werden, weil sie hohe Temperaturen in der Prozesswärme brauchen oder Wasserstoff als Grundstoff für die Produktion. Die Bundesregierung strebt bis 2030 eine Elektrolysekapazität von 10 GW bei grünem Wasserstoff an. Damit könnte ein Fünftel des geschätzten Gesamtbedarfs von rund 130 TWh an Wasserstoff produziert werden. Ende letzten Jahres hatten wir in Deutschland 79 MW an realisierter Elektrolyse-Leistung in Deutschland, also weniger als 1 % der Zielvorgabe.

Unternehmen benötigen Planungssicherheit. Das Tempo der Wasserstoffproduktion muss sich massiv erhöhen. Von Beginn an sollte das Wasserstoff-Kernnetz einer regionalen Planung unterliegen, um sicherzustellen, dass die Infrastruktur entsprechend den Bedarfen der Unternehmen entwickelt wird. Ohne Importe wird der Wasserstoffbedarf zudem nicht gedeckt werden können. Energiepartnerschaften mit potenziellen Lieferländern sollten zügig, breit gestreut und langfristig geschlossen und einheitliche oder zumindest vergleichbare Standards für klimaneutralen Wasserstoff geschaffen werden.

3. Planbarkeit erhöhen

Fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik ist das Transformationshemmnis Nummer eins für die Betriebe. Eine radikale Vereinfachung ist daher nötig: Alle Genehmigungsanträge, die eine Verwaltung durchlaufen müssen, sollten mit verbindlichen Start- und Endterminen versehen werden. Eingereichte Anträge, die in diesem Zeitraum nicht durch die Behörden beschieden werden, gelten dann automatisch als genehmigt.

Schneller und einfacher wird es auch, wenn die Bundesregierungen bereits eingeführte Beschleunigungsverfahren auch auf andere Bereiche ausdehnt – etwa die Erleichterungen für LNG-Terminals auf andere Infrastrukturprojekte oder die Entlastungen beim Solarpaket, die bislang nur für private Immobilienbesitzer gelten.

4. Bürokratie abbauen

Betriebe sehen sich einer wachsenden Zahl von Berichtspflichten und bürokratischen Vorgaben gegenüber. Selbst mögliche Ansprüche auf finanzielle Entlastung wie bei den Energiepreisbremsen machen sie teilweise gar nicht erst geltend, weil Aufwand und Auflagen dafür abschreckend hoch sind. Hinzu kommen neue bürokratische Auflagen wie beispielsweise im Rahmen der verbindlichen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Aber auch Anträge auf Netzanschluss und Zertifizierungen führen bei der Errichtung von größeren PV-Anlagen bei Unternehmen schnell zur bürokratischen Überforderung.

Der Grundsatz, dass für eine neue eine alte Vorschrift wegfallen muss, scheint bei den Energiewende-Themen ausgesetzt. So gibt es jetzt zwar weniger Vorschriften bei der Genehmigung von PV-Anlagen. Dafür kommen an anderer Stelle, nämlich beim neuen Energieeffizienzgesetz, gleich mehrere neue Regelungen dazu. Damit müssen jetzt viele Betriebe neue Managementsysteme einrichten, die wiederum zertifiziert werden müssen. Abgesehen von den Dopplungen von Prozessen in den Prozessen gibt es dabei noch nicht einmal genügend Energieberater und Zertifizierer, um die formalen Anforderungen zu erfüllen.

Die bürokratischen Anforderungen binden Personal und Finanzmittel, die an anderer Stelle fehlen. Sie behindern unternehmerische Kreativität und schränken vorhandene Potenziale ein. Aus Sicht der Unternehmen sollten Wirtschaftlichkeit, Freiwilligkeit und Technologieoffenheit die Leitprinzipien für energiepolitische Maßnahmen besonders in Bezug auf Energieeffizienz sein. Diese Prinzipien sind zielführender für die Energiewende als bürokratische Nachweis-, Berichts- und Umsetzungspflichten.

5. Stromnetze bauen

Der Ausbau der Stromnetze kommt nur schleppend voran: Im Zuge der Energiewende werden 12.000 km an neuen Stromleitungen benötigt. Etwa 9.000 km, also drei Viertel davon, sind bislang noch nicht einmal genehmigt, geschweige denn in Bau. Fehlende Netze führen zu kostenintensiven Abschaltungen besonders von Windkraftanlagen und Eingriffen zur Netzstabilisierung, die die bereits heute hohen Netzentgelte weiter ansteigen lassen. Dies gefährdet die Energieversorgung und macht sie für die Unternehmen deutlich teurer. Nach aktueller Planung sind bis 2045 Investitionen von etwa 250 Mrd. Euro für ein zukunftsfähiges Stromnetz notwendig. Diese Kosten werden über weiter steigende Netzentgelte auf Unternehmen und Verbraucher umgelegt. Hier braucht es ein klares Zeichen der Politik, die Netzentgelte zu begrenzen. Sie machen heute schon bis zu 20 % des Strompreises aus. Hohe Netzentgelte durch stärkeren Stromeinsatz anstelle von Gas dürfen die Transformation der Betriebe in Richtung Klimaneutralität nicht behindern.

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