Die Aufbereitung von Biogas zum Erdgasäquivalent Biomethan ist für viele Biogasanlagen eine attraktive Alternative zur Stromerzeugung. Denn gerade die Vergärung von Gülle und Mist wird über die Treibhausminderungsquote (THG-Quote) hoch vergütet, wenn das Gas als Kraftstoff verkauft wird.
Allerdings gab es bis zum Frühjahr 2023 einige Turbulenzen: Hohe Substratpreise für nachwachsende Rohstoffe und Wirtschaftsdünger sowie stark gefallene THG-Quotenpreise sowie die wirtschaftliche Schieflage des Biomethanhändlers bmp greengas haben zur Verunsicherung unter den Anlagenbetreibern geführt.
Wie sich Preise und Absatzmöglichkeiten seitdem entwickelt haben und welche Perspektiven es für den Verkauf von Biomethan und CO₂ gibt, erklärt Henning Dicks, Geschäftsführer der Biomethanplattform agriportance.
Der Biomethanmarkt ist stark in Bewegung, vor allem im Bereich Kraftstoff. Im Frühjahr gab es einen starken Einbruch bei den THG-Quotenpreisen, ausgelöst durch chinesischen Biodiesel. Hat sich die Lage inzwischen wieder beruhigt?
Dicks: Ja, im März und April gab es einen extremen Verfall der THG-Quotenpreise. Während wir im Jahr 2022 noch Spitzenpreise von 950 €/t CO₂ für fortschrittliche Biokraftstoffe hatten, ist der Preis im März schlagartig auf 450 € gefallen. Das hat sich auch extrem auf den Preis für Kraftstoffbiomethan für Produzenten ausgewirkt, die vor allem auf langfristige Festpreise schielen.
Bei Biomethan aus Gülle und Mist ist er für einen 7-jährigen Vertrag von 22 bis 23 ct/kWh auf 16 bis 17 ct/kWh gesunken. Das war eine starke Marktverwerfung. Aber ab Mai setzte eine Konsolidierung ein, nach dem starkem Tief sind die Preise wieder gestiegen. Jetzt befinden wir uns wieder auf einem Niveau von mehr als 500 €/t. Auch die Biomethanpreise sind wieder auf einem guten Level.
Im Frühjahr gab es eine Krise, weil einige Biomethanproduzenten mit den niedrigen Preisen und hohen Substratkosten nicht zurechtgekommen sind. Ein Biomethanhändler musste aufgrund von fehlenden Liefermengen sogar Insolvenz anmelden. Wie hat sich das auf die Verträge ausgewirkt?
Dicks: Zwischenzeitlich hatten Biomethanabnehmer wie Verflüssigungsanlagen oder Biomethanhändler keine langfristigen Verträge mehr angeboten, der Markt war im März/April sehr unsicher. Das hat sich gelegt, viele Abnehmer setzen wieder auf langfristige Lieferverträge. Stark im Kommen sind dabei aber flexible Preismodelle, die letztes Jahr zwar schon andiskutiert wurden, aber sehr selten zum Abschluss kamen.
Wie sehen diese flexiblen Preismodelle aus?
Dicks: In vielen Verträgen gibt es eine Aufteilung der THG-Quote, dem preisbestimmenden Merkmal. Häufig erhält der Biomethanproduzent 65 % des Quotenerlöses und der Händler 35 %. Es gibt aber auch Aufteilungen wie 70:30 oder 60:40. Beim Gaspreis erhält der Produzent 60 bis 75 %, den Rest kassiert der Händler. Was außerdem neu dazukommt, ist eine Preisuntergrenze sowie ein Höchstpreis. Denn das gibt ihnen beim Verkauf von Biomethan Sicherheit, das sie von steigenden Preisen profitieren, aber auch eine gewisse Absicherung nach unten haben.
Wie hat sich die Situation mit den Substratpreisen entwickelt?
Dicks: Aufgrund der Energiekrise waren die Preise im Jahr 2022 extrem angestiegen. So hatten beispielsweise Biogasanlagen mit Verstromung eine extreme Sogwirkung bei Energiepflanzen, während Ackerbauern aufgrund der hohen Düngerpreise stark auf Wirtschaftsdünger gesetzt hatten.
