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Flexible Fütterung von Biogasanlagen statt großer Gasspeicher

Die Universität Hohenheim hat mit Projektpartnern eine Steuerung für die flexible Fütterung von Biogasanlagen entwickelt. Dr. Andreas Lemmer erklärt Funktion und Vorteile.

Lesezeit: 5 Minuten

Hintergrund: Im Projekt PowerLand 4.2 haben die Universität Hohenheim, die Hochschule Reutlingen und die Novatech GmbH eine Steuerung für eine vollständig automatisierte Biogasanlage entwickelt, die erneuerbaren Strom und Wärme bedarfsgerecht insbesondere in den Produktionslücken von Sonne und Wind liefert. Wir haben mit dem Projektverantwortlichen, Dr. Andreas Lemmer, über die Funktionsweise und die Vorteile gesprochen.

Viele Betreiber von flexiblen Biogasanlagen nutzen heute schon automatisierte Fahrpläne für ihr BHKW, um bedarfsgerecht Strom und Wärme zu erzeugen. Was ist an Ihrem Ansatz das Besondere?

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Lemmer: In unserem Projekt ging es nicht um die Entwicklung eines Fahrplans. Wir nutzen diesen vielmehr, um auch die Fütterung automatisch anzupassen. Damit wollen wir erreichen, dass die Anlage passend zum Bedarf genau die Gasmenge erzeugt, die zum Betrieb des BHKW nötig ist. Das bedeutet auch, dass bei geplanten Stillstandzeiten am Wochenende der Einsatz der Rohstoffe und damit die Gasproduktion reduziert wird. Ziel ist es, einerseits Rohstoffe einzusparen und andererseits den Investitionsbedarf für größere Gasspeicher zu reduzieren.

Wie genau funktioniert das Modell?

Lemmer: Das Modell besteht aus drei verschiedenen Stufen: Zuerst wird betrachtet, welchen Strom- und Wärmebedarf eine Region hat und welchen Teil z.B. die Photovoltaik davon abdecken kann. Die dann noch fehlende Energiemenge soll das BHKW der Biogasanlage decken. Dieser regionale Bedarf ist die Basis für den automatischen Fahrplan, der zweiten Stufe. Und aufbauend auf diesen Fahrplan passt die von uns entwickelte Steuerung die Fütterung der Biogasanlage an.

Woher weiß die Steuerung, was genau der Betreiber füttern muss?

Lemmer: Wir verwenden dazu das mathematische Verfahren der Zeitreihenanalyse: Die Steuerung schaut sich jede einzelne Fütterung der letzten drei Wochen sowie die daraus resultierende Gasproduktion an und ermittelt den Zusammenhang. Daraus hat sie – einfach erklärt – abgeleitet: Mit welcher Menge von welchem Substrat entsteht welche Gasmenge? Mit dieser Info kann für jede zukünftige Substratzugabe die daraus zu erwartende Gasproduktion vorhergesagt werden.

Wann muss jetzt aber in den nächsten 48 h wieviel gefüttert werden, damit die Gasproduktion dem Bedarf entspricht? Um das mathematisch zu ermitteln, wäre der Rechenbedarf immens hoch gewesen wäre. Stattdessen setzen wir den sogenannten „Monte-Carlo-Algorithmus“ ein. Die Steuerung erstellt für die nächsten 48 Stunden 1500 Fütterungspläne und berechnet für jeden von diesen die resultierenden Gasproduktionskurven. Anschließend wählt sie den Fütterungsplan aus, bei dem die zu erwartende Gasproduktion am besten zum Bedarf passt. Am Ende erhält der Betreiber eine genaue Vorgabe, wieviel Kilogramm seiner Substratmischung er eindosieren muss und der Feststoffdosierer die Info, zu welcher Uhrzeit welche Menge in den Fermenter zu füttern ist. Der ganze Prozess dauert nur Sekunden und wird jeden Morgen für den jeweiligen Tag aktualisiert.

Dann müssen Sie aber ja unzählige Substratdaten in der Datenbank hinterlegen.

Lemmer: Nein, denn wir betrachten eben nicht individuelle Substrate. Diese können je nach Anlagentyp, Verweilzeit und Aufbereitungstechnik ganz unterschiedliche Gasmengen erzeugen. Vielmehr schauen wir fermenterindividuell, welche Substratmenge welche Gasmenge bei der jeweiligen Anlage erzeugt hat.

Und woher weiß das System, dass z.B. ein Wochenende bevorsteht?

Lemmer: Auch für die erste Stufe, der Prognose des Strom- und Wärmebedarfs einer Region setzen wir das Verfahren der Zeitreihenanalyse mit ein; hier jedoch in Kombination mit Wetterdaten. Und das Modell erkennt aus der Vergangenheit, dass nach fünf Tagen mit typischen Tagesspitzen der Bedarf für zwei Tage sinkt. Daraus leitet sich der BHKW-Fahrplan ab. Alternativ kann auch einfach ein Fahrplan des Direktvermarkters eingelesen werden. Die Fütterungssteuerung muss also nicht die Jahres- oder Tageszeit bzw. den Wochentag berücksichtigen, sondern lediglich den BHKW-Fahrplan für die nächsten 48 Stunden.

Inwiefern spielt die Substratzusammensetzung eine Rolle? Denn die Gasbildung ist ja bei Zuckerrüben anders als bei Stroh.

Lemmer: Prinzipiell ist die Substratzusammensetzung der Steuerung egal und bei den untersuchten Substratmischungen aus unterschiedlichen Anteilen von Silomais, Grassilage und Pferdemist reichte eine Vorschau auf die nächsten 48 Stunden aus. Wenn man allerdings eine schnelle Änderung der Gasbildung will, sollte man leichter abbaubare Stoffe einsetzen. In unserer Versuchsbiogasanlage haben wir zudem die Vorgabe gemacht, dass die tägliche Raumbelastung 6 kg oTS/m3 Fermentervolumen nicht überschreiten darf. Das kann bei jeder Anlage anders sein. Aber der täglichen Zufuhrmenge sind in Bezug auf Rühr- und Fließfähigkeit gewisse Grenzen gesetzt.

Welche Anlagentechnik ist dafür nötig?

Lemmer: Man benötigt lediglich einen Gaszähler, eine gut funktionierende Füllstandsmessung das Gasspeichers und eine Waage am Feststoffdosierer.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Versuchsbiogasanlage?

Lemmer: Das System funktioniert erstaunlich gut. Wir haben es drei Monate eingesetzt, ohne eingreifen zu müssen. Sicherlich gibt es gewisse Abweichungen: Mal wird mehr, mal weniger Gas produziert, als prognostiziert. Denn es handelt sich immer noch um einen biologischen Prozess. Aber die Schwankungen kann ein herkömmlicher Gasspeicher abpuffern.

Ist die Entwicklung abgeschlossen und kann man die Steuerung jetzt erwerben?

Lemmer: Ja, technisch ist das System einsatzbereit. Jetzt wäre ein Vertriebspartner nötig, der das System in den Markt bringt. Unserer Ansicht nach kann es den flexiblen Betrieb von Biogasanlagen erheblich vereinfachen.

Weitere Infos: www.powerland42.de

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