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Interview: Fachkräftemangel und lange Lieferzeiten verzögern den Solar-Ausbau

Christian Rahn von Otovo erläutert Chancen und Hürden der Photovoltaik im EEG 2023. Otovo ist eine europaweite Plattform für Solaranlagen, an die Hunderte Solar-Installateure angeschlossen sind.

Lesezeit: 5 Minuten

Bereits Anfang Juli hat der Bundestag die Reform des EEG verabschiedet, mit der die Bundesregierung unter anderem den Ausbau der Photovoltaik bis 2030 vervierfachen will. Die beschlossene Gesetzesnovelle liest sich stark: Sie sieht unter anderem massive Steuererleichterungen bei Anschaffung und Betrieb sowie den Abbau bürokratischer Hürden vor. Der Haken dabei: Die meisten Regelungen treten erst zum 01.01.2023 in Kraft – und haben bis dahin genau den gegenteiligen Effekt, wie Christian Rahn von der Solarplattform Otovo im top agrar-Interview moniert.

Welche Regelungen im EEG 2023 könnten den Ausbau der Photovoltaik beschleunigen?

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Rahn: Mit dem Wegfall der Mehrwertsteuer wird die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen einen zusätzlichen Schub erfahren, denn durch den Wegfall vieler steuerlicher Aspekte wird die Umrüstung auf PV-Anlagen sowohl aus finanzieller als auch aus administrativer Sicht attraktiver. Auch die angestrebte Vereinfachung und Beschleunigung auf Seiten der Netzbetreiber kann zu einer steigenden Nachfrage führen, muss sich in der Praxis jedoch erst einmal beweisen. Grundsätzlich ist ein allzu großer Schub im Ausbau der Photovoltaikanlagen aufgrund des derzeitigen Fachkräftemangels nicht aber unbedingt zu erwarten, denn die Situation der zur Installation benötigten Fachkräfte wird von den Neuerungen im EEG 2023 ja nicht unmittelbar beeinflusst.


Sie kritisieren, dass der Schub zu spät kommt. Warum?



Rahn: Die Änderungen sind sowohl positiv als auch längst überfällig zu bewerten. Typisch deutsche Bürokratie ist besonders die Umsetzung der Neuerungen, denn bislang sind diese zwar benannt, aber noch nicht rechtskräftig. Zudem herrscht Unklarheit darüber, inwiefern sich manche Änderungen beispielsweise auf Bestandsanlagen auswirken werden. Wir haben festgestellt, dass die Neuerungen bei manchen Kunden erstmal zu Unsicherheit geführt haben. So wollen nicht wenige Kunden mit der Installation ihrer Anlage bis Anfang 2023 warten. So einen langen Vorlauf können wir uns inmitten einer Energiekrise und angesichts des Klimawandels einfach nicht leisten. Insofern führten die Änderungen bis jetzt eher zu einer Bremse beim Ausbau der Photovoltaik als zu einem Schub.





Die rechtliche Seite ist das Eine. Wie bewerten Sie die technische Seite: Gibt es genügend Module, Wechselrichter usw. für den stärkeren Ausbau? Wo gibt es Engpässe?



Rahn: Neben dem Fachkräftemangel gab es in der Solarbranche zuletzt massive Probleme in der Beschaffungskette. Gründe dafür sind vielschichtige Probleme in der Produktion und Logistik, besonders in Asien. Verzögerungen in der Lieferung kritischer Bauteile bei einem gleichzeitig extrem hohen Auftragsvolumen der wenigen Handwerker ergibt natürlich eine giftige Mischung. Einige unserer PV-Anlagen konnten erst verzögert oder nur mit Unterbrechungen fertiggestellt werden. Inzwischen sehen wir an der Stelle aber eine Verbesserung der Situation, so wie in anderen Branchen auch.



Wie bewerten Sie den Fachkräftebedarf, gibt es genügend Installateure?



Rahn: Nein, keinesfalls. Es könnte ein Vielfaches mehr an Photovoltaikanlagen installiert werden, wenn in diesem Bereich mehr Kapazitäten vorhanden wären. Die Aufträge sind da, aber die benötigten Fachkräfte zur Installation sind einfach nicht genug, um die Auftragslage im geforderten Zeitrahmen zu bewältigen. 



Wie werden sich die Kosten für die Anlagen entwickeln? Zuletzt gab es einen leichten Abwärtstrend. Wird die steigende Nachfrage zu steigenden Anlagenkosten führen und ist damit die Wirtschaftlichkeit gefährdet?



Rahn: Wir konnten am Markt beobachten, dass vereinzelte Betriebe den Nachfrageschub genutzt haben, um die eigenen Margen zu erhöhen. Auch auf Seiten der Hardware gab es immer mal wieder Ausreißer nach oben, was die Preise für besonders kritische Komponenten anbetrifft. Dieser Trend hat sich inzwischen aber wieder gelegt – in Anbetracht massiv gestiegener Strompreise ist die Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen zudem historisch gut.

Eine Installation im Winter ist immer schwierig. Was raten Sie potenziellen Anlagenbetreibern: Sollen sie trotzdem ab Januar installieren oder das Frühjahr abwarten?



Rahn: Endkunden müssen teilweise mit mehreren Monaten Vorlauf bei der Installation rechnen. In vielen Regionen und gerade in diesem Jahr sind die Winter jedoch so mild, dass PV-Anlagen ohne klimatische Beeinträchtigung installiert werden können. Aber so oder so planen die Otovo-Fachbetriebe die Installationen immer in Abstimmung mit den jeweiligen Witterungsverhältnissen.



Welche Schwierigkeiten sehen Sie noch in Bezug auf die Energiewende, wo hakt es derzeit?


Rahn: Die Neuerungen im EEG 2023 springen deutlich zu kurz. Einige Kunden warten aktuell ab, doch insgesamt ist die Nachfrage riesig. In Kombination mit dem sich weiter verschärfenden Handwerkermangel und weiterhin hohen bürokratischen Hürden führt das meiner Meinung nach zur Zielverfehlung auf dem Weg zu 200 Gigawatt Leistung bis 2030.

Was schlagen Sie dagegen vor?

Rahn: Um den Fachkräftemangel zumindest abzufedern, braucht es Förderprogramme. Die Politik muss entsprechende Umschulungsangebote von einer in die andere Branche schnell mitfinanzieren. Auch muss die Einspeisevergütung noch stärker ansteigen, auf mindestens 13 Cent für Anlagen unter zehn Kilowatt Maximalleistung (kW), zwölf Cent bis 40 kWp und elf Cent bis 100 kW als absolute Untergrenze. Netzbetreiber müssen künftig zwar ein Portal zur Verfügung stellen, das es einfach macht, eine Netzanfrage für eine geplante Photovoltaik-Anlage zu stellen – aber auch erst ab 2025!

Auch der Umgang mit Mieterstrom müsste vereinfacht werden, um den weitgehend brachliegenden urbanen Raum stärker für die Energiewende zu nutzen. Dafür braucht es schnell eine bundesweit einheitliche Lösungen im Umgang mit Datenzählern und die massenhafte Verbreitung von intelligenten Messsystemen - statt individueller und komplizierter Vereinbarungen mit den Netzbetreibern.

Beim Ausbau der erneuerbaren Energien liegt also noch ein langer Weg vor uns, der nur mit Hilfe der Politik erfolgreich gemeistert werden kann.

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