Das hat sich wieder beruhigt. Die Substratpreise sind im Vergleich zum letzten Jahr rückläufig und haben teilweise wieder das Vorkriegsniveau erreicht, sowohl bei Silomais als auch bei Wirtschaftsdüngern. Aber mittelfristig werden Preise für Reststoffe ansteigen. Denn deren Menge wird ja nicht mehr.
Gleichzeitig ist Nachfragewirkung durch Biomethaneinspeiseanlagen gewaltig. Dazu tragen sowohl die vielen kleineren Biomethananlagen mit einer Einspeisekapazität von 10 bis 50 GWh als auch vereinzelte Großprojekte bei.
Der Substratpreis bleibt also volatil?
Dicks: Ja, man muss immer mit gewissen Schwankungen rechnen, beispielsweise beim Hühnertrockenkot sind Preisbewegungen bis zu mehr als 100 €/t möglich. Aber dass das Biomethanprojekte nicht unbedingt zum Scheitern bringt, zeigt der Vergleich mit Dänemark: Da gibt es viele Großprojekte mit 250 bis 750 GWh jährlicher Gasproduktion, die ein sehr gutes Substratmanagement haben und trotz deutlich geringerer Biomethanpreise und hohen Substratpreisen sehr wirtschaftlich sind. Es gibt andere europäische Länder, die ähnlich große Anlagen haben, wo es auch funktioniert.
Geht der Umstieg von Verstromung auf Biomethan weiter?
Dicks: Ich gehe davon aus, wobei das kein einheitlicher Trend ist. Wir beobachten aktuell drei Strategien bei den Anlagenbetreibern: Erstens die Flexibilisierung bei Anlagen mit gutem Wärmekonzept und in räumlicher Nähe zu einem Wärmeabnehmer bzw. einer Siedlung. Das sind meist Anlagen, die schon flexibilisiert haben und hierin für sich gute Perspektiven sehen.
Eine Alternative ist die Biomethaneinspeisung mit der Vergärung von Rest- und Abfallstoffen. Das ist interessant für Anlagen ab einer Größe von 500 kW (elektrisch) und mit Zugriff auf entsprechende Substrate, die vielleicht kein Wärmekonzept oder noch nicht flexibilisiert haben.
Die dritte Strategie wählen meist Betreiber, die keinen Nachfolger haben, keinen Zugriff auf günstige Rohstoffe besitzen oder den Fokus im Betrieb eher in der Tierhaltung sehen: Sie entscheiden sich für die Aufgabe der Biogasproduktion. Je nach Anlagentypus hat jeder der drei Wege seine Berechtigung.
Immer häufiger ist auch eine Anlagenkombination im Gespräch, bei der die Anlagen nur an wenigen Stunden im Jahr Strom produzieren und den Rest des Jahres Biomethan ins Gasnetz einspeisen. Wie bewerten Sie das?
Dicks: Das diskutieren wir in der Tat auch mit vielen Betreibern. Wer zum Ausbau seiner Biogasanlage bis zu 5 Mio. € in die Hand nimmt, der sollte die nächsten 15 Jahre im Blick haben. Da ist es sehr wahrscheinlich, dass wir im Sommer ausreichend grünen Strom in Deutschland haben werden durch Photovoltaik, Wind, aber auch über Tagesbatterien.
Das Problem in Deutschland und Mitteleuropa sind eher die Wintermonate, wo Wärmepumpen abends laufen und Elektroautos 10 bis 15 % mehr Energie gebrauchen. Dann kann Biogas als Stromspeicher dienen über einen flexiblen BHKW-Betrieb mit Biomethan-BHKW oder als Biogas-BHKW vor Ort mit kombinierter Biomethaneinspeisung im Sommer. Biomethan aus Stroh und Wirtschaftsdünger könnte dann eingespeist, das Silomaisgas dagegen würde als Rohgas verstromt werden.
