Der Wechsel von der Strom- und Wärmeerzeugung mit BHKW auf die Biomethanproduktion ist für viele Biogasanlagenbetreiber eine Option. Vor allem die hohen Quotenerlöse für die Treibhausgasminderung im Kraftstoffmarkt locken Betreiber gerade von Anlagen, deren Ende der ersten Förderperiode des EEG nach 20 Jahren bevorsteht. Zusätzlich beflügelt wird die Umstellung durch politische Verunsicherungen wie die lange Diskussion um die Erlösabschöpfung im Rahmen der Strompreisbremse.
Inzwischen sind die hohen Erlöse des Jahres 2022 gesunken. Das hat die Erzeugung von bedarfsgerechtem Strom zeitweilig weniger attraktiv gemacht. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen zu dem momentan Biomethanboom. Im top agrar-Interview erläutert Uwe Welteke-Fabricius vom Netzwerk „Flexperten“, warum er den hohen Quotenpreis als Blase sieht, die zu Platzen droht, und welche Chancen in Speicherkraftwerken liegen. Die „Flexperten“ sind ein Netzwerk von Akteuren der Kraft-Wärme-Kopplungs- und Biogasbranche, des Stromhandels, der Wissenschaft und der Verbände, die in der bedarfsgerechten Stromerzeugung von KWK-Anlagen einen wichtigen Beitrag zur Energiewende sehen. (www.kwk-flexperten.net)
Derzeit wollen viele Betreiber von der Stromerzeugung auf Biomethanproduktion umsteigen. Wie bewerten Sie die Entwicklung?
Welteke-Fabricius: Diese Entwicklung ist kein Wunder, weil derzeit im Transportsektor sehr hohe Erlöse für die THG-Minderungsquote erzielt werden – besonders, wenn das Biomethan nicht aus Anbaubiomasse stammt.
Im Strommarkt gibt es bisher keine gleichwertige Förderung für Energie aus gülle- und abfallstämmigem Biogas. Der Güllebonus müsste schon erheblich höher sein, um hier mithalten zu können. Die Biogasmengen fehlen leider für den Bau von Speicherkraftwerken, sodass schon Projekte aufgegeben wurden. Das bedauern wir sehr, denn so verschwindet viel Wertschöpfung aus dem Bereich des landwirtschaftlichen Betreibers.
Außerdem ist es energetisch fragwürdig, wenn das wertvolle Biogas im Verbrennungsmotor verbrannt wird, ohne die Wärme nutzen zu können – wie das bei Speicherkraftwerken der Fall wäre. Das Geschäftsmodell THG-Quote steht zudem auf wackeligem Boden, denn die hohen Quotenpreise sind durch eine künstliche Knappheit entstanden, indem die Quotenverpflichtung für fossile Treibstoffe drastisch erhöht wurde. Genauso leicht kann diese Preisblase auch wieder platzen.
Sollten Betreiber weiter nur im Strommarkt bleiben oder besser eine Kombination (Gas/Strom/Wärme) anstreben?
Welteke-Fabricius: Hauptsächlich einige große Unternehmen haben sich sehr früh auf Biomethan eingestellt und kaufen großräumig Wirtschaftsdünger vom Markt weg. Sie machen wahrscheinlich ein gutes Geschäft. Wer jetzt einsteigt, muss erstmal auf den Gasnetzanschluss warten. Das kann Jahre dauern; es haben sich lange Schlangen gebildet. Bis dann wirklich das Biomethan eingespeist würde, kann die Blase schon geplatzt sein.
Zugegeben: Um wirklich attraktiv zu sein, sind Wärme und Spitzenstromerlöse schon wieder zu billig geworden, während die Kosten durch den Inflationsschub gestiegen sind. Da muss die Bundesregierung bei der Vergütung noch etwas nachlegen und vor Allem beim Umstieg auf ökologisch wertvollere Substrate eine Kostenbeteiligung anbieten. Allerdings sind die Erlösaussichten im Strom- und Wärmemarkt eindeutig positiv, während Kraftstoffe für Verbrenner langfristig eher auslaufen dürften.
Die Biogasaufbereitung und -einspeisung erfordert schon eine Größe der Anlage deutlich über dem Schnitt unserer Bestandsanlagen. Für eine Kombination mit teilweise Verstromung und teilweise Einspeisung sind die Anlagen erst recht zu klein. Eine allenfalls langfristige Lösung für beide Technologien an einem Standort wäre, die Biogaserzeugung zu erweitern, ein Speicherkraftwerk mit Wärmenetz zu bauen, das mit einem Elektrolyseur zu planen – dann können bei einem Überschuss von erneuerbarem Strom die kritischen Mengen zustande kommen, die eine Gaseinspeisung rechtfertigen.
Biogas müsste doch eigentlich eine gute Zukunft als Alternative zu fossilem LNG oder russischem Erdgas haben.
Welteke-Fabricius: Das stimmt! Aber so viel Gas, wie da derzeit verheizt wird, können und wollen wir nicht aus Biogas erzeugen – der Verbrauch muss vor allem deutlich reduziert werden.
