Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck will die die umstrittene, unterirdische Speicherung von CO₂ wieder ins Spiel bringen. Dazu hat er am 26. Februar die Eckpunkte für eine Carbon Management-Strategie und einen darauf basierenden Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes vorgelegt.
Demnach sollen die Speicherung von CO₂ auf dem Meeresgrund (Carbon Capture and Storage, CCS) und die Abscheidung und Nutzung von CO₂ (Carbon Capture and Usage, CCU) vorangebracht werden. Eine Speicherung im geologischen Untergrund auf dem Festland ist dagegen nicht geplant.
Die Eckpunkte und den Gesetzentwurf hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in die Ressortabstimmung gegeben. Nach Abschluss der Ressortabstimmung folgen die Länder- und Verbändeanhörung und anschließend die Kabinettbefassung.
Habeck: „Ohne CCS geht es nicht“
„Ohne CCS und CCU sind die Klimaziele unmöglich zu erreichen. Die Technologie ist auch wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Industriestandorts Deutschland. Ein Verzicht darauf würde uns Wettbewerbsnachteile verschaffen und uns teuer zu stehen kommen“, begründet Habeck, warum er die Technologie wieder fördern will.
„Es gibt Emissionen in der Industrie, die nur sehr schwer oder gar nicht vermeidbar sind. Das gilt vor allem bei der Herstellung von Zement und Kalk und der thermischen Abfallbehandlung. Hier müssen wir verbleibendes CO2 abscheiden und speichern. Nur dann können wir diese Industriezweige in Deutschland halten und unsere Klimaziele in der Industrie erreichen“, sagt er.
Die Technik sei sicher, Risiken seien überschaubar. Viele Industrieländer gingen bei der Entwicklung der Technologie bereits mit großen Schritten voran. Der Minister ergänzt: „Um wieder ein nachhaltiges Gleichgewicht in der Atmosphäre herzustellen, brauchen wir auch negative Emissionen. Eine wichtige Möglichkeit ist die Stärkung natürlicher CO2 Senken wie Böden und Moore. Das allein wird aber bei allen Anstrengungen nicht reichen. Wir müssen auch technische Senken schaffen. Auch dafür brauchen wir eine CCS-Infrastruktur. Mein Haus arbeitet deshalb ebenfalls mit Hochdruck an einer Strategie für Negativemissionen.“
Einsatz fossiler Brennstoffe nicht verlängern
„Der Einsatz von Carbon Capture and Storage (CCS) oder Utilization (CCU) ist dort sinnvoll, wo im industriellen Prozess nach Ausnutzung aller anderen Optionen keine andere Möglichkeit zur Emissionsreduktion mehr besteht oder wo der Einsatz zu Negativemissionen führt, zum Beispiel in der Grundstoffindustrie. Es ist daher richtig, dass die Bundesregierung mit der Carbon Management Strategie den Fokus auf schwer oder nicht vermeidbare Emissionen legt“, erklärt die Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, Simone Peter.
CCS/CCU dürften dagegen nicht zu einem verlängerten Einsatz von fossilen Brennstoffen im Energiesektor führen, da die Abscheidung von CO2 fossile Brennstoffe nicht klimaneutral mache, den Ausbau der Erneuerbaren konterkariere sowie die Energiewende verteuere und verlängere. „Das gilt insbesondere für ‚blauen‘ Wasserstoff, der aus Erdgas und unter Abscheidung von CO2 gewonnen wird. Dieser ist nicht klimaneutral, denn 25 % seiner Gesamtemissionen entstehen, bevor das Erdgas die Wasserstoffanlage überhaupt erreicht“, sagt sie. Hier müsse der Fokus auf heimischen grünen Wasserstoff liegen, der die Systemdienlichkeit und Flexibilität des Energiesystem verbessern könne.
Chance für die Bioenergie
„CCS und CCU können zudem im Kontext der Bioenergie eine wichtige Rolle für die Kompensation der unvermeidbaren Restemissionen spielen: Durch die Abscheidung von CO2 im aktuellen Bestand der Holzheiz(kraft)werke, Biogas- und Bioethanolanlagen könnten 13 Mio. t CO2 jährlich aus der Atmosphäre entfernt werden, perspektivisch sogar 30 Mio. t“, rechnet Peter vor.