Da spielt wahrscheinlich auch der technische Fortschritt bei der Membrantechnik eine Rolle, die für kleinere Anlagen interessant ist.
Dicks: Ja, die Technik hat mächtig aufgeholt. In den ersten Jahren waren die Druckwasserwäsche, die Aminwäsche oder die Druckwechseladsorption (PSA) tonangebend. Die Membrantechnologie ist zwar ebenfalls seit Jahren bewährt, hat aber vor allem in den letzten Jahren extreme Fortschritte gemacht, die auch noch weiter gehen. Sie ist wegen den geringen Investitionskosten vor allem für kleinere landwirtschaftliche Biogasanlagen ab 500 kW ideal. Sie hat leicht höhere Stromverbräuche und kann noch nicht mit einer PSA mithalten, aber auch daran arbeiten die Hersteller.
Wird sich damit die Meinung ändern, dass nur Anlagen ab 1 MW elektrisch für die Biomethanproduktion geeignet sind?
Dicks: Natürlich haben größere Einheiten über den Skaleneffekt Vorteile in der Investition. Aber kleinere Anlagen haben häufig einen besseren Zugriff auf Substrate durch eigene Flächen oder die Tierhaltung vor Ort. Das sichert ihnen günstigere Transport- und auch Substratkosten als bei größeren Anlagen. Darum sehen wir gute Perspektiven für landwirtschaftliche Anlagen.
Wird dabei Reststoffbiomethan für Kraftstoffe die neue Zielgröße?
Dicks: Das kann man so nicht sagen. Der Markt bleibt vielseitig. Aktuell haben wir etwas mehr als 200 Einspeiseanlagen in Deutschland, da kommt jetzt einiges dazu in den nächsten drei bis fünf Jahren. Die meisten Biogasanlagen bleiben in der Vor-Ort-Verstromung. Hierbei gibt es allerdings die Herausforderung, dass Anlagen, die Rohgas für die Verstromung nach EEG anbieten wollen, den Maisdeckel einhalten müssen von 40 bzw. 30 %.
Eine weitere Erlösquelle ist ja der CO₂-Verkauf. Biogasanlagen bieten zwar klimaneutrales CO₂ an, das eine Alternative zu fossilem CO₂ ist. Ein Problem bleibt aber der Transport der oft kleinen Mengen in die Industriebetriebe. Denn ein Transport von biogenem CO₂ mit fossilem Diesel verhagelt so mache Klimabilanz. Wie lässt sich das lösen?
Dicks: Die Dezentralität ist sowohl eine Stärke als auch eine Schwäche der Biogasanlagen. Bislang ist der CO₂-Markt stark zentralisiert: Hauptproduzent in Deutschland ist BASF nördlich von Hamburg mit einer Jahresproduktion von 300.000 t CO₂ – etwa ein Drittel des deutschen Marktes.
Viele CO₂-Abnehmer aus der Getränkeindustrie sind erfreut darüber, dass es jetzt mehrere Produzenten gibt. Bei der chemischen Industrie ist es anders, die sind es gewohnt, dass sie aus dem Ammoniak- oder dem Harnstoffwerk von nebenan das CO₂ sehr kostengünstig bekommt. Da wird sich der Markt ändern. Den Nachteil beim Transport sehe ich nicht so dramatisch, denn perspektivisch fahren die Lkw ja künftig mit Bio-CNG bzw. Bio-LNG und damit auch klimaneutral.
Das meiste CO2heute auf dem Markt ist ‚grau‘, also auf Basis von fossilem Erdgas hergestellt. Die Nachfrage nach grünem CO₂ wird stark steigen. Wenn die aktuelle Entwicklung so weiter geht, könnten 80 bis 90 % des ‚grauen‘ CO₂ durch biogenes ersetzt werden, auch aus Bioethanolanlagen. Wenn Chemie- und Getränkeindustrie bedient sind, wird es interessant, CO₂ unterirdisch zu speichern oder für die E-Fuel-Produktion, z.B. für E-Kerosin, zu verwenden. Das Potenzial ist jedenfalls riesig.