Wofür brauchen wir denn die Energieträger in einer erneuerbaren Welt? Als Brennstoff für wenige Grad Raumwärmeanhebung war Gas schon immer zu schade. Das kann man mit Wärmedämmung, Strom, Wärmepumpen und KWK-Abwärme effizienter erledigen.
Gase brauchen wir aber als Treibstoff für Spitzenlastkraftwerke, zur Ergänzung der Photovoltaik- und Windstromversorgung, für wenige, nicht elektrifizierbare Anwendungen brauchen wir Moleküle als speicherfähige Energieträger, z.B. im Transportsektor, für die Industrie – und besonders für mobile landwirtschaftliche Arbeitsmaschinen.
Schon heute ist vielen Stadtwerken klar, dass ein Gasnetz für energieeffiziente Privathäuser und in vielen Gewerbegebieten langfristig nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sein wird. Die Verästelung der Gasnetze wird gröber. Das ändert sich übrigens auch nicht mit Wasserstoff – das wird ganz grobe Maschen haben. Wir sehen die Anwendung von Gas, hoffentlich bald mehr Biogas und Biomethan, hauptsächlich in der höchst effizienten Kraft-Wärmekopplung. Erst in Jahrzehnten werden wir zunehmend auch Wasserstoff in der Industrie einsetzen.
Im Biokraftstoffmarkt sind Reststoffe wie Gülle und Mist wegen der großen THG-Minderung attraktiv. Wie sieht das im Strombereich aus? Denn die aktuelle Trockenheit setzt Mais in diesem Jahr wieder stark zu, Alternativen sind gefragt.
Welteke-Fabricius: Gülle und Mist gehören in die Biogasanlage, bevor sie wieder auf den Acker kommen. Noch immer bleibt viel Wirtschaftsdünger unvergoren, da ist der Quotenpreis-Boom eine willkommene Anregung. Der Mais wird noch lange zur Biogaserzeugung gehören; bessere und schlechtere Jahre sind nichts Neues.
Machen wir uns nichts vor: Güllevergärung ist gut, aber bringt wenig Energie. Die Stalltierhaltung steht zudem unter Druck und schrumpft. Mehr Energie kommt zwar durch den wachsenden Anteil der Strohhaltung. Aber das dauert und kostet mehr Geld, als der Lebensmitteleinzelhandel den Kunden zumuten mag.
Wesentliche Substratpotenziale sehen wir in zahlreichen natürlichen Stoffkreisläufen. Da sind landwirtschaftliche Nebenprodukte, die rein mechanisch bearbeiteten Abfälle, der Aufwuchs von Bienenweiden, Naturschutzflächen und wiedervernässten Mooren. Ein erstaunliches Potenzial liegt in Zwischenfrüchten und Untersaaten, die als Bodendecker und für die Nährstoffversorgung im biologischen Landbau wichtig sind. Was da unterirdisch Stickstoff sammelt und Humus bildet, bringt oberirdisch nochmal Geld durch die Biogasgewinnung.
Das ist zwar flächenneutral und kontert einem wesentlichen Kritikpunkt gegen Biogas. Aber es kostet trotzdem mehr Geld. Dafür wird die Bundesregierung noch Anreize schaffen müssen, denn das kann die Landwirtschaft nicht einfach aus den Energieerlösen abzweigen.
Wenn Betreiber im Strommarkt bleiben, müssen sie ja nach 20 Jahren EEG in die Verlängerung. Dafür sollten die Anlagen möglichst schon im 1. Vergütungszeitraum fit gemacht werden. Wie sieht aus Ihrer Sicht eine zukunftsfähige Biogasanlage aus?
Welteke-Fabricius: Das zeigen inzwischen einige Hundert Speicherkraftwerke mit einigen Jahren Erfahrung. Die haben im Jahr 2022 erlebt, dass sich das auch sehr lohnen kann.
Auch wer die Flexibilitätsprämie verpasst hat, kann das noch erreichen. Dreh- und Angelpunkt ist ein Wärmenetz. Im Zuge der verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung entdecken viele Bürger, dass die Nähe zu einer Biogasanlage ein echter Glücksfall ist. Man sucht ein passendes Dorf oder Stadtquartier und dort ein Grundstück für einen neuen Satelliten. Dorthin wird eine Rohgasleitung verlegt und das Speicherkraftwerk gebaut. Das BHKW wird maximal überbaut, der Wärmepuffer großzügig dimensioniert. Je nach Standort finden sich Gemeindewerke, Bürgerenergiegenossenschaften, Unternehmer. Und oft auch weitere Wärmequellen, für die wiederum der Wärmepufferspeicher eine wichtige Voraussetzung ist.
So kann die Biogasbranche einen wichtigen Beitrag zur Kraftwerksstrategie leisten. Was 50 große Gasturbinen mit je 500 MW leisten sollen, könnten auch 5.000 Speicherkraftwerken zu (im Mittel) je 5 MW installierter Leistung. Nur viel effizienter, regenerativ und obendrein mit kontengünstiger Wärmeversorgung für etwa 8 Millionen Menschen im ländlichen Raum.