Daher begrüßt Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie, dass die Speicherung und Nutzung von CO2 aus Biomasse (Bioenergy with Carbon Capture and Storage / Use - BECCS/BECCU) in der Carbon Management-Strategie der Bundesregierung ausdrücklich genannt wird: „Die Bundesregierung hat sich dazu verpflichtet, Deutschland bis 2045 zu einer der ersten klimaneutralen Industrienationen zu machen. Die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre ist dafür unerlässlich. Bioenergie eignet sich dafür hervorragend, denn durch die Energieerzeugung aus Biomasse in Kombination mit der Abscheidung und Speicherung oder Nutzung von Kohlendioxid kann der Atmosphäre biogener Kohlenstoff dauerhaft entzogen oder z.B. in der Chemieindustrie als Ersatz für vormals fossilen Kohlenstoff eingesetzt werden“, stellt sie die Möglichkeiten vor.
Es sei höchste Zeit, dass die Bundesregierung die gesetzliche Grundlage für den Transport und die Speicherung von CO2 in Deutschland und damit die Voraussetzungen für den BECCS/BECCU-Hochlauf schaffe. Deutsche Bioenergie-Unternehmen seien grundsätzlich bereit, ihr bisheriges Pfund der Klimaneutralität weiter aufzuwerten und künftig negative Emissionen bereitzustellen. „Die in Aussicht gestellte Förderung kann dabei helfen, den Unternehmen die Anschaffung und Integration der nötigen Technologien zu finanzieren“, sagt sie.
Weitere Stimmen
Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA): „Die präsentierten Eckpunkte zur Carbon Management-Strategie stellen einen Meilenstein für die Klima- und Wirtschaftspolitik in Deutschland dar. Zur Klimazielerreichung ist die Nutzung aller verfügbaren Technologien notwendig - der Einsatz von Carbon Management-Technologien ist dabei ein wichtiger Baustein. Zudem sind die Technologien notwendig zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit für emissionsintensive Industrien am Standort Deutschland. Nun gilt es, die angekündigten Kerninhalte der Strategie sowie die Ratifizierung des London-Protokolls und das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen. Außerdem muss die Verzahnung auf europäischer Ebene sichergestellt werden.“
Dr. Nina Scheer, Klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion: „Die Abscheidung von CO₂ darf nicht in Konkurrenz zur Energiewende treten. Deswegen schließt die SPD-Bundestagsfraktion CCS bei der Energiegewinnung aus. CO₂ ist bei Energiegewinnung durch Erneuerbare Energien vermeidbar. Der Einsatz von CCS bei Energiegewinnung läuft unseren Energiewendezielen zuwider, setzt Fehlanreize und ist somit abzulehnen.“
Tobias Goldschmidt, Minister für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur aus Schleswig-Holstein: „CCS kann angesichts der Umweltrisiken und erwartbar hohen Kosten nur eine Technologie für die letzte Meile auf dem Weg zur Klimaneutralität sein. CCS darf auf keinen Fall eine lebensverlängernde Maßnahme für fossile Technologien werden. Der Einsatz von CCS muss auf langfristig unvermeidbare Emissionen etwa von der Zementindustrie oder von Müllverbrennungsanlagen begrenzt bleiben. Niemand sollte glauben, dass er sich beim Klimaschutz aufgrund der CCS-Technologie zurücklehnen kann. Wir sollten CO2 künftig verstärkt in Kreisläufe führen. Auch unsere Industrie hier in Schleswig-Holstein braucht künftig große Mengen CO2 als Rohstoff, beispielsweise für die Herstellung von Wasserstoffderivaten. Gut ist zudem, dass CCS für Kohlekraftwerke vom Tisch ist. Was CCS bei Gaskraftwerken anbelangt, haben wir uns in Schleswig-Holstein klar dagegen positioniert und begrüßen, dass der Bund hierfür keine Förderung vorsieht.“
Die Eckpunkte der Bundesregierung für eine Carbon Management-Strategie finden Sie